11.9.2007 - Süddeutsche Zeitung
Pädophiler Pfarrer – ein Geheimnis des Ordinariats
Von Rudolf Neumaier
Regensburg – Die Kritiker von Gerhard Ludwig Müller haben diesen Reflex längst erwartet. Dass er den Spieß umdrehen würde. Dass er sich als Opfer einer Kampagne darstellen würde. Und dass er seinen Gegnern mit rechtlichen Schritten drohen würde, obwohl er vor nicht allzu langer Zeit selbst ein Dekret erlassen hatte, in dem er den Katholiken seines Bistums untersagte, bei kircheninternen Streitigkeiten weltliche Gerichte anzurufen. Insofern kamen die Äußerungen des Bischofs von Regensburg für seine Kritiker keineswegs überraschend. Im Fall des Pfarrers von Riekofen, der wegen des Vorwurfs pädophiler Übergriffe in Untersuchungshaft sitzt, fühlt sich Müller nun verleumdet.
Dabei war es Müller, der dem Pfarrer Peter K. wieder eine Pfarrei übertrug, nachdem K. im Jahr 2000 in Viechtach einen Buben sexuell missbraucht hatte und dafür per Strafbefehl mit einer einjährigen Haftstrafe auf Bewährung belangt worden war. Diese Vorgeschichte ihres Pfarrers hat das Ordinariat den Riekofenern konsequent verschwiegen. Durch Zufall wurde sie in diesem Sommer publik – in Riekofen kamen daraufhin neue Fälle pädophiler Übergriffe ans Tageslicht. Am 30. August klickten beim Pfarrer die Handschellen. Das Bischöfliche Ordinariat beteuert seither, es habe den heute 39 Jahre alten Dorfgeistlichen permanent im Auge gehabt, obwohl er laut Gutachten nicht mehr pädophil gewesen sei. Eine Einschätzung, die nach dem Stand der Wissenschaft als allzu wagemutig erscheint, da Pädophilie als nicht therapierbar gilt. Regelmäßig sei der Priester gefragt worden, ob er rückfällig geworden sei, sagt der Bischof und gibt sich Mühe zu vermitteln, wie wachsam er gewesen sei.
Dabei waren nach Informationen der Süddeutschen Zeitung nicht einmal die beiden letzten Dienstvorgesetzten von Pfarrer K. darüber informiert, dass ihr Schützling wegen Pädophilie straffällig geworden war. Der zuständige Dekan von Alteglofsheim-Schierling, Anton Schober, der seit Anfang 2006 im Amt ist, wusste nach eigenem Bekunden ebenso wenig vom Gefahrenpotenzial des Priesters wie der übergeordnete Regionaldekan, der zu einer Visitation in K.s Pfarrei nach Riekofen kam. Vielmehr war Regionaldekan Johann Strunz „sehr überrascht von dem Fall, Pfarrer K. war ja beliebt”. Also konnten die beiden Vorgesetzten auch keine entsprechenden Fragen stellen.
Viele Riekofener glauben, Übergriffe auf Kinder hätten sie verhindern können, wenn sie informiert gewesen wären. Dann hätten nach Auffassung des Pfarrgemeinderatsmitglieds Alois Kermer viel früher die Alarmglocken geschrillt in Anbetracht der auffälligen Verhaltensweise des Geistlichen. „Dass er vor der Firmung die Beichte nur den Buben abgenommen und die Mädchen einem Kollegen überlassen hat, ist so ein Beispiel”, sagt Kermer. Erst im Nachhinein werden den Riekofenern viele Dinge klar. Bischof Müller hat für Ende der Woche die beiden Bürgermeister aus der Pfarrei in das Ordinariat vorgeladen.
Zuletzt geändert am 11.09.2007