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Veröffentlicht am 12­.07.2007

12.7.2007 - diegesellschafter.de/tagebuch

Was ist nur mit der katholischen Kirche los?

Christian Weisner, Mitglied des Bundesteams »Wir sind Kirche«

Die vatikanische Glaubenskongregation hat in einem Dokument erneut die Vorrangstellung der katholischen Kirche bekräftigt und damit nicht nur auf evangelischer Seite heftige Kritik hervorgerufen. Unter der Überschrift »Rom Bleibt Rom...« konstatiert DIE ZEIT: »Während die Ordnung der Messliturgie allein innere Angelegenheit der römisch-katholischen Kirche ist, betrifft die Bestimmung des Verhältnisses zu den anderen Kirchen die Ökumene - und ist daher ein Skandal«. Christian Weisner kommentiert das päpstliche Kirchenverständnis, das zwar einräumt, dass auch außerhalb der katholischen Kirche »vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit« zu finden seien. Zugleich aber auch festlegt, dass die Kirchen der Reformation nach katholischer Auffassung nicht »Kirchen im eigentlichen Sinn« sind.

Mit einem ärgerlichen Schreiben aus Rom hat der Vatikan die Kirchen der Reformation jetzt erneut abgestuft und ihnen gar das Kirche-Sein abgesprochen. Drei Tage zuvor hat der Papst einen alten Ritus für die katholische Messe - es geht da um viel mehr als um die lateinische Sprache - ohne Einschränkung wieder zugelassen, was Traditionalisten seit langem gefordert hatten. Hat die katholische Kirche unter Papst Benedikt den Rückwärtsgang eingelegt?

Ja, dies ist leider zu befürchten. Die erneute Brüskierung der protestantischen Kirchen ist gerade in Deutschland ein herber Rückschlag für die jahrzehntelangen ökumenischen Bemühungen und wird die Vorbereitungen für den geplanten Ökumenischen Kirchentag 2010 in München sehr erschweren. Im Zweiten Vatikanischen Konzil (dem großen Reformkonzil der katholischen Kirche von 1962 bis 1965) hatte die römisch-katholische Kirche ihren Alleinvertretungsanspruch gegenüber anderen Konfessionen und Religionen aufgegeben. Doch dieser theologisch durchaus fragwürdige Anspruch wird jetzt wieder sehr betont. Da muss sich der Vatikan fragen lassen, wie ernst es ihm überhaupt noch um den Dialog mit anderen Kirchen und Religionen ist.

Die Wiederentdeckung der »alten Messe« erscheint mir in Wirklichkeit als Versuch, der katholischen Kirche einen neuen »alten Kurs« zu verordnen. Ein Kurs, der weniger den biblischen Wurzeln sondern viel mehr dem gesamtgesellschaftlichen konservativen Zeitgeist entspricht. Doch die Geste des Papstes, die vergleichsweise sehr geringe Zahl der Traditionalisten zu befrieden, birgt die große Gefahr neuer Spaltungen innerhalb der römisch-katholischen Kirche.

Viele Entscheidungen der letzten Zeit sehe ich als ein gefährliches Signal, den Geist und die Beschlüsse des großen Reformkonzils umzudeuten, in Frage zu stellen oder gar rückgängig zu machen. Auf der anderen Seite fehlen überzeugende Antworten zu brennenden aktuellen Problemen wie zum Beispiel die Behebung des auch durch den Zölibat bedingten weltweiten Priestermangels, die Rechte von Frauen in Kirche und Gesellschaft oder eine zukunftsgerechte kirchliche Sexuallehre auch zur Prävention von AIDS.

Zwei Jahre nach seiner Wahl zum Papst ist jetzt klar erkennbar, dass unter dem immer mächtiger werdenden Einfluss des konservativen »Opus Dei« und anderer restaurativer kirchlicher Kräfte Papst Benedikt seinen jahrzehntelangen strengen Kurs als Leiter der päpstlichen Glaubensbehörde unverändert fortführt. Vom Geist Jesu Christi und von der Barmherzigkeit, von der in seiner viel gelobten Antrittsenzyklika »Deus Caritas Est« so viel die Rede war, ist leider nichts zu spüren. Doch nicht nur der Papst oder Rom sind Kirche, wir alle sind Kirche: Kirchleitung und Kirchenvolk, Kleriker wie so genannte Laien, Männer wie Frauen. Das ist eine der wesentlichen Botschaften des letzten Konzils, die mich ermutigen, mich weiter in der katholischen Kirche zu engagieren.

Christian Weisner, Jahrgang 1951, Stadt- und Verkehrsplaner, engagiert sich seit seiner Jugend in einer katholischen Kirche, wie sie vom großen Reformkonzil (1962-1965) unter Papst Johannes XXIII. geprägt ist. 1995 hat er das KirchenVolksBegehren in Deutschland mitinitiiert und arbeitet seitdem ehrenamtlich in der KirchenVolksBewegung »Wir sind Kirche«.

Zuletzt geändert am 05­.11.2007