11.10.2009 - welt online
Gefährdete Ökumene. Gezanke zwischen Protestanten und Katholiken
Repräsentanten von evangelischer und katholischer Kirche traktieren sich mit bösen Worten. Ein hochrangiger Protestant vergleicht die Katholiken etwa mit einem "angeschlagenen Boxer". Dafür lästert ein Kurienkardinal über die Scheidungsrate bei Bischöfinnen. Der Ökumene ist das nicht zuträglich.´
Wenn katholische und evangelische Gemeindeglieder miteinander reden, geht es selten ohne gegenseitige Kritik ab. Was sie denn für ein lockerer Laden seien, kriegen Protestanten zu hören. Was das mit dem Zölibat noch solle, werden die Katholiken gefragt. Anschließend aber betet man gemeinsam und würde gern zusammen das Abendmahl feiern.Oft geht es auch einträchtig: Erzbischof Robert Zollitsch (l.) und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Bischof Wolfgang Huber.
Umgekehrt ist es bislang bei den Offiziellen beider Konfessionen. Einerseits vermeiden sie jedes böse Wort über die andere Seite. Andererseits beharren sie auf allem, was in der Praxis trennt.Oft geht es auch einträchtig: Erzbischof Robert Zollitsch (l.) und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Bischof Wolfgang Huber.
Doch nun hat das interkonfessionelle Schweigegebot der Amtsträger eine Schramme bekommen. Denn der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sind böse Sätze über die katholische Kirche entwischt – genauer: Irgendjemand ließ die Sätze entwischen. Bereits im August nämlich erhielten Journalisten mit Kirchenzuständigkeit einen anonymen Brief, dessen Absender ein EKD-internes Papier zur Lage in der katholischen Kirche beigelegt hatte. „Ziemlich überheblich“ nannte der Absender die dort formulierte Kritik an der katholischen Kirche und hoffte wohl, das Papier würde öffentlich.
Wurde es aber nicht. Auf anonyme Briefe reagiert man ja generell ungern, und zudem ergaben Nachfragen, dass der Text, verfasst von Oberkirchenrat Thies Gundlach (53) für die Kirchenkonferenz der EKD, in dem Spitzengremium der 22 Landeskirchen auf keine Gegenliebe gestoßen sei. Warum über ein kircheninternes Papier berichten, das in der Sitzung durchfiel?
Vergangene Woche aber erschien in der „taz“ plötzlich doch ein Artikel darüber, und damit waren die bösen Worte in der Welt. Etwa Gundlachs Vergleich der katholischen Kirche mit einem „angeschlagenen Boxer“, der „zwischen öffnenden Gesten und ruppiger Abgrenzung“ hin und her taumele. Oder die Frage, ob Rom beim Umgang mit den Piusbrüdern das Zweite Vatikanische Konzil infrage stellen wolle oder nur „eine gewisse Inkompetenz“ gezeigt habe. Oder Gundlachs These, dass von Erzbischof Robert Zollitsch als Vorsitzendem der Deutschen Bischofskonferenz keine „orientierende und prägende Kraft“ ausgehe.
Kaum war der „taz“-Artikel erschienen, brannte es lichterloh im EKD-Kirchenamt in Hannover, wo Gundlach die Abteilung „Kirchliche Handlungsfelder“ leitet. Die Presseabteilung kam aus dem Telefonieren kaum noch heraus, Spekulationen schwirrten durch die Flure, und am Freitagnachmittag sah sich der Ratsvorsitzende Bischof Wolfgang Huber genötigt zu erklären, die EKD-Gremien hätten sich das Papier „zu keinem Zeitpunkt zu eigen gemacht“. Es habe „keine Bedeutung für die Gestaltung der Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche“. Auch Gundlach bedauerte. Auch auf katholischer Seite versuchte man, die Diplomatie zu retten: Die EKD solle die Sache klären. Bloß das offizielle Schweigegebot retten.
Der unbekannte Absender
Umso eifriger wird in der EKD darüber geredet, wer jener Unbekannte ist, der Gundlachs Text aus dem großen Verteiler der Kirchenkonferenz fischte und streute. Dass es ein Protestant ist, der die Katholiken nicht leiden kann und ärgern wollte, ist unwahrscheinlich. Denn das Anschreiben mit der Wendung „ziemlich überheblich“ lässt ja vermuten, dass dem Absender selbst die Kritik an den Katholiken nicht passte. Etwas plausibler ist, dass jemand Gundlach beschädigen wollte, der als profilierter Vordenker des EKD-Reformprozesses manchen in der Kirche verunsichert hat und nun an weiterem Aufstieg gehindert werden sollte, indem man ihn als leichtfertigen Katholiken-Kritiker erscheinen lässt. Doch wer in Kirchenhierarchien jemanden abschießen will, hat genügend andere Möglichkeiten als die, an die Öffentlichkeit zu gehen und damit die ganze Institution in Erklärungsnot zu bringen. Daher ist auch denkbar, dass die anonyme Massendrucksache aus katholischen Kreisen kam, wo Gundlachs Text rasch kursierte und einige ein Interesse daran haben könnten, den in letzter Zeit sehr selbstbewussten Protestanten („ziemlich überheblich“) einen Schuss vor den Bug zu geben.
Dazu würde passen, dass der deutsche Kurienkardinal Paul Cordes vorige Woche über Radio Vatikan den Evangelischen einen Seitenhieb verpasste: „Ich habe kürzlich gelesen, dass unter den fünf Bischöfinnen, die wir in Deutschland haben, vier geschieden sind“, sagte Cordes. Ähnlich äußerte sich fast zur gleichen Zeit der Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner. Aus Personalangelegenheiten der evangelischen Kirche halten sich die katholischen Kirchenmänner offiziell heraus. Es ist allerdings kein Geheimnis, dass nicht wenige unter den 66 Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz innere Vorbehalte gegen eine mögliche Wahl der – geschiedenen – Landesbischöfin Margot Käßmann zur EKD-Ratsvorsitzenden haben.
Lockert sich das Schweigegebot zwischen den Konfessionen, wonach man über den anderen nichts außer Höflichkeiten sagen darf? Verschärft sich der Ton? Das wäre ein Rückschlag für die Ökumene. Denn für die Kirchenoffiziellen gilt ja nicht das Gesetz der Basis: Da zankt man miteinander und sucht trotzdem Gemeinschaft. Wenn aber die Kirchenspitzen neben der Betonung der theologischen Unterscheide nun auch noch schlecht übereinander reden, bleibt bei ihnen nicht viel Verbindendes übrig.
> Das EKD-Papier im Wortlaut
Zuletzt geändert am 13.10.2009