9.9.2007 - dpa
Katholischer Jubel: Vor einem Jahr besuchte der Papst seine Heimat
München (dpa/lby) - Die Menschen haben ihm zugejubelt und mit ihm gebetet. Sie haben stundenlang gewartet, nur um einen Blick auf ihn werfen zu können. Benedikt XVI. selbst war bei seinem Bayern-Besuch vor einem Jahr vom 9. bis 14. September sichtlich gerührt. Der Papst traf auf zahlreiche Weggefährten und Bekannte, er besuchte das Grab seiner Eltern ebenso wie sein ehemaliges Wohnhaus in Pentling. Die Verantwortlichen hatten eine nahezu perfekte Reise organisiert.
Doch was ist geblieben vom Besuch des katholischen Kirchenoberhauptes in seiner Heimat? Sind die Kirchenbänke voller geworden? Interessiert sich die Jugend für die strengen Moralvorstellungen der katholischen Kirche? "Die Kirche wird wieder viel positiver wahrgenommen, bei aller Kritik, die weiter diskutiert wird", sagt Josef Obermaier, Seelsorgereferent des Erzbistums München-Freising. "Die gute Grundstimmung, die der Besuch ausgelöst hat, liegt immer noch in der Luft."
Nicht nur in der Erzdiözese scheint die Austrittswelle gestoppt. Kehrten im Jahr 2000 noch mehr als 13 000 Menschen der Kirche den Rücken, so waren es 2006 "nur" noch 8560. Bei den Wiedereintritten ist nach Ordinariats-Angaben ein kleiner Aufwärtstrend festzustellen, 1252 Menschen traten 2006 wieder ein, sechs Jahre zuvor waren es rund 400 weniger.
Auch der Münchner Ordinariatsrat Armin Wolters, der den Besuch federführend organisiert hatte, sagt: "Man kann sich wieder leichter zeigen als katholischer Christ.“ Die Kirche habe sich gut dargestellt. „Man hat gesehen, dass auch Laien und Frauen in der Kirche Verantwortung tragen. Das gab ein paar Aha-Effekte.“ Das Erzbistum kostete der Besuch 7,7 Millionen Euro, laut Wouters rund 7 Euro pro Kirchensteuerzahler. „Im Vergleich zu anderen Großereignissen ist das ein üblicher Kostenrahmen.“
Der Regensburger Generalvikar Michael Fuchs findet, die Menschen hätten sich "aufwecken" lassen. „Die Gestaltung des Besuchs war kein billiger Eventgag. Es ging in die Tiefe." In Regensburg hielt der Papst auch jene ebenso berühmte wie umstrittene Rede über Glaube und Vernunft. „Interessanterweise war es die anspruchsvollste Rede, die am meisten Nachhall gefunden hat - über die Antwort von Jürgen Habermas bis hin zur Antwort mehrerer Großmuftis“, meint Fuchs. „Sie sind in Dialog getreten, haben die Gedanken zurückgespielt. Genau das wollte der Papst erreichen. Das war eine der größten Leistungen des Besuchs, auch wenn einige Extremisten die Rede missbraucht haben.“ Die Verwendung eines mittelalterlichen Zitats, das andeutete, der Islam habe nur Gewalt gebracht, hatte in der muslimischen Welt Proteste ausgelöst.
Vor allem bei einer Vesper im Münchner Liebfrauendom trat der ehemalige Theologie-Professor Joseph Ratzinger aber nicht im Duktus des Wissenschaftlers auf, sondern als Seelsorger. „Bitte, betet mit Euren Kindern“, sagte der Papst zu den Eltern. „So eine bescheidene Formulierung hätte man nicht erwartet“, findet Obermaier. „Er hat kein moralisches Muss formuliert, sondern eine Bitte. Er war identisch: Er hat keine Weisung weitergegeben, sondern aus seiner tiefen eigenen Erfahrung gesprochen.“ Zum Jahrestag des Besuchs hat das Erzbistum nun eine Initiative gestartet, über die Internet-Seite www.familiengebete.de wird Familien eine Auswahl geeigneter Gebete angeboten.
Auch den Jugendlichen habe sich der Papst „intensiv zugewandt“, bilanziert Obermaier. Der Papst sei authentisch, „das hat viele Skeptiker überrascht. Er hatte beim Besuch in Bayern eine Ausstrahlungskraft, die auch kirchenferne Menschen fasziniert hat.“ Seine Freude am Glauben habe begeistert und die Herzen der Menschen gerührt, sagt Passaus Bischof Wilhelm Schraml, Gastgeber des Papst- Besuchs in Altötting.
Anders sieht das die Reformbewegung „Wir sind Kirche“. „Für einzelne Menschen mag es ein spirituelles Ereignis gewesen sein, aber es gab ja die Hoffnung, es werde neuer Schwung durchs Land gehen. Das kann ich nicht feststellen“, sagt Christian Weisner vom Bundesteam. Es sei immer wieder von der „Neuevangelisierung Europas“ die Rede, „doch der Funke hat nicht gezündet.“ Der Papst habe auch nicht das Gespräch mit kritischen Stimmen gesucht, dabei gebe es in Deutschland viele brennende Themen, „den Priestermangel etwa und die Rolle der Frau in der Kirche“.
Zuletzt geändert am 03.12.2007