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Veröffentlicht am 22­.09.2010

22.9.2010 - Süddeutsche Zeitung

Kirche in Polen unbeliebt wie nie

Warschau – Das Ansehen der katholischen Kirche Polens ist auf den niedrigsten Wert seit der politischen Wende von 1989/90 gefallen. Dies geht aus einer am Dienstag bekanntgewordenen Umfrage des Warschauer Meinungsforschungsinstituts CBOS hervor. Demnach fiel die Zustimmung zur Kirche gegenüber der letzten Umfrage im Juni um zehn Punkte auf 54 Prozent. Gleichzeitig stieg die Zahl der ablehnenden Stellungnahmen von 25 auf 35 Prozent. Nominell gehören 90 Prozent der Einwohner Polens der katholischen Kirche an. Die Umfrage bestätigt den seit zwei Jahrzehnten anhaltenden Trend, dass die gesellschaftliche Bedeutung der Kirche stetig abnimmt.

Den jüngsten drastischen Einbruch in der Sympathieskala führen die Warschauer Kommentatoren vor allem auf die Haltung der Bischöfe zu den Ereignissen nach dem Flugzeugunglück von Smolensk zurück, bei dem im April 96 Menschen umgekommen waren, unter ihnen Staatspräsident Lech Kaczynski und weitere wichