1.9.2009 - Süddeutsche Zeitung
Priester Willibald Glas bittet um Entpflichtung vom Zölibat
Der Pfarrer in Rente lebt im oberbayerischen Sauerlach mit Inge Starzner, 72, zusammen. Sie lernten sich in Arget bei Sauerlach kennen, wo er von 1974 bis 1992 die Pfarrei betreute – und sie die Pfarrhausfrau war. Völlig unabhängig von dieser Beziehung geriet Glas schon in den achtziger Jahren in heftigen Konflikt mit seinen Vorgesetzten. Damals hatte er den damaligen Kardinal Josef Ratzinger und heutigen Papst kritisiert. Daraufhin wurde er seines Amtes enthoben und in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Doch wenig später wurde Glas von Ratzinger begnadigt, immerhin kannten sie einander aus dem Freisinger Priesterseminar. „Wir waren ein Herz und eine Seele”, sagt Glas, „nur ist er immer in die Bibliothek, ich bin lieber spazieren oder zum Baden gegangen.”
Glas blieb aufmüpfig. In diversen Büchern legte er sich offen mit der Amtskirche an. Später bezeichnete er seinen Vorgesetzten Kardinal Friedrich Wetter als „Feldherrn im Talar”, der die Wahrheit nicht ertrage. Wetter suspendierte Glas im Jahr 1992 – diesmal endgültig. Der Rebell wurde exkommuniziert und musste seine Dienstwohnung räumen. Zum Abschied kamen 100 Menschen vors Pfarrhaus, der Männergesangsverein und die Blaskapelle musizierten, Vereinsvorstände überreichten ein Aquarell, und der Pfarrgemeinderat lud zum Abendessen.
Der Konflikt schwelte weiter: Glas zog vor das Verwaltungsgericht. Er warf Wetter Menschenrechtsverletzungen vor, weil dieser von Mitarbeitern „totale Unterwerfung” erzwinge, indem er mit „sofortiger Suspendierung” drohe. Die Klage wurde abgewiesen. Begründung: Es handele sich um eine innerkirchliche Angelegenheit.
Dann wurde es ruhiger um den Rebellen – bis er im Mai nach überstandener Krebsoperation Erzbischof Reinhard Marx und die Deutsche Bischofskonferenz bat, ihm die Eintragung einer Lebenspartnerschaft mit seiner Lebensgefährtin zu erlauben. Die Bischöfe erklärten sich mit Verweis auf die Gesetzeslage für nicht zuständig – Glas wandte sich an den Petitionsausschuss des Bundestages. Dort liegt das Ansuchen nun. Weil er den Ausgang des Verfahrens nicht abwarten will, hat Glas nun die Entpflichtung (Dispens) vom Zölibat erbeten. Das Entgegenkommen der Erzdiözese ist jedoch übersichtlich: „Uns liegt noch kein ernstzunehmender Antrag vor”, sagt Pressesprecher Bernhard Kellner. Glas habe sein Ansinnen „nur in einer Randbemerkung an einen Dritten” formuliert, er müsse dieses „aber schon an den Erzbischof persönlich” schicken. Ob ein Aktenordner reichen wird, um dieses Thema zu fassen, weiß nur Gott.
Stefan Mayr
Zuletzt geändert am 08.09.2009