26.7.2010 - Süddeutsche Zeitung
Geistliches Gomorrha
Von Andrea Bachstein
Rom – Geistliche, die Partys mit männlichen Prostituierten in Schwulenclubs von Roms Szeneviertel Testaccio frequentieren und zwischen ihre Messfeiern Verabredungen zum Sex mit wechselnden und festen Partnern legen: Es ist eine Art Sodom in der Diözese des Papstes, das das italienische Politmagazin Panorama in seiner jüngsten Ausgabe schildert.
Die Reaktion des von Kardinal Agostino Vallini geleiteten Vikariats von Rom kam prompt. Die geschilderten Vorgänge seien schmerzlich und bestürzend. Doch dieneder Bericht offenkundig dem Ziel, einen Skandal zu provozieren, heißt es in der Stellungnahme. Aufgrund der Behauptungen einer Person sollten alle Priester diskreditiert werden.
Unscharfe, heimliche Fotos
Das Magazin zitiert einen Priester mit der Ansicht, 98 Prozent der Geistlichen hätten homosexuelle Neigungen. Panorama hat die Schlüsselloch-Reportage auf einen Informanten aufgebaut, der sich in die Szene begeben hat. Belegt durch unscharfe, heimliche Fotos wird der Lebenswandel von mindestens drei homosexuellen Priestern über Tage hinweg geschildert. Einer von ihnen, ein Franzose, war demnach an Messen im Petersdom beteiligt, und auch ein deutscher Priester ist erwähnt. La Repubblica zufolge soll es sich um Priester handeln, die für Vatikanbehörden arbeiten.
Gleichgeschlechtlicher Sex zählt für die katholische Kirche als wider die Natur und schwerste fleischliche Sünde. Ein Geistlicher kann deshalb in den Laienstand versetzt werden. Papst Benedikt XVI. verfolgt bei dem Thema eine strenge Linie. Seit 2005 gilt für Priesterseminare die Order, Kandidaten auf ihre Orientierung zu prüfen und homosexuelle nicht aufzunehmen. Der Papst hat erst vor wenigen Wochen zum Abschluss des Priesterjahres – auch im Hinblick auf die Missbrauchskandale – gesagt, die Kirche werde keine Priester mehr dulden mit Orientierungen, die tatsächlich Verirrungen seien. Benedikt XVI. hat die Sünden von Priestern immer wieder thematisiert und davon gesprochen, dass sie den Glauben und das christliche Leben beschmutzen und Kirche von innen beschädigten.
Das römische Vikariat hat angekündigt, es werde den Kirchennormen entsprechend jedes Verhalten streng ahnden, das der Würde des Priesterstandes nicht entspreche. Es betonte, dass die mehr als 1300 Priester in den Gemeinden Roms nichts mit den dargestellten Doppelleben zu tun hätten. In unterschiedlichsten Funktionen folgten sie ihrer Berufung, dienten den Menschen und lebten das Evangelium. Es gebe in Rom aber viele Hunderte andere Geistliche, die aus aller Welt an die Universitäten kommen, jedoch nichts mit dem römischen Klerus zu tun haben und keine Seelsorger sind. Diejenigen, die ein Doppelleben führten, hätten nicht begriffen, was das katholische Priestertum ist und hätten nicht Priester werden dürfen. Es wäre folgerichtig, wenn sie sich zu erkennen gäben. „Wir wollen ihnen nichts Böses, aber wir können nicht hinnehmen, dass wegen ihres Verhaltens die Ehrbarkeit aller beschmutzt wird“, erklärt das Vikariat. Es soll Anweisung gegeben haben, mehr auf die insgesamt 1935 ausländischen Priester in Rom zu achten. Einige von ihnen hatte das Vikariat schon in den vergangenen Monaten wegen unmoralischen Verhaltens in den Laienstand zurückversetzt.
„Wir wollen ihnen nichts Böses“
Die Panorama-Veröffentlichung missfällt auch dem italienischen Schwulenverband Arcigay. Der erklärte, er sei „bestürzt“ über den Bericht. Zu Recht beleuchte dieser die Widersprüche der Kirche und ihr gequältes Verhältnis zur Sexualität, stelle aber Homosexualität als die Quelle alles Bösen dar und fische im Trüben. Der Artikel kriminalisiere schwule Priester und vergesse, dass es auch heterosexuelle Priester mit Doppelleben gebe und Tausende Ehemänner und Ehefrauen. Diskutiert wird der Panorama-Beitrag auch auf der Website Venerabilis, die den Untertitel „ homosexuelle katholische Bruderschaft“ trägt und eine Art Kontaktforum ist.
Zuletzt geändert am 02.08.2010