18.9.2007 - Süddeutsche Zeitung
„Vorerst nichts mehr sagen”
Regensburg – Am kommenden Sonntag um 10 Uhr wird Gerhard Ludwig Müller, der Bischof von Regensburg, die Pfarrgemeinde von Riekofen mit seinem Besuch beehren. Etwa 500 Leute passen in die Kirche, sie dürfte voll werden. Denn die Riekofener erhoffen sich deutliche Worte vom Bischof. Was sie darunter verstehen, haben ihm die beiden Sprecher des Pfarrgemeinderates am Freitag in einem zweistündigen Gespräch klargemacht. „Er weiß jetzt, dass es gut wäre für die Gemeinde, wenn er sich entschuldigen würde oder wenn er zumindest eine Teilschuld auf sich nehmen würde”, sagt ein Pfarrgemeinderat, „diese eine Chance hat er noch.” Der Bischof hatte vor vier Jahren in Riekofen einen Priester eingesetzt, der wegen pädophiler Übergriffe vorbestraft und nur durch das Attest seines persönlichen Therapeuten als ungefährlich eingestuft war. Den Riekofenern verschwieg Müller die Vorgeschichte des Pfarrers. Der Geistliche sitzt seit zweieinhalb Wochen in Untersuchungshaft, weil er sich auch in Riekofen an Ministranten vergangen haben soll.
Einmal mehr setzt das Ordinariat des Bistums Regensburg in einer Missbrauchs-Affäre auf Stillschweigen. Bereits vor acht Jahren – Gerhard Ludwig Müller war noch nicht im Amt – zahlte es einer Familie in Viechtach, deren Kinder missbraucht worden waren, mehrere tausend Mark, damit sie den Fall nicht öffentlich mache. Es handelte sich beim Täter um den denselben Pfarrer, der nun neuer Übergriffe verdächtigt wird. Jetzt will das Bistum, dass die Riekofener schweigen. Wie aus der Pfarrei durchsickerte, soll Müller seinen Unmut über die öffentliche Kritik der Pfarrgemeinderäte artikuliert und als Devise ausgegeben haben, „dass wir vorerst nichts mehr sagen”. Die Sprecher der Pfarrgemeinderäte hätten eingewilligt und sich davon überzeugen lassen, dass es „besser für alle” sei, wenn nun Ruhe einkehrt.
Bischofskritiker wie Sigrid Grabmeier, Mitglied im Bundesteam der Laienorganisation „Wir sind Kirche”, sehen diese Taktik des Ordinariats mit Sorge: „Die Angst, dass der Klerikerstand in Misskredit gerät, hat dazu geführt, dass das Wohl der damaligen und künftigen Opfer eine untergeordnete Rolle spielt und Stillschweigen erkauft worden ist”, sagt Grabmeier. Sie fordert „weitreichende personelle Konsequenzen in der Bistumsleitung von Regensburg”. rn
Zuletzt geändert am 18.09.2007