19.10.2019 - Die Rheinpfalz
"Unbiblisches Machtgebaren"
Katholische Laienbewegung sieht den Reformprozess wegen Störfeuers aus Vatikan gefährdet.
Von Anne-Susann von Ehr
In offiziellen kirchlichen Gremien haben sie weder Stimm- noch Teilnahmerecht. Und trotzdem ist die 1995 gegründete Bewegung „Wir sind Kirche“ überzeugt davon, dass sie mit dazu beigetragen hat, die deutsche katholische Kirche auf Reformkurs zu bringen.
Seit nahezu 24 Jahren fordert die Reformgruppe der Kirchenvolksbewegung, dass sich in der katholischen Kirche etwas ändern müsse – in der Hierarchie und Machtverteilung, in der Sexualmoral, der priesterlichen Lebensform und bei der Stellung der Frau in der Kirche. „Das sind genau die Themen, die jetzt beim synodalen Weg behandelt werden, den die Deutsche Bischofskonferenz und die Vertretung der Laien, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), am 1. Advent starten wollen“, sagt Christian Weisner, Sprecher von „Wir sind Kirche“ erkennbar zufrieden. Auch wenn er weiß, dass darüber reden noch lange nicht bedeutet, dass sich etwas ändert.
Am Samstag wird sich das ZdK mit der Satzung des „synodalen Weges“ befassen, den die Bischöfe im Vergleich zum ersten Entwurf an einigen Stellen verändert haben. Auf Druck aus rom. Dort herrscht die Angst, die Laien könnten bei Entscheidungen die Bischöfe überstimmen. Zu klären ist, wer in welcher Weise am Zustandekommen der Beschlüsse beteiligt wird und welche Verbindlichkeit diese haben werden. Nach Kirchenrecht ist kein Bischof an die Ergebnisse eines solchen Prozesses gebunden.
Es waren aber die Bischöfe, die in ihrer Notlage das Zentralkomitee baten, durch einen „verbindlichen synodalen Weg“ Vertrauen für die Kirche zurückzugewinnen. Ausgelöst wurde diese Krise durch die Ergebnisse einer Studie über den sexuellen Missbrauch an Minderjährigen durch Priester und durch die anhaltend hohen Kirchenaustritte.
Weisner ist sich sicher: Wenn es nicht gelingt, dass Bischöfe und Laien sich „auf Augenhöhe begegnen“, dann wird der Prozess scheitern. Und er hofft, dass das ZdK auf einer eindeutigen Gleichberechtigung von Bischöfen und Laien bestehen wird – gleich welchen Druck der Vatikan ausübt.
Für Magnus Lux vom Bundesteam „Wir sind Kirche“ zieht das „Scheinargument Weltkirche“ nicht mehr. Damit versuche die römische Kurie, Reformbestrebungen zu stoppen. Die Kirche habe in vielen Teilen der Welt an Ansehen in der Gesellschaft verloren. „Das unbiblische Machtgebaren der Hierarchen lassen sich die Menschen nicht mehr gefallen.“ Die Kirchen vor Ort, die Diözesen bildeten die Weltkirche. Die Bischöfe seien die Verantwortlichen in den Bistümern. „Sie sind nicht die Abteilungsleiter des Papstes und schon gar nicht ausführendes Organ der römischen Kurie“, erregt sich der Theologe.
Aber in der Deutschen Bischofskonferenz ziehen nicht alle an einem Strang. Für den Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer und den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki setzt der Reformprozess die falschen Prioritäten, wenn Bischöfe gemeinsam mit Laien über Streitthemen reden. Nach Ansicht der beiden Oberhirten muss es vor allem um die „Glaubenskrise“ in Deutschland gehen.
Im Bistum Speyer hingegen sieht Rudolf Walter eine „gute Stimmung für die Erneuerung“. Dem Speyerer Bischof Krl-Heinz Wiesemann bescheinigt der Sprecher der Bewegung in der Pfalz, dass dieser die „existenzielle Krise der Kirche“ erkannt habe und progressiv voranschreite. Wiesemann ist mit einer Frau gleichberechtigt für das Forum „Macht, Partizipation, Gewaltenteilung“ des synodalen Weges verantwortlich.
Was aber passiert, wenn dieser auf zwei Jahre angelegte Reformprozess versandet? Magnus Lux hat da ganz genaue Vorstellungen: „Wenn die Kirchenleitung versagt, stehen die Gemeinden in der Pflicht, sich selbst zu ermächtigen, um die Frohe Botschaft in die Welt zu tragen.“
|ane
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Zuletzt geändert am 20.11.2019