23.4.2010 - FAZ
Bischof Mixas Rücktritt
Nun hat es auch Walter Mixa selbst eingesehen: Der Rücktritt ist unvermeidlich. Denn nach den „Watsch'n“ und „unklaren finanztechnischen Zuordnungen“ hätte ihn bald seine ganze Vergangenheit eingeholt.
Von Daniel Deckers
Papst Benedikt XVI. stand vor einer schwierigen Entscheidung. Wenige Wochen nach seiner Wahl musste der deutsche Papst im Sommer 2005 einen Bischof für eine deutsche, ja eine bayerische Diözese ernennen: Augsburg. Die Wahl fiel auf Walter Mixa, seit 1970 Priester der Diözese Augsburg, seit 1996 Bischof von Eichstätt und Großkanzler der dortigen Katholischen Universität, seit 2000 Katholischer Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr.
Das Echo auf den Wechsel Mixas von der Altmühl an den Lech war verhalten. Einerseits kam die Ernennung zum Bischof der mit 1,5 Millionen Katholiken zweitgrößten Diözese in Bayern einer Beförderung gleich. Anderseits wurde galt die Wahl des Papstes als Vorentscheidung für die Nachfolge von Kardinal Wetter in München. Für dieses Amt schien Mixa aus dem Rennen.
Nur mit dieser Absicht hatten unterschiedliche Kräfte in der Kirche in Deutschland und in Rom auf den Papst eingewirkt, sich für Mixa zu entscheiden. Der hinhaltende Widerstand eines großen Teils des höheren Klerus des Bistum Augsburg gegen einen der Ihren fruchtete nichts. Die Versetzung Mixas war einer Art höherer Kirchenraison geschuldet. Doch wie konnte der Eichstätter Bischof Mixa sich ernsthaft Hoffnung auf das Amt des Erzbischofs von München und Freising machen? Und warum wehrten sich die Augsburger im Jahr 2006 so vehement gegen die Berufung Mixas, wie sie es schon 1993 getan hatten?
Schon 1993 wehrte sich der Augsburger Klerus gegen Mixas Benennung
Damals wurde ein Nachfolger für Bischof Stimpfle gesucht. Einer war sicher, dass er es werden müsse: der Schrobenhausener Stadtpfarrer Dr. Walter Mixa. Fast zwanzig Jahre hatte der hochgewachsene, aus Oberschlesien gebürtige Mann als Seelsorger in der 15.000-Seelen-Stadt gelebt und sich als leutseliger, kerniger und lebensfroher Mann einen Namen gemacht. Sein Vorbild strahlte auf andere aus. Immer häufiger stellten sich junge Männer aus Mixas Pfarrei im Augsburger Priesterseminar vor. So etwas macht Eindruck.
Von körperlichen Züchtigungen von Kindern war damals nicht die Rede, von finanziellen Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Katholischen Waisenhausstiftung auch nicht. Alles andere – Alkohol, „Hasi“ (für den Geschäftsführer der Waisenhausstiftung) und „Monsi“ (für Monsignore Mixa) – schien üble Nachrede, vor der kein Mann vom Format eines Walter Mixa gefeit ist. Gleichwohl setzte 1993 der Augsburger Klerus in seiner Mehrzahl alles daran, Mixa als Bischof zu verhindern. Das gelang. Papst Johannes Paul II. ernannte an seiner Statt den Benediktiner Viktor Josef Dammertz. Doch was immer man in Rom gegen Mixa vorgebracht haben wollte, es wog nicht so schwer, dass es drei Jahre später der Ernennung Mixas zum Bischof von Eichstätt im Wege gestanden hätte. Und was immer in Eichstätt geschah, es wog nicht so schwer, dass Walter Mixa nicht im Jahr 2000 als Nachfolger des plötzlich verstorbenen Erzbischofs Dyba zum Katholischen Militärbischof und fünf Jahre später doch noch zum Bischof von Augsburg hätte ernannt werden können.
