11.7.2007 - Esslinger Zeitung
„Keine Kirche im eigentlichen Sinn“
Von Stephan Köhnlein
Rom - Papst Benedikt XVI. hat die universelle Vorrangstellung der katholischen Kirche bekräftigt und damit einen Sturm der Entrüstung entfacht. In einem gestern im Vatikan veröffentlichten und vom Papst gebilligten Dokument wird erklärt, dass andere christliche Vereinigungen wie etwa die Protestanten keine Kirchen im eigentlichen Sinn seien.
Apostolische Sukzession
Aber auch die orthodoxen Kirchen leiden demnach unter einem Mangel, weil sie den Papst nicht anerkennen. Das Dokument mit dem Titel „Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche“ wurde von der Glaubenskongregation im Vatikan unter Leitung von Kardinal William Levada erstellt, jenem Gremium, dem Benedikt XVI. vor seiner Wahl zum Papst vorstand.
Dass der Vatikan den Gemeinschaften, die aus der Reformation des 16. Jahrhunderts hervorgingen, den Titel „Kirche“ nicht zubilligt, wird damit begründet, dass diese Gemeinschaften „nach katholischer Lehre die apostolische Sukzession im Weihesakrament nicht besitzen“. Deshalb fehle ihnen ein wesentliches Element des Kircheseins, weswegen sie nach katholischer Lehre nicht Kirchen im eigentlichen Sinn genannt werden könnten. Die Ostkirchen besäßen dagegen trotz ihrer Trennung wahre Sakramente - „und zwar vor allem Kraft der apostolischen Sukzession das Priestertum und die Eucharistie“. Allerdings leide die orthodoxe Kirche unter einem Mangel, weil sie das Primat des Papstes nicht anerkenne und ihr damit ein inneres Wesenselement fehle.
Das Dokument ist in fünf Fragen und Antworten formuliert und bezieht sich im wesentlichen auf die Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils, jener Versammlung von 1962 bis 1965, die als entscheidender Schritt zur Modernisierung der katholischen Kirche gilt. Man wolle einige Ausdrücke daraus klären, „die in der theologischen Diskussion in Gefahr sind, missverstanden zu werden“, heißt es.
„Vertane Chance“
Zugleich räumte der Vatikan aber ein, dass „in den Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die noch nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, kraft der ihnen vorhandenen Elemente der Heiligung und der Wahrheit die Kirche Christi gegenwärtig und wirksam ist“.
Bei Protestanten und katholischen Laien stieß das Dokument auf Kritik. „Die Einsicht, dass ökumenische Fortschritte wechselseitigen Respekt für das Kirchesein des ökumenischen Partners voraussetzen, bleibt unberücksichtigt“, erklärte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber. Das Dokument sei eine vertane Chance auf dem Weg zur Annäherung von Protestanten und Katholiken. Die niedersächsische Landesbischöfin Margot Käßmann ergänzte: „Ein solches Dokument zur jetzigen Zeit ist ökumenisch fatal. Wir sind sehr wohl Kirche nach unserem Verständnis.“ Die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ sprach von einem traurigen Signal. Sigrid Grabmeier, Mitglied des Bundesteams von „Wir sind Kirche“, sagte, für Deutschland sei dies ein Schritt „in die völlig falsche Richtung“.
Selbst der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, warnte, der Anspruch Roms dürfe nicht zu „irgendeiner Überheblichkeit führen“. Zugleich sieht er das umstrittene Dokument als Ansporn. Der Text sei „ein Dokument der Klarheit des eigenen Bekenntnisses und zugleich der Würdigung, ja auch einer zwar begrenzten, aber wesentlichen Anerkennung des kirchlichen Charakters der anderen christlichen Glaubensgemeinschaften“. Das ökumenische Gespräch lebe von beidem.
Zuletzt geändert am 20.07.2007