13.9.2007 - Donaukurier
Ein bayerisches Dorf im Schockzustand
Gerade der Kirchenraum oder auch das gegenüberliegende Pfarrheim könnten Tat?orte gewesen sein: Seit dem 30. August sitzt der 39 Jahre alte Pfarrer K. in Untersuchungshaft wegen pädophiler Übergriffe auf Ministranten. Die Gläubigen hat dies in eine tiefe Krise gestürzt. In dem Ort herrscht blankes Entsetzen.
Doch sprechen wollen die Menschen nicht über das Thema, zumindest nicht mit Fremden. Eine Frau mit Hund kommt die Straße herauf. Auf die Vorfälle angesprochen, wechselt sie die Seite. Nein, sie will nichts sagen.
Es herrschte ein einfaches Belohnungssystem. Für zahlreiches Ministrieren gab es gemeinsame Kino- oder Badbesuche. Er unternahm mehrtägige Fahrten nach Hamburg und Rom und unterhielt einen Jugendtreff im Pfarrheim.
Die Eltern fanden die Arbeit des Pfarrers positiv. Das Engagement ihrer Kinder für die Kirche gefiel ihnen. Anstößiges fanden sie nicht. Es fiel ihnen zwar auf, dass im Keller des Pfarrheimes einmal Alkohol getrunken und Wasserpfeife geraucht wurde. Doch dies unterblieb, als der Pfarrer darauf angesprochen wurde.
Peter K. galt bei den katholischen Gläubigen als Pfarrer, "mit dem wir ein Herz und eine Seele waren", sagt eine 79-Jährige Riekofenerin. Kopfschüttelnd steht sie da und weiß eigentlich nicht, wie alles gekommen ist.
Rosemarie Meßner füttert die Schweine im Stall, ein großer Mastbetrieb am Ortsrand. "Wir hatten doch keine Ahnung von der Vorgeschichte", sagt sie. Die Bäuerin ist zugleich Pfarrgemeinderatsvorsitzende. Im Juli brachte eine E-Mail ihr Weltbild ins Wanken. Der Vater eines sexuell missbrauchten Buben aus Viechtach schrieb nach Riekofen. Sie sollten aufpassen auf ihre Kinder. Er hatte erfahren, dass K. entgegen allen Gepflogenheiten wieder in einer Gemeinde tätig ist und mit Kindern zu tun hat. Sie erfuhren: K. war seit dem Jahr 2000 vorbestraft wegen sexuellen Missbrauchs.
Mindestens ein Fall
Von da an wurde der Pfarrgemeinderat aktiv. "Weshalb hält sich so jemand nicht von Kindern fern", fragt Rosemarie Meßner. Eine Psychologin wurde geholt, sie klärte die Eltern auf. Die Ministranten konnten mit ihr alleine reden. Bereits Ende Juli zeichnete sich ab, dass es zu mindestens einem sexuellen Missbrauch und mehreren versuchten sexuellen Übergriffen des Pfarrers gekommen sein musste. "Wir waren entsetzt", sagt Rosemarie Meßner.
Ein Vater, nicht das Bischöfliche Ordinariat, informierte die Pfarrei. Bischof Gerhard Ludwig Müller hatte K. 2004 entgegen den Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz eingesetzt und den Riekofen?ern verschwiegen, dass K. zu einer einjährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden war und, vor allem, warum.
Gutachten aus den Jahren 2004 und 2007 hätten ergeben, dass der Geistliche von der Pädophilie geheilt sei, so das Ordinariat. Außerdem sei der Geistliche seit 2003 zwölf Mal befragt worden, ob er rückfällig geworden sei. In Riekofen selbst fragte das Ordinariat nicht nach.
Alois Kermer, der Sprecher des Sprengels Schönach im Pfarrgemeinderat, ist fassungslos vor Wut. "Man kann sich doch nicht hinter Gutachten verstecken." Was die Gläubigen – bei allem Verständnis für eine zweite Chance für den Pfarrer – nicht verstehen, ist die Tatsache, dass das Ordinariat seine Kontrollpflicht nicht erfüllte. Kermer erwartet vom Bischof nun eine klare Aussage über die "Schuldfrage und eine Entschuldigung".
Über die Zahl der Opfer herrscht bis dato keine Klarheit. Aber vieles spricht dafür, dass es sich um mehr als einen Fall sexuellen Missbrauchs handelt. Die Vernehmungen der Justiz dauern an. K. sitzt seit 30. August in Untersuchungshaft.
Bei den übrigen Gläubigen bleibt eine tiefe Enttäuschung darüber, dass sie Pfarrer K. vertrauten und von ihm so bitter getäuscht wurden. Eine 17-jährige Gymnasiastin aus Riekofen sagt: "Die meisten hier finden, dass der Täter bestraft gehört." Sie vergesse nicht, dass es sich dabei um einen Pfarrer handelt, sagt sie.
Es wird noch lange dauern, bis wirklich wieder Ruhe einkehrt im Dorf, wie es sich viele in Riekofen wünschen. Die betroffenen Kinder, die Opfer, warten vielleicht ein ganzes Leben lang darauf, dass ihre Seele Ruhe findet.
Von Gabriele Ingenthron
Zuletzt geändert am 14.09.2007