So viele Priester berufen wie kein anderer Bischof
Jetzt reisten sogar Mitglieder des Augsburger Domkapitels nach Rom, um das Unvermeidliche noch abzuwenden. Ohne Erfolg. Denn innerhalb wie außerhalb Bayerns wollten mehrere Bischöfe das Ziel München aus Mixas Karriereplanung streichen. Auch hatte Mixa in Augsburg durchaus nicht nur Gegner. Und der Bischof selbst hatte einen Trumpf im Ärmel, der in Rom stechen musste. So viele Priesterberufungen wie der Bischof von Eichstätt konnte niemand in Deutschland vorweisen. Alles andere – Alkohol, Merkwürdigkeiten im Umgang zwischen Seminaristen und dem Bischof – schien üble Nachrede, vor der kein Mann vom Format eines Walter Mixa gefeit ist.
Wirklich? Im April 2002 erschien im „Eichstätter Kurier“ ein Leserbrief, der von einem Geistlichen unterzeichnet war, der von September 1994 bis März 1997 das Eichstätter Priesterseminar geleitet hatte und seitdem Pfarrer in Ingolstadt war. Mixa hatte kurz zuvor einen Jesuiten als Spiritual des Priesterseminars entlassen und damit den Rücktritt des Leiters des Priesterseminars provoziert. Das war für Josef Mederer zu viel: Öffentlich zieh er Mixa der „Unwahrheit“, sprach von Seminaristen, die von dem Bischof „abhängig“ seien und hielt seinem Bischof vor, „irrationale Solidarität“ zu Kandidaten aufzubauen, „welche sogar das Kirchenrecht als nicht tragbar bezeichnet“.
Trotz ihrer Tragweite stehen diese Vorwürfe bis heute unwidersprochen im Raum. Sie entfalteten aber auch keine Wirkung. Weder reagierte die Freisinger Bischofskonferenz noch der Vatikan. Eine Visitation des Seminars in Eichstätt fand nicht statt. So erwies sich Mixas Sorge, die Verhältnisse in seinem Seminar seien zur Unzeit ruchbar geworden, als grundlos. Seiner Berufung nach Augsburg im Jahr 2005 standen sie nicht im Weg.
Mixa blieb keine Wahl
Mixa begann in Augsburg so, wie er in Eichstätt aufgehört hatte. Der Leiter des dortigen Priesterseminars sah sich mit einem Mal einer Heerschar von Kandidaten gegenüber, die sich unter Berufung auf den neuen Bischof zum Priester berufen sahen. Wie in Eichstätt dauerte es nicht lange, bis Mixa die Priesterausbildung einem Mann seines Vertrauens überantwortete. So wäre es noch einige Jahre gegangen, wäre Mixa nicht in Augsburg von seiner Vergangenheit in Schrobenhausen eingeholt worden. Dabei wurden ihm zunächst weniger die Vorwürfe selbst als die Art und Weise zu Verhängnis, wie er auf sie reagierte: erst leugnen, dann unter Zuhilfenahme von waghalsigen Begriffsklaubereien („Watschn“, „unklare finanztechnische Zuordnungen“) zugeben, wenn etwas nicht länger zu bestreiten war.
Als die Erzbischöfe Zollitsch und Marx ihren Augsburger Mitbruder MIam Mittwoch aufforderten, sich aus einem Amt zurückzuziehen, wussten sie, dass eine andere Vergangenheit im Begriff war, den Augsburger Bischof einzuholen: Eichstätt. In einem in der Kirche in Deutschland beispiellosen Schritt distanzierten sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und der Metropolit der Kirchenprovinz München und Freising. Sie hatten keine Wahl mehr, weil auch Mixa keine Wahl mehr blieb. Zurück bleibt eine Kirche, in der Priester wie zur Zeit der Reformation dem Generalverdacht ausgesetzt sind, unter dem Deckmantel ihres geistlichen Amtes allzu Weltliches zu treiben. Nun hat ein Bischof durch sein Verhalten auch das Bischofsamt in einen Misskredit gebracht. Die Auswirkungen sind noch nicht abzuschätzen.
Zuletzt geändert am 07.05.2010