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Veröffentlicht am 09­.08.2009

9.8.2009 - Christ in der Gegenwart

Katholische Banken, der Vatikan und das Geld

Zwei deutsche katholische Banken haben Geld in einen Fonds investiert, zu dem auch ein amerikanisches Pharma-Unternehmen gehört, das Pillen zur Empfäng-nisverhütung produziert. Doch auch die Geschäfte der Vatikan-Bank waren in den letzten Jahrzehnten nicht immer ethisch korrekt.

von Michael Schrom

Der Papst kritisiert Verhütungsmittel - die katholische Pax-Bank macht Geschäfte, die im Widerspruch dazu stehen." Der "Spiegel" hat herausgefunden, dass das Geldhaus im März knapp 160.000 Euro in ein amerikanisches Pharma-Unternehmen investiert hat, das unter anderem auch Pillen zur Empfängnisverhütung produziert. Außerdem floss Geld in Rüstungs- und Tabakkonzerne. Zusammengerechnet handelt es sich um ein Investitionsvolumen von 1,6 Millionen Euro, das von Pax- und Liga-Bank ethisch unsauber angelegt wurde. Zerknirscht trat Winfried Hinzen, Vorstandsmitglied der Pax-Bank, an die Öffentlichkeit. "Zu meinem großen Bedauern stimmen die ,Spiegel'- Recherchen", sagte er dem Kölner Domradio. "Wir haben mit unseren Fonds bewiesen, dass man gut auch durch schwierige Finanzzeiten steuern kann, auch wenn man ethisch sauber ist, auch wenn man katholische Werte- Vorstellungen - so gut es eben geht - versucht zu realisieren. Aber wo Menschen arbeiten, passieren eben auch Fehler." Deshalb sei man "dankbar für die journalistische Recherche, die das nach vorne gebracht hat. So kann man solche Fehler dann beheben".

Der Nachlass des Prälaten

So gesehen müsste auch der Vatikan dankbar sein für das Buch "Vaticano S.p.A." (Vatikan AG). Darin schildert der Mailänder Journalist Gianluigi Nuzzi die Verflechtungen der Vatikan-Bank in die italienische Schmiergeld-Affäre der Jahre 1992-1995. Diese brachte das gesamte italienische Parteiensystem zum Einsturz. Nuzzi stützt sich auf den Nachlass des 2003 verstorbenen Vatikan-Prälaten Renato Dardozzi. Der ehemalige Manager, der als Spätberufener im Alter von 51 Jahren zum Priester geweiht wurde, war als Wirtschaftsfachmann langjähriger Berater des Staatssekretariats in Finanzfragen und dokumentierte im Geheimen die ungewöhnlichen Geschäfte des "Istituto per le Opere dei Religione" (IOR), wie die Vatikanbank offiziell heißt.

Ausgerechnet die katholische "Tagespost", in der Kritik am Vatikan sonst eher selten zu lesen ist, hat dem Finanzskandal einen großen, aufklärenden Artikel (30. Juli) gewidmet. Unter der Überschrift "Unheiliges hinter heiligen Mauern" heißt es: "Das IOR ist eine der geheimnisvollsten Einrichtungen des Vatikans. Als Offshore-Bank ist es durch keine Verträge und keinen Beitritt zu internationalen Abkommen auswärtigen Kontrollen unterworfen. Dafür garantiert die Vatikanbank ihren Klienten volle Diskretion - und ihren Mitarbeitern rechtliche Immunität."

Keine Bilanzen, keine Öffentlichkeit, kein Geschäftsbericht. Die Vorzüge der Bank waren dem langjährigen Leiter, Erzbischof Paul Marcinkus (gestorben 2006), sowie einigen Betrügern bestens bekannt. Als in den achtziger Jahren die Banco Ambrosiano, mit der die Vatikanbank enge Geschäftsbeziehungen unterhielt, zusammenbrach, musste Marcinkus abdanken. 242 Millionen Dollar zahlte der Vatikan an die Gläubiger der Banco Ambrosiano. Für einige Zeit konnte der Erzbischof den Vatikan nicht verlassen, weil ein Haftbefehl gegen ihn vorlag.

"Bisher hatte man gedacht, dass der Vatikan aus diesem dunklen Kapitel gelernt hätte, zumal Johannes Paul II. die Leitung des IOR nach dem Abgang von Marcinkus neu geordnet hatte - ein Irrtum, wie man jetzt erfahren muss. Aus Unterlagen Dardozzis geht hervor, wie auch in den neunziger Jahren Gelder in Millionenhöhe über die Vatikanbank geschleust wurden, um Schmier- und Schweigegelder an Politiker und Wirtschaftsführer weiterzuleiten", schreibt die "Tagespost". Insgesamt sollen es 63 Milliarden Lire (umgerechnet etwa 32,5 Millionen Euro) gewesen sein.

Der langjährige Sekretär von Erzbischof Marcinkus, Prälat Donato de Bonis, hatte auch in der neu strukturierten Vatikanbank alle Freiheiten. Als Bindeglied zwischen dem neuen Vatikanbank-Präsidenten Angelo Caloia und dem aus Kardinälen bestehenden Aufsichtsrat "fängt de Bonis nun an, ein paralleles IOR aufzubauen, in dem nur verschlüsselte Konten und Namen benutzt werden. Sein erstes Konto heißt ,Fondazione del Cardinale Francis Spellman'. Zeichnungsberechtigt sind niemand Geringerer als Giulio Andreotti und de Bonis selbst". (Andreotti war als Vorsitzender der Christdemokraten sieben Mal italienischer Ministerpräsident und insgesamt dreizehn Mal Minister. Er hat beste Beziehungen zur Kurie und ist Chefredakteur der Kirchenzeitung "30 giorni", deutscher Titel: "30 Tage".)

Ähnliche Konten mit dem gleichen Zweck folgen - was angeblich niemand bemerkt. Erst als die Mailänder Staatsanwaltschaft eine breit angelegte Untersuchung anstrengt, in deren Verlauf der Vatikan in Verdacht gerät, sieht sich Bankpräsident Caloia zu genaueren Untersuchungen genötigt. "So stößt er auf die Existenz eines Kontos, auf das Gläubige für die Abhaltung von Gottesdiensten einzahlen. Millionen wurden von diesem Konto von de Bonis für anderweitige Zwecke abgehoben, ohne Belege zu hinterlassen. Auch die ersten Codenamen in den Unterlagen de Bonis werden entziffert: ,Roma' steht für ihn selbst, ,Omissis' für Andreotti."

Eine Bank mit sieben Siegeln

Doch statt entlassen zu werden, wird der untreue Prälat 1993 zum Bischof geweiht und als Geistlicher Assistent des Malteserordens wegbefördert. Nüchtern hält die "Tagespost" den weiteren Verlauf der Ereignisse fest. "Im Sommer 1994 beginnen die Prozesse, mehrere Inhaber von IOR-Konten - wie fast alle der 32 Angeklagten, unter ihnen einflussreiche Politiker wie Bettino Craxi, Arnaldo Forlani und Umberto Bossi - werden im Oktober 1995 verurteilt. Viele der Akteure von damals leben nicht mehr ... Aber die späte Erkenntnis, dass die Bank des Vatikans eine Schlüsselposition in der Schmiergeldaffäre ... einnahm, erklärt nachträglich die Zurückhaltung, mit der der Vatikan vor fünfzehn Jahren die Zerschlagung und den Neuaufbau des italienischen Parteiensystems begleitet hat."

Von Vatikan-Bankpräsident Caloia, der heute noch im Amt ist, heißt es, dass er die Bank zu einem Buch mit sieben Siegeln entwickelt habe. "Nur das Gewissen des spätberufenen Prälaten Renato Dardozzi hat dafür gesorgt, dass eines der sieben Siegel aufgebrochen ist." msc

in: Christ in der Gegenwart 61 (2009) 360 - 9. August 2009

Zuletzt geändert am 09­.08.2009