12.7.2007 - Stuttgarter Zeitung
Verspielt der deutsche Papst seinen Sympathiebonus?
Der Vatikan hat die Protestanten mit einer Verlautbarung vor den Kopf gestoßen. Benedikt zeige nun sein wahres Gesicht, meinen selbst die katholischen Kirchenreformer. Die Aufregung um das Papier erscheint aber etwas übertrieben. Dieses enthält vor allem alte Botschaften.
Von Michael Trauthig
Die gestern gestartete Romreise von Frank Otfried July steht plötzlich in neuem Licht. Ursprünglich wollte der württembergische evangelische Landesbischof vor allem seinem katholischen Kollegen Kardinal Walter Kasper die Aufwartung machen, nun aber muss er auch einen Balanceakt meistern: einerseits protestantisches Selbstbewusstsein gerade in dem Moment zeigen, da Rom die evangelischen Kirchen erneut als minderwertig beschrieben hat. Andererseits gilt es, als erster hochrangiger Protestant, der nach den jüngsten Verstimmungen im Vatikan erscheint, verbindlich zu bleiben und die Tür für den ökumenischen Dialog offen zu halten. Fast diplomatisch äußert sich July daher zur Provokation der Glaubenskongregation. Deren Dokument bringe keine neuen Inhalte. "Ich verstehe aber nicht, dass man herabsetzende Äußerungen nach sieben Jahren wiederholt."
Der Rückblick auf das Jahr 2000 hilft tatsächlich, das am Montag veröffentlichte Papier einzuordnen. Schon zu der Zeit hatte nämlich die Erklärung "Dominus Jesus" hohe Wellen geschlagen. Der damalige oberste Glaubenshüter Joseph Ratzinger schärfte da in schroffer Form ein, dass einzig die römisch-katholische Kirche die wahre Kirche Jesu Christi genannt werden dürfe. Die Protestanten seien nicht "Kirche im eigentlichen Sinn", hieß es. Dass dieser Alleinvertretungsanspruch die Angesprochenen verletzte, ist klar. Nun wird die Aussage von Rom in dem neuen Schreiben zwar präzisiert, manche der hochtheologischen Formulierungen klingen aber sogar versöhnlicher. Ferner erklärt die Glaubenskongregation selbst, sie wolle sich "darauf beschränken, Äußerungen des Lehramts in Erinnerung zu rufen" - ganz so, als sollten die Proteste aufgefangen werden. Dennoch wurde Porzellan zerschlagen, was besonders ökumenisch gesinnte Oberhirten in der katholischen Kirche frustriert.
Die Spitze der evangelischen Kirche zeigte sich jedenfalls brüskiert. July findet die Reaktion nachvollziehbar, gibt sich aber gelassener. Derart abgrenzende Voten beförderten das Gespräch nicht, sagt der Bischof. Er wolle in Rom erkunden, welche Absichten der Vatikan mit der unglücklichen Neuauflage alter Statements hege. Möglich ist, dass der Papst nicht nur sich selbst treu bleiben, das Profil schärfen, sondern vor allem Traditionalisten einbinden will. Denen war er schon mit der Aufwertung der tridentinischen Messe entgegengekommen. Klar erscheint auch, dass der Papst Kasper einen Bärendienst erwiesen hat. Denn der hatte sich jahrelang bemüht, die Irritationen um "Dominus Jesus" auszuräumen. Die Übung setzte der Ökumeneminister im Vatikan jetzt fort, indem er das neue Papier als Einladung zu einem wahrhaftigen Dialog verteidigte.
Der Papst steuere einen restaurativen Kurs, urteilt auch Christian Weisner von der Kirchenvolksbewegung. Offenbar wachse der Einfluss des geheimnisumwitterten Ordens Opus Dei auf den Pontifex. Allerdings überrascht die Entwicklung die Kirchenreformer nicht. Sie hatten ohnehin nicht auf grundlegende Reformen unter dem jetzigen Papst oder einen neuen ökumenischen Frühling gehofft, ihre Kritik wegen der Popularität des Bayern aber nur verhalten angebracht. Dies ändert sich nun. "Benedikt verspielt seinen Sympathiebonus in Deutschland", sagt Weisner. So weit gehen die Kirchenoberen noch nicht. July betont lieber den hohen Respekt vor dem Papst. Er ist auch sicher, dass sich die Basis in ihrem Drängen nach mehr Ökumene von Rom nicht bremsen lassen werde.
Zuletzt geändert am 12.07.2007