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Veröffentlicht am 21­.01.2020

Februar 2020 – „Kirche In“ (Vorabdruck)

Langer und steiniger Weg

Vor 25 Jahren – Stichwort: Kardinal Hans Hermann Groër in Wien – startete das KirchenVolksBegehren; vor genau zehn Jahren erfolgte die Aufdeckung sexualisierter Gewalt am Berliner Canisius-Kolleg durch P. Klaus Mertes; vor 16 Monaten erschütterte die von den deutschen Bischöfe in Auftrag gegebene MHG-Studie. Aber erst vor wenigen Tagen, Ende Januar 2020, hat die erste Versammlung des Synodalen Weges stattgefunden, mit dem sich die deutschen Bischöfe gemeinsam mit Vertreter*innen des Kirchenvolks den tieferen Ursachen der Glaubwürdigkeitskrise stellen wollen. Die Foren des Synodalen Weges entsprechen übrigens genau den Punkten des österreichischen KirchenVolksBegehren von 1995: Macht, Pflichtzölibat, Sexuallehre und Frauenämter.

Es ist traurig und schmerzhaft, dass die verfasste Kirche so langsam agiert. Sind doch viele Zusammenhänge schon seit dem Kleriker-Buch von Eugen Drewermann im Jahr 1989 und seit dem Buch „Macht, Sexualität und die katholische Kirche“ des australischen Bischofs Geoffrey Robinson bekannt, das Wir sind Kirche 2010 herausgegeben hat.

Zwar hat die katholische Kirche mittlerweile einiges getan, aber es ist immer noch zu wenig. Die konkrete Aufarbeitung, bei der sich Bischöfe und Personalverantwortliche zu ihrem falschen Handeln im Umgang mit Missbrauchsfällen bekennen, fehlt noch. Gegebenenfalls müssten auch personelle Konsequenzen gezogen werden. Das Thema der Entschädigungszahlungen für Opfer ist in Deutschland immer noch ungeklärt.

Ist das Glas der Reformen halb voll? Oder halb leer? Noch wichtiger ist derzeit wohl, dass das Glas nicht ganz zerbricht. Das Selbstbild der Kirche steht in Frage. Ein grundlegender Wandel in Lehre und Struktur, in Theologie und Pastoral ist dringend vonnöten, wenn das Christentum auch zukünftig noch relevant für die Menschen sein will.

Der Synodale Weg wird ein steiniger Weg werden, ja sein müssen. Alte Rollenbilder, verkrustete Kirchengesetze, überholte Lehrsätze, falsche Schuldzuweisungen und innere Ängste müssen aus dem Weg geräumt werden. Erst wenn im Laufe dieses schmerzhaften Prozesses eine wirkliche Reue, Umkehr und Neuorientierung erkennbar wird und auch konkrete Veränderungen umgesetzt werden, verdient die verfasste Kirche es, dass die Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche ihr wieder Glaubwürdigkeit zuerkennen. Der Synodale Weg ist ein Wagnis für alle, aber es gibt keine Alternative. Wenn er gelingt, kann er Vorbild für die Weltkirche sein.

Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland
www.wir-sind-kirche.de

 

Zuletzt geändert am 27­.01.2020