| |
Veröffentlicht am 25­.02.2023

Maria 2.0 Ausgabe 03/2023 Seite 1

Katholischer Vorfrühling in Prag?

https://www.wir-sind-kirche.de/files/wsk/2023/Maria2.0_Seite_01_230214.pdf

Zu den Beratungen der Kontinentalphase des Welt-Synodalprozesses, den Papst Franziskus mit Blick auf die Zukunft der Kirche
ins Leben gerufen hat, kamen die Europäer in Prag zusammen. Vom 5. bis 9. Februar tagten circa 150 Delegierte der 39 europäischen
Bischofskonferenzen, rund 40 vom Rat der europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) geladene Teilnehmende und weitere 390
online zugeschaltete Personen, die die einzelnen Bischofskonferenzen benannt hatten. Im Anschluss setzten die Vorsitzenden der
europäischen Bischofskonferenzen das Treffen bis zum 12. Februar fort. Wichtig sei das gemeinsame Erleben von Spiritualität
und ersten Schritten einer Synodalität gewesen, erklärten Teilnehmende. Allerdings erschreckten die weit auseinanderliegenden
Auffassungen vom Zustand und Reformbedarf der Kirche. Einige Beobachter:innen des Europatreffens teilen ihre Eindrücke
mit uns. Weitere Informationen: dbk.de und ccee.eu
Unter dem Motto EQUALITY (Gleichheit) haben Vertreter:innen von Wir sind Kirche aus
Österreich, Irland und Deutschland gemeinsam mit Reformgruppen aus Tschechien und
der Slowakei Mahnwachen gehalten und die reformwilligen Delegierten unterstützt.

Die Versammlung in Prag hat unüberwindbare Gegensätze offengelegt. Manche versuchen, sich das schönzureden. Sie halten fest am
„Gemeinsam-Unterwegssein“ und der Hoffnung auf ein versöhntes Miteinander. Ich halte das für Augenwischerei. Wer Geschlechtergerechtigkeit und Beendigung jeglicher Diskriminierung und Vertuschung in unserer Kirche als nicht zu unterschreitende Forderung erkannt hat, darf sich nicht mit kleinen Schritten zufriedengeben. Ich wünsche mir mehr Mut, das menschengemachte System unserer Kirche und vieles in Lehre und Praxis viel radikaler infrage zu stellen!
Regina Nagel, Vorsitzende des Bundesverbands der
Gemeindereferent*innen, Mitglied der
Synodalversammlung des Synodalen Wegs

 

Die europäische Synodalversammlung in Prag war ein wichtiger, aber noch unvollkommener Lernprozess. In dem Prager Abschlusspapier sind alle brennenden Fragen jetzt erstmals auf europäischer Ebene dokumentiert. Die Öffnung der Kirche für Frauen und für LGBT+ Menschen waren zwei der brennendsten hier in Prag angesprochenen Themen. Sexualisierte und spirituelle Gewalt haben keineswegs nur in westlichen, sondern auch in östlichen Ländern zu einem signifikanten Vertrauensverlust der Kirche geführt. Angesichts der multiplen Kirchenkrise, die die
Berichte aller Länder offenbarten, braucht es jetzt sehr zeitnah konkrete Schritte einer sichtbaren Erneuerung.
Christian Weisner, „Wir sind Kirche“-Bundesteam

„Es ist erfreulich zu lesen, dass sich die verschiedenen Delegationen nach dem oft polarisierenden Austausch auf den positiven Nutzen der Synodalität, nicht nur als Methode, sondern auch als Lebensweg der Kirche einigen konnten. Und dass auch die Bischöfe diesem Ansatz zustimmen. Es ist sowohl positiv für unsere Kirche, dass auch einige Problempunkte benannt und Empfehlungen für weiteres synodales Vorgehen in dem offiziellen Prozess der aktuellen Synode vorgeschlagen wurden. Es ist zu hoffen, dass weiter auch auf der Ebene der Diözesen synodale Aktivitäten entwickelt werden, wie von den Bischöfen versprochen. Es ist nämlich für in der Kirche noch marginalisierte Gruppen wie
LGBT+ jede Menge auf allen Ebenen aufzuarbeiten.“ 
Miroslav Maťavka, Europäischer
Koordinator für das Globale
Netzwerk der Regenbogen-
Katholiken


„Die bloße Tatsache, dass das Dokument weitverbreiteten Widerspruch gegenüber einigen Punkten der offiziellen katholischen Lehren
anerkennt – bezüglich der Frauenweihe, gleichgeschlechtlicher Beziehungen, des Ausschlusses der
Laien von der Kirchenleitung und so weiter –,
ist eine begrüßenswerte Veränderung. Und obwohl
Bischöfe noch immer die seltene Äußerung der
(Gegen)stimmen von Laien
ignorieren können – zumindest wenn wir streng
am kanonischen Recht
festhalten –, wird es doch
schwieriger für sie, dies zu
tun, ohne dadurch ihre
eigene Autorität noch
weiter zu unterminieren.
Ich glaube, die Mehrheit
der Bischöfe versteht das.
Dr. Luca Badini Confalonieri,
Direktor für Forschung,
Wijngaards Institute for
Catholic Research,
Großbritannien


 

Was für ein Kirchentreffen war diese Prager Zeit. Sie war an unerträglichen Spannungen kaum zu überbieten.
Außer bei der Moderation saßen nur Kleriker auf dem Podium. Bischöfe durften die erste Reihe besetzen. Unter
anderem stand Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, mit klaren Worten
für alle Themen ein, die beim synodalen Prozess in Deutschland längst die Mehrheit der Katholiken positiv beant-
wortet hat. Sie sah zum Ende des Treffens – als jemand den „Teufel“ benannte – viele Augen auf sich gerichtet und
thematisierte das, sprach von diesem Schmerz. Niemand entschuldigte sich. Eine katholische Ortskirche brüstete
sich damit, die „Istanbul-Konvention“ abzulehnen. Andere machten deutlich, dass Menschenrechte für Queere und
Geschlechtergerechtigkeit nicht Gottes Wille seien. Missbrauch wurde hier und da angesprochen. Es gab keine
Betroffenen vor Ort. Selbst die Frauenverbände waren nicht vertreten. Synodal war dieses Treffen nicht.
Irritiert bin ich, wie sehr die politischen Systeme und die Kirchen in manchen Ländern verschwistert sind.
Danke ausdrücklich an die Delegierten aus Deutschland, der Schweiz, Frankreich, Irland
und an noch einige wenige andere für klare Worte.
Maria Hagenschneider, Maria 2.0 Hamm

 

 

Zuletzt geändert am 25­.02.2023