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Veröffentlicht am 13­.08.2010

14.8.2010 - Stuttgarter Nachrichten / Strohgäu Extra

Pfarrer Michael Broch gibt neues Amt auf

Renningen/München Der 67-Jährige hat nach einem papstkritischen Interview in unserer Zeitung Druck bekommen. Von Michael Schmidt

Es sollte das Abschiedsinterview für seine Heimatzeitung werden. Doch seine am 22. Mai in unserer Zeitung geäußerte Kritik am Papst und dem Zustand der katholischen Kirche ist für Michael Broch, den Renninger Priester und Sprecher der ARD-Sendung "Wort zum Sonntag", jetzt zum Fallstrick geworden. Nach wenigen Wochen im Amt, ist der 67 Jahre alte Priester offenbar zum Rücktritt als Geistlicher Direktor des "Instituts zur Förderung des publizistischen Nachwuchses" (IFP) in München gedrängt worden. Er habe "das nötige Vertrauen zahlreicher Bischöfe verloren", um weiter die katholische Journalistenakademie zu leiten, wird Broch in Pressemitteilungen zitiert. Er selbst reagiert nicht auf Anfragen, nimmt auch sein Mobiltelefon nicht ab.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch aus Freiburg, hat sich in einem Schreiben persönlich an Pfarrer Broch gewandt - und den Rücktritt des "erfahrenen Medienfachmanns" bedauert. Zugleich schrieb Zollitisch, dass "man die Beweggründe sowohl der Bischöfe als auch von Pfarrer Broch auch dann respektieren werde, wenn man sie persönlich nicht für schlüssig halte".

Tatsächlich hatte bereits unmittelbar nach dem Interview, welches in der Pfingstausgabe unserer Zeitung erschienen war, der Wirbel in der katholischen Welt begonnen. Angefacht worden sein soll er vor allem von wertkonservativen, ehemaligen IFP-Absolventen, die offensichtlich schnell die Verbindungen zu konservativen Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz geknüpft hatten.

Bereits drei Wochen später tat Broch dann Mitte Juni Buße und entschuldigte sich für seine papstkritischen Äußerungen in der Stuttgarter Zeitung. Es tue ihm "sehr leid, welche Wellen diese Sache geschlagen" habe, erklärte der Priester. Es sei sein Fehler gewesen, dass er den Text vor der Druckfreigabe nicht mehr kritisch gegengelesen habe, so Broch weiter. Er ist selbst ein ehemaliger Schüler des Journalisteninstituts. Nach der Veröffentlichung hatte auch gesagt, er wolle nicht, dass die Schule durch seine "verunglückten Äußerungen" Schaden nehme.

Der Interviewtext war dem langjährigen Rundfunkpfarrer indes zwei Tage vor dem Erscheinungstermin vorgelegt worden. In einem Telefongespräch mit der Redaktion, in dem er auch auf die Brisanz der Aussagen hingewiesen worden war, befürwortete Broch den Abdruck seiner Aussagen in vollem Umfang und ließ sich im SWR-Studio Tübingen zur Illustration des Interviews fotografieren.

Brochs Entschuldigung ist offensichtlich nicht angenommen worden. Wie aus dem IFP-Umfeld zu erfahren war, fürchtete Broch, dass er in seiner Leitungsfunktion auch den Kontakt zu ihm wohl gesonnenen Bischöfen verlieren werde. Der Priester des Bistums Rottenburg-Stuttgart ist seit dem Jahr 1997 Hörfunkpfarrer beim SWR und seit dem vergangenen Jahr einer der Sprecher der Sendung "Das Wort zum Sonntag" in der ARD. Diese beiden Aufgaben stehen nach seinem Rücktritt als Institutsleiter nicht zur Disposition, sagt eine Sprecherin der Deutschen Bischofskonferenz auf unsere Nachfrage. Wörtlich wünschte der Erzbischof Zollitisch dem Rundfunkpfarrer "weiterhin für seine wichtige Medienarbeit viel Erfolg".

Im Gegensatz zur überregionalen katholischen Welt, blieb die Reaktion vieler Leser der Stuttgarter Zeitung unmittelbar nach Veröffentlichung des Interviews überschaubar. Es gab keinen einzigen kritischen Leserbrief, der Leonberger Oberbürgermeister Bernhard Schuler kommentierte am Rande eines Gesprächs, das Interview als "spannend". Ob Broch nun wieder in den Pfarrdienst vor Ort zurück kehrt, war gestern noch offen. Der 67-Jährige hatte lange Zeit die St.-Franziskus-Gemeinde in Warmbronn mit betreut und hier vor allem die Ökumene gepflegt. Auch das Bekenntnis hierzu, ist ihm nun zum Verhängnis geworden.

http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.pfarrer-michael-broch-gibt-neues-amt-auf.32e70134-dd01-460d-b2b5-4b34214dc755.html







Das ursprüngliche, am 22.5.2010 veröffentlichte Interview:

"Dieser Papst fährt die Kirche an die Wand"

Renningen/München Der katholische Priester Michael Broch spricht das Wort zum Sonntag, liest rund um Leonberg Messen, ist mittlerweile Akademiedirektor und tut dies alles mit großer Kritik "am geschlossenen System der zölibatären Männer". Von Michael Schmidt

Michael Broch ist mehr denn je auf Achse. Der katholische Priester ist neuerdings geistlicher Direktor der katholischen Journalistenschule in München. "Nebenher" ist er noch SWR-Rundfunkpfarrer und einer der "glorreichen Sieben" - der aktuellen Sprecher des Worts zum Sonntag in der ARD. Die journalistische Freiheit gibt ihm auch den Freimut, die Probleme in der katholischen Kirche anzusprechen, nicht nur zu Pfingsten.

