22.9.2010 - Süddeutsche Zeitung
Kirche in Polen unbeliebt wie nie
Den jüngsten drastischen Einbruch in der Sympathieskala führen die Warschauer Kommentatoren vor allem auf die Haltung der Bischöfe zu den Ereignissen nach dem Flugzeugunglück von Smolensk zurück, bei dem im April 96 Menschen umgekommen waren, unter ihnen Staatspräsident Lech Kaczynski und weitere wichtige Repräsentanten Polens. In den vergangenen Wochen hatte ein Streit um ein Holzkreuz vor dem Warschauer Präsidentenpalast die Medien beherrscht. Katholische Pfadfinder hatten es am Tag nach dem Unglück zum Gedenken an die Opfer aufgestellt. Als der damalige Parlamentspräsident Bronislaw Komorowski in Absprache mit dem Erzbistum Warschau anordnete, das Kreuz in eine Kirche zu überführen, waren die Bischöfe gespalten: Ein Teil meinte, dass das Kreuz als religiöses Symbol nicht vor dem Amtssitz des Präsidenten stehenbleiben solle, andere unterstützten eine Gruppe von Fundamentalkatholiken, die sich „Verteidiger des Kreuzes“ nannten. Das Kreuz wurde vergangene Woche in einer Blitzaktion in die Kapelle des Präsidentenpalastes gebracht.
Zerstritten zeigten sich die Bischöfe auch im Präsidentenwahlkampf. Einige unterstützten offen den nationalkonservativen Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski, den Zwillingsbruder des verunglückten Präsidenten. Andere forderten politische Zurückhaltung. Noch im April hatten die Bischöfe bei der Organisation des Staatsbegräbnisses für Lech Kaczynski die Initiative ergriffen und die Politiker zur Seite gedrückt. Die Kirchenpresse berichtete zunächst nicht über die jüngsten CBOS-Zahlen.
Zuletzt geändert am 26.09.2010