1.8.2010 - weltonline.de
Nach Skandalwelle – Kirche beklagt Priestermangel
Die katholische Kirche in Deutschland leidet nach dem Missbrauchskandal unter einem größer werdenden Priestermangel. Immer weniger junge Männer wollen sich in den Dienst der Kirche stellen, sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch. Die Zahl der Neubewerber liege mit deutschlandweit 150 auf einem Rekordtief. Im Jahr 2006 hatten sich noch 211 junge Männer beworben.
Die Kirche werde daher ihre Werbung für den Priesterberuf verstärken, unter anderem bei einer Ministrantenwallfahrt diese Woche nach Rom. Eine schnelle Trendwende sei jedoch nicht zu erwarten. „Man kann die Schäden eines Erdbebens nicht durch gute Worte beseitigen, sondern indem man auf dem Fundament Aufbauarbeit leistet“, sagte der Erzbischof.
„Wir durchleben große Erschütterungen, ja die wohl tiefste Krise der katholischen Kirche in Deutschland seit 1945.“ Die Kirche müsse dies als Chance verstehen. „Mit vereinten Kräften wollen wir versuchen, das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen.“
"99 Prozent ließen sich nichts zuschulden kommen"
„Durch den Skandal ist ein ganzer Berufsstand beschädigt worden und bei so manchem in Misskredit geraten, was ungerecht und unfair ist“, sagte Zollitsch. „Das sündige und verabscheuungswürdige Verhalten einiger Priester hat den ganzen Beruf in der öffentlichen Wahrnehmung erfasst.“ Dadurch habe der Priesterberuf ein falsches Image bekommen. „Es ist völlig übersehen worden, was die mehr als 99 Prozent der Priester, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, eigentlich in den Gemeinden und für die Gesellschaft leisten.“
Der Rückgang der Bewerberzahlen lasse sich durch eine starke Verunsicherung erklären. „Ein weiterer Grund liegt in unserer noch sorgfältigeren Auswahl.“ Es gebe intensive Vorgespräche, an denen auch Psychologen beteiligt seien. „Bei diesen Gesprächen wird geprüft, ob die Interessenten die richtige Motivation, die Kommunikationsfähigkeit und auch die Reife mitbringen, diesen Weg einzuschlagen.“ Zur Zahl der Bewerber, die abgelehnt werden, machte Zollitsch keine Angaben.
"Alles braucht seine Zeit"
„Mit Informationsveranstaltungen, Berufungsgruppen und gemeinsamen Wallfahrten wird die katholische Kirche gezielt auf die geistlichen Berufe aufmerksam machen“, sagte Zollitsch. Zudem würden Ministranten angesprochen mit dem Ziel, sie für einen Berufsweg innerhalb der Kirche zu begeistern.
Bei der Aufarbeitung des Missbrauchskandals komme die Kirche gut voran, sagte der Erzbischof. „Aber alles braucht seine Zeit.“ Im Bereich der Prävention gegen sexuellen Missbrauch sei die katholische Kirche im Vergleich zu anderen Institutionen der Gesellschaft mittlerweile führend.
Zuletzt geändert am 01.08.2010