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Veröffentlicht am 05­.08.2010

3.8.2010 - Süddeutsche Zeitung

Neuer Strukturplan: Priester kritisieren Erzdiözese

Von Bernhard Lohr

An allen Ecken und Enden fehlen die Priester - und die Erzdiözese lässt die Pfarreien fusionieren. Ist das die richtige Reaktion? Geistliche fordern nun, Laien stärker einzubinden.

Pfarrer Anton Fürstenberger hätte sich vom Erzbischof mehr Mut gewünscht. Die erst kürzlich von Reinhard Marx unterzeichnete Strukturreform im Erzbistum reicht nach seiner Überzeugung als Antwort auf den Priestermangel nicht aus. Der Schäftlarner Pfarrer fordert, engagierte Laien stärker für seelsorgerische Aufgaben heranzuziehen. Der Gaißacher Pfarrer Ludwig Scheiel, Dekan im Dekanat Bad Tölz, würde den Laien gerne mehr Kompetenzen in der Kirchenverwaltung zubilligen. Beide Pfarrer warnen: Mit mehr Zentralismus sind die Probleme nicht zu lösen.

Das kirchliche Leben in den 35 Pfarreien der Dekanate Wolfratshausen und Bad Tölz wird sich gravierend ändern. Das ist längst klar. Der Priestermangel wirkt sich jetzt aus. So erwartet das Erzbistum bis 2020, dass für 1200 Planstellen im Erzbistum nur 576 Priester zur Verfügung stehen.

Wie dem jetzt gültigen Strukturplan zu entnehmen ist, entstehen in Wolfratshausen und Geretsried zwei Pfarrverbände. Die Pfarreien Schäftlarn, Hohenschäftlarn, Icking und Baierbrunn werden einen Verband bilden, ebenso Königsdorf und Beuerberg sowie Gaißach, Reichersbeuern und Sachsenkam. Das Personaltableau sieht - abgesehen von einer Stelle in Königsdorf - jeweils zwei Priester vor, die den Seelsorgeteams vorstehen sollen.

Umgesetzt werden soll das Ganze dann, wenn ohnehin ein Priester, etwa aus Altersgründen, ausscheidet. Adelheid Utters-Adam, Sprecherin des Erzbistums, sagte, man bemühe sich um "sanfte Übergänge". Auch sei noch vieles offen, so zum Beispiel, ob sich in Geretsried oder Wolfratshausen eine Pfarrei als zentrale Stadtkirche herauskristallisieren werde. Vor allem in Geretsried erscheint das schwierig, wo die Pfarrei Heilige Familie 5214 Katholiken zählt und die nur wenig kleinere Pfarrei Maria Hilf 4515.

Allerdings ist vieles informell schon klar. So werde, wie der Dekanatsratsvorsitzende Rolf Habermann sagte, in Wolfratshausen die Pfarrei Sankt Andreas künftig die Zentrale bilden. Der Mittelpunkt im Pfarrverband Schäftlarn, Icking, Baierbrunn werde sich alleine wegen der dortigen großen Kirche und des Pfarrzentrums in Ebenhausen-Schäftlarn befinden, sagte Habermann. Auch Pfarrer Fürstenberger rechnet damit, ebenso die Pfarrgemeinderatsvorsitzende Lia Schneider-Stöckl. Insofern könnte man in Schäftlarn zufrieden sein. Bedeutungsverlust droht zumindest nicht.

Beerdigungen - nur noch im Vorübergehen?

Aber weit gefehlt. Schneider-Stöckl erwartet, dass Priester Taufen, Hochzeiten oder Beerdigungen quasi nur noch im Vorübergehen bewältigen werden. Die Zeit für das persönliche Gespräch und für Krankenbesuche werde fehlen. "Die ganze seelsorgerische Arbeit wird darunter leiden." Kritisch sieht sie, dass der Strukturplan vorsieht, 30 Prozent der Seelsorge, wie es heißt, "kategorial" abzudecken. Das heißt, dass zur Betreuung in Altenheimen und Krankenhäusern Seelsorger zentral abgestellt werden sollen. Damit werde alles anonymer. Dekanatsratsvorsitzender Habermann sagt, es sei fraglich, wie häufig noch Gottesdienste in den Orten stattfinden und wie oft Pfarrbüros besetzt sind. Gaißachs Pfarrer Scheiel sieht die Entwicklung mit Sorge: "Die Kirche darf sich nicht vom Dorf verabschieden."

Scheiel ist als Dekan im Dekanat Bad Tölz zuständig für 15 Pfarreien und 31.335 Katholiken. Acht Priester sieht der Personalplan 2020 dafür vor, zudem 7,5 Stellen für seelsorgerisches Personal wie Diakone oder Pastoralreferenten. Das erscheine nicht einmal so wenig, sagt Scheiel. Aber: "Ich persönlich zweifle diese Personalplanung 2020 an."

Der Dekan rechnet für seinen Pfarrverband Gaißach in Zukunft nur mit einem Priester anstatt mit zwei, wie prognostiziert. Scheiel fordert "mehr Kompetenzen für Ehrenamtliche" in den Kirchenverwaltungen. Schäftlarns Pfarrer Fürstenberger sähe es sogar gerne, wenn so genannte "Viri probati" - also geeignete, ausgebildete Laien - Taufen, Hochzeiten oder Beerdigungen übernähmen. Wer, wie Fürstenberger sagt, gläubig, ehrlich und menschenfreundlich sei, der solle in den Ortschaften auch seelsorgerischer Ansprechpartner sein dürfen. So jemand müsse dann festliches Gewand tragen dürfen, und ein Amt sollte auch dahinterstehen. "Für mich ist das die einzige Lösung in der jetzigen Not."

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/wolfratshausen/vermischtes/neuer-strukturplan-priester-kritisieren-erzdioezese-1.983668

Zuletzt geändert am 05­.08.2010