November 2020 - BUFO Bundesform - Das Magazin der Katholischen Landjugendbewegung Deutschlands
„WARUM SIND SIE (NOCH) KATHOLISCH?“
Initerview mit Dr. Edgar Büttner
Herr Dr. Büttner, in dieser Ausgabe unserer Verbandszeitschrift geht es um die Zukunft der Kirche.
Würden Sie uns kurz Ihre Geschichte erzählen? Warum sind Sie Priester geworden?
1952 in eine katholische Arbeiterfamilie geboren, durchlief ich in Kitzingen, Mainfranken, eine kirchliche Sozialisation im Kindergarten der Barmherzigen Schwestern, als Ministrant, KJG-Leiter und im Pfarrgemeinderat. Nach dem Abitur entschloss ich mich, Jesus im priesterlichen Dienst nachzufolgen. Es war die Zeit der „Würzburger Synode“, eine Zeit des Aufbruchs und des Dialogs - vergleichbar heute. Das motivierte. 1978 kam ich als Kaplan in die Pfarrei „Unsere Liebe Frau“, Würzburg, wo ich meine Frau kennenlernte. Zu meinen Aufgaben gehörte es, Religionsunterricht an einer Berufsschule für Landwirt*innen zu erteilen. Es machte Spaß. 1983 wurde ich suspendiert. Offiziell heißt es: Der Priester scheidet aus eigenem Wunsch aus. Das ist falsch! Wir werden wegen der Liebe zu einer Frau (oder einem Mann) kaltgestellt. In diesem Fall ist der Ehrliche der Dumme!
Wie ging es nach der Suspendierung weiter?
Meine Frau Elisabeth brachte uns durch. Geldmittel waren knapp. Ich studierte Sozialpädagogik bei den Don-Bosco-Salesianern. Seit 1994 bin ich als Business-Coach selbständig. Viele meiner Kund*innen kennen mich als Priester ohne Zölibat und bringen mir, vielleicht auch deswegen, Vertrauen entgegen. Ich sehe mich als anonymen „Arbeiterpriester“. Dogmatisch gibt es keine „Ex-Priester“.
Sie haben die Initiative „Priester im Dialog“ begründet. Welche Ziele verfolgen Sie damit?
Man muss sich einmal die Dimension klarmachen. Im deutschsprachigen Raum mussten gut 1500 – 2000 Priester ihren Beruf aufgeben. Weltweit sind es um die 100 000. Der Pflichtzölibat produziert Verlierer: Die Gemeinden verlieren hochmotivierte, gut ausgebildete Seelsorger; die Betreffenden verlieren den Beruf und die Kirche verliert Ansehen, weil allgemein bekannt ist, wie Diözesanleitungen ihre sich offenbarenden Priester (inklusive Partner*innen und Kinder) bestrafen. Das soll Heiratswillige abschrecken. Die „Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen“ (VkPF) berät dazu seit vierzig Jahren.
Nun zu den Zielen: Wir wollen Weiterbeschäftigung in allen pastoralen Diensten, die Lai*innen offenstehen, sowie eine gerechte finanzielle Behandlung (Arbeitslosengeld, Betriebsrente, Beitrag zur Krankenversicherung). Es geht um Rechtssicherheit, denn drei Monate Entgeltfortzahlung und eventuell Hartz IV, das ist existenzbedrohend (Priester, die sexualisierte Gewalt ausübten, erhielten „aus Mitleid“ Entgelt und Pension!). Die Kirchenleitungen streichen Namen aus Personalverzeichnissen und Namenslisten. Mit dieser „damnatio memoriae – Verdammung des Andenkens“ muss Schluss sein. Man könnte einfach das Weihedatum hinter den Namen in Klammern setzen.
Positiv ist „Priester im Dialog“ erzielen Erfolge. In der Erzdiözese München und Freising stehen uns jetzt mehr hauptamtliche Berufe offen. Wie stark sich jemand ehrenamtlich in die Pastoral vor Ort einbringen kann, hängt vom jeweiligen Pfarrer ab.
Sie sind Berater im Synodalforum „Priesterliche Existenz heute“. Welche Ergebnisse erhoffen Sie sich vom Synodalen Weg?
Zuerst ein klares Signal zur Abschaffung des Pflichtzölibats. Der Zölibat ist kein Sakrament. Heirat ist ein Menschenrecht. Außerdem erwarte ich Strukturreformen. Auch Strukturen verkünden!
Darf ich Ihnen eine sehr persönliche Frage stellen? Bei Ihrer Biographie würde es mich nicht wundern, wenn Sie die Kirche verlassen hätten. Warum sind Sie (noch) katholisch?
Katholisch-Sein streift man nicht einfach ab. Man darf die Macht nicht unkontrolliert dem Topmanagement (= Papst und Bischöfen) überlassen. Zum ersten Mal habe ich mich katholisch fremdgeschämt, als Benedikt XVI. die fundamentalistischen Piusbrüder bedingungslos rehabilitierte. Gott und vielen Menschen, besonders meiner Frau, bin ich dankbar für einen etwas anderen Lebens- und Glaubensweg. Wie andere Mitbrüder bin ich übrigens bereit, sofort wieder einzusteigen.
Gibt es etwas, was Sie unseren Mitgliedern zum Abschluss mit auf den Weg geben möchten?
Denken kommt vor Glauben! Bleibt intellektuell redlich! Lasst euch nichts von kirchlichen „Würdenträgern“ vormachen, wenn deren Reden und Taten dem Geist des Evangeliums auffällig widersprechen. Tretet freimütig auf! Jugendarbeit im BDKJ prägt für das ganze Leben. Jesus, der Christus, der Mensch für andere, gibt Zukunft und Hoffnung.
Seite 14/15: https://www.kljb.org/wp-content/uploads/2020/11/KLJB_13355_BUFO_3_2020-WEB.pdf
Zuletzt geändert am 25.11.2020