Grüß Gott, Herr Broch. Sind Sie als Rundfunkpfarrer ob ihrer offenen Worte nun nach oben befördert worden? Als geistlicher Direktor einer Journalistenschule?

Das ifp (Institut zur Förderung des publizistischen Nachwuchs) ist eine wichtige und angesehene Bildungseinrichtung unserer Kirche, ich sehe mich da keinesfalls als Frühstücksdirektor. Außerdem habe ich ganz klar gesagt, dass ich unbedingt weiter auf Sendung gehen will - das ist meine Leidenschaft.

Zuletzt haben Sie vom ökumenischen Kirchentag das Wort zum Sonntag gesprochen. Eine Woche vorher über Europa.

Es geht darum, keine Rundfunkpredigt zu halten, auch das Wort zum Sonntag oder unsere Radiobeiträge sind religiöse Sendungen mit journalistischen Maßstäben. Mein Leitmotiv, dass ich an andere Pfarrer weitergebe: Wenn ihr was zu sagen habt, dann erzählt doch eine Geschichte. Mir ist wichtig, dass wir eben nicht missionieren.

Sie haben vom Kirchentag aus vorsichtige Töne angeschlagen, sprachen von Bescheidenheit und Mitgefühl. Wie geht es einem katholischen Priester angesichts der Turbulenzen um Missbrauchsfälle - und vor allem dem Umgang der Amtskirche damit?

Das betrifft einen fürchterlich. Derzeit wird auch alles durcheinander geschmissen, der Zölibat ist gewiss nicht die Ursache für Pädophile, die wiederum eine Krankheit ist. Mittlerweile muss ich mir die Frage stellen, ob ich einem Ministranten noch die Hand geben darf. Doch die Frage ist nun auch, wie fähig die Kirche sein wird, sich zu verändern. Das System Kirche darf nicht von ein paar zölibatären Männern beherrscht werden. Es gibt neben dem Zölibat noch andere Lebensmodelle - wir müssen da offener werden.

Als "wir" damals Papst wurden, war die Euphorie über Benedikt XVI. groß. War die Erwartungshaltung tatsächlich doch überzogen?

Ein Kardinal Ratzinger war nie liberal. Er kommt aus einer kirchlichen Bischofshierachie heraus, deren Bunkermentalität auffällig ist. Wenn ein Bischof nach draußen geht, zu Altarweihen, Festgottesdiensten, dann wird ihm doch nur zugejubelt. Ich habe bei Professor Ratzinger und bei Professor Küng mein Staatsexamen in Tübingen abgelegt. Während der Küng schon immer seine eigene Art pflegte, waren für Ratzinger die Kirchenväter das große Thema. Ich denke, das zeigt doch einiges.

Was zeigt es?

Ich habe keine Angst um die Kirche. Aber unser derzeitiges System hält sich so nicht. Wer sind wir denn, mit einer völlig antiquierten Sexualmoral? Das gefährliche an der katholischen Kirche ist das geschlossene System, die Männerwirtschaft. Das Priesteramt ist häufig für junge Neoklerikale interessant, die schon im Studium gerne mit dem römischen Kragen rumrennen würden. Den müsste ich gerade im Staatstheater im Kostümfundus holen. Wenn es so weitergeht, fährt Papst Benedikt die Kirche an die Wand!

Das sind harte Worte. Fürchten Sie da nicht den langen Arm Roms?

Sie werden lachen: Ich bin loyal, auch wenn ich motze. Und dann habe ich natürlich als Medienpfarrer mehr Freiheiten - denn meine Kirchenbezirke aus Rottenburg, Freiburg und Mainz haben Respekt vor der Pressefreiheit. Vielleicht steigt in mir manchmal der Zorn der alten Männer hoch? Je älter ich werde, desto liberaler werde ich.

Ist eigentlich die katholische Kirche allein der Papst? Es gab doch auch mal noch südamerikanische Befreiungstheologen und Arbeiterpriester und Schwestern der Barmherzigkeit. . .
Die Gleichzeitigkeit der Dinge ist in der Tat ein Trost. Im Mittelalter gab es die Kreuzzüge - aber zugleich auch den heiligen Franziskus. Wir erleben derzeit, wie sich Opfer von Missbrauchsfällen zu Wort melden - und auf der anderen Seite gibt es das Don-Bosco-Werk, das gerade Prostituierten und missbrauchten Frauen einen Schutzraum bietet.

Was ist also ihr Trost, wenn Sie gerade auf Ihre Kirche schauen?

Ich bin Ökonomiker. Und gerade die Ökumene geht mir viel zu langsam, die Kirche ist da viel zu verbeamtet - ich hoffe auf schnellere Aufbrüche. Vielleicht ist das die Chance in der Krise.

Das Gespräch führte Michael Schmidt.

LINK zum Interview in den Stuttgarter Nachrichten:
http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.dieser-papst-faehrt-die-kirche-an-die-wand.dadfb80c-67e7-43c3-a8a8-90dc39ab7e45.html

Zuletzt geändert am 14­.08.2010