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Veröffentlicht am 14­.06.2023

14.6.2023 - KNA

Positives Echo auf Schmerzensgeld-Urteil gegen Erzbistum Köln

Es ist die höchste Summe an Schmerzensgeld, die ein deutsches Gericht einem Opfer sexueller Gewalt durch einen katholischen
Priester zugesprochen hat. Experten fordern von der Kirche Konsequenzen.
Von Andreas Otto (KNA)

Köln (KNA) Das Schmerzensgeld-Urteil des Kölner Landgerichts
zu sexualisierter Gewalt in der Kirche ist auf ein positives
Echo gestoÿen. Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung,
Kerstin Claus, nannte die Entscheidung gegen
das Erzbistum Köln ein immens wichtiges Signal. Der Richterspruch
zeige, dass über kirchenunabhängige Wege eine zivilrechtliche
Prüfung von Missbrauchsfällen möglich sei. Das
System der kirchlichen Anerkennungszahlungen müsse neu
bedacht und angepasst werden, sagte sie der Katholischen
Nachrichten-Agentur (KNA).

Auch der Sprecher des Betroffenenbeirats bei der Deutschen
Bischofskonferenz, Johannes Norpoth, forderte rasche
Konsequenzen. Das Gericht habe klar vorgegeben, dass die
katholische Kirche an Betroene deutlich höhere Zahlungen
leisten müsse als bisher. Für die Gruppe Wir sind Kirche hat
das Urteil eine Signalwirkung für alle ähnlich gelagerten Prozesse,
besonders für die am 20. Juni zu verhandelnde Schmerzensgeldklage
eines Betroenen vor dem Landgericht Traunstein.

Der Kölner Staatsrechtler Stephan Rixen sprach von einem
ermutigenden Signal für Betroene. Endlich werde über
Summen gesprochen, die ernst zu nehmen sind, sagte er auf
Anfrage. Das Urteil sollte Anlass sein, über einen Entschädigungsfonds
für alle Betroenen sexualisierter Gewalt nachzudenken
- also auch im Sport, in staatlichen Heimen oder in
Familien. Denn nicht jeder Betroene könne den beschwerlichen
Klageweg beschreiten.

Das Erzbistum Köln soll nach dem am Dienstag ergangenen
und noch nicht rechtskräftigen Urteil einem Missbrauchsbetro
enen 300.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Bislang
hatte Georg Menne im Rahmen des kircheninternen Systems
25.000 Euro in Anerkennung des Leids erhalten. Der
64-Jährige forderte von der Diözese 725.000 Euro Schmerzensgeld
sowie 80.000 Euro für mögliche künftige Schäden.
Das Erzbistum verzichtete in dem Fall darauf, eine Verjährung
zu beanspruchen.

Claus sagte, das Urteil dürfe keine falsche Honungen wecken.
Vor Gericht müssten Betroene den Missbrauch konkret
nachweisen. Dies sei oft nicht möglich. Daher sei durch
das Urteil das von der Deutschen Bischofskonferenz eingerichtete
Verfahren zur Anerkennung des Leids nicht über-
üssig geworden. Bei diesem Verfahren reicht es aus, den
Missbrauch plausibel darzustellen.

Norpoth wies im WDR darauf hin, dass über die Hälfte
der kirchlichen Anerkennungszahlungen bei 25.000 Euro und
weniger gelegen hätten - mit einem Schwerpunkt bis 10.000
Euro. Damit dürfte sicherlich und muss eigentlich Schluss
sein nach dem Kölner Urteil. Nun hätten die Bischöfe ein
bisher fehlendes Vergleichsurteil. Zwar sei das Gericht deutlich
unter der Klägerforderung geblieben. Fakt ist aber: Es ist
gestern zur höchsten Schmerzensgeldzuweisung eines deutschen
Gerichts im Kontext sexualisierter Gewalt in der Kirche
gekommen.

Münsters Bischof Felix Genn will nach dem Kölner Urteil
erst die weitere Entwicklung abwarten. Zu künftigen Schadensersatzprozessen
gegen das Bistum Münster sagte er am
Dienstagabend, die Diözese werde sich jeden Einzelfall anschauen
und dann entscheiden, ob sie auf die Einrede einer
Verjährung verzichte.

Seit 2021 entscheidet die Unabhängige Kommission für
Anerkennungsleistungen (UKA) über die Höhe der Kirchenzahlungen
an Betroene. Sie orientiert sich nach eigenen Angaben
am oberen Bereich der durch staatliche Gerichte in
vergleichbaren Fällen zugesprochenen Schmerzensgelder. In
den ersten zwei Jahren erhielten Betroene im Mittel rund
22.000 Euro pro Antrag. In etwa acht Prozent der Fälle seien
aber mehr als 50.000 Euro gezahlt worden, mitunter auch
mehr als 100.000 Euro.

Zuletzt geändert am 14­.06.2023