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Veröffentlicht am 24­.07.2010

24.7.2010 - BR "Zum Sonntag"

Kommentar "Unkontrollierte Macht ist verführerisch"

Macht in der Kirche - das sollte eigentlich gar kein Thema sein. Es gibt nämlich eine gerne und häufig vorgetragene treuherzige Floskel, die heißt: "In der Kirche gibt es keine Macht, da gibt es nur Dienst".

Von Hans-Georg Becker

Nun gibt es aber so gut wie keine Einrichtung auf Erden, in der Menschen miteinander zu tun haben, in der nicht auch Macht ausgeübt würde. Also auch in der Kirche, und zwar schon aufgrund ihrer Organisationsform und Strukturen, wie sie in dem Begriff Hierarchie zum Ausdruck kommen. Hierarchie, das bedeutet nämlich nichts anderes als "heilige Herrschaft" oder auch "Herrschaft der Heiligen", also einer eng umgrenzten Klasse von Machthabern.

Zum Beispiel der Papst. Schon allein die Auflistung aller Titel, mit denen er ausgestattet ist, lässt einen erschauern: Heiliger Vater, Statthalter Jesu Christi, Summus Pontifex der Universalkirche, Souveränes Oberhaupt des Vatikanstaates. Das ist eine Fülle von Machttiteln, die heute kein anderer Amtsträger in der ganzen Welt auch nur annähernd aufzuweisen hat. Sie beinhaltet die absolute Rechtsgewalt über die gesamte katholische Kirche und zusätzlich noch die Unfehlbarkeit in Lehrfragen über Glauben und Sitte. Dass sich der römische Pontifex unter diesen Umständen "Diener der Diener Gottes" nennt, wirkt schon fast wie ein Stück Selbstironie.

Der Papst ist also absoluter und uneingeschränkter Herrscher über die Kirche. Angesichts der Strukturen in der Kirche muss er seine Macht auch ausüben, das heißt, er muss unentwegt Entscheidungen treffen, die nur ihm allein zustehen. Etwa die Ernennung von Bischöfen. Oder die Absolution der Piusbrüder. Oder die Formulierung einer Karfreitagsfürbitte, durch die sich die Juden desavouiert fühlen. Er kann das alles, ohne auch nur einen Menschen zu fragen.

Nun setzt sich in einer Hierarchie die Machtausübung mit Abstufungen von oben nach unten fort. So kann der Diözesanbischof einer Pfarrei einen Pfarrer aufs Auge drücken, ohne dort auch nur leise anzufragen, ob man mit dem Kandidaten einverstanden ist. Immerhin: Der Papst kann auch einen Bischof in den Ruhestand schicken. Allerdings: Bis ein Bischof seinen Stuhl räumen muss, muss er sich schon sehr viel erlaubt haben. Will eine Pfarrei wiederum einen Pfarrer los werden, braucht es dazu in der Regel den Nachweis eines sexuellen oder, fast noch schlimmer, eines finanziellen Delikts.

Mitspracherechte und Kontrollinstanzen fehlen

Im Übrigen kann der Pfarrer in seiner Pfarrei zwar nicht gerade schalten und walten nach Belieben. Doch wenn er es darauf anlegt, kann er, Pfarrgemeinderat hin oder her, die Seelsorge oder das, was er dafür hält, nach seinen Vorstellungen gestalten. Und zwar ohne Rücksicht auf die Gemeinde – was nicht selten zur Parteibildung und Spaltung führt.

Auch die Macht über das Geld und seine Verwendung liegt beim Klerus. Die Diözesansteuerausschüsse, die es mittlerweile gibt, sind in der Regel dazu da, abzunicken, was der Finanzdirektor, fast immer ein Kleriker, ihnen vorlegt. Ansonsten: Das allerletzte Wort hat auch hier der Bischof als alleiniger Gesetzgeber in seinem Bistum.

Für den demokratisch geschulten Staatsbürger sind die Defizite mit Händen zu greifen. Unkontrollierte Macht ist verführerisch. Wohin man auch schaut in der Kirche: Es fehlen Mitspracherechte und Kontrollinstanzen, deren Mitglieder über fachliche Kompetenz verfügen, aber auch mit der nötigen Autorität ausgestattet sind, Missstände beim Namen zu nennen und Konsequenzen einzufordern – und das nicht nur hinter verschlossenen Türen. Auch in der Demokratie gibt es Machtmissbrauch – da gibt es aber die Möglichkeit, peinliche Angelegenheiten offen beim Namen zu nennen und bei Wahlen entsprechend zu reagieren. Das hat bis heute noch niemand gefordert. Und so weit wird es in der römischen Kirche auch so schnell nicht kommen – auch wenn die Gläubigen in Scharen davonlaufen.

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Zuletzt geändert am 24­.07.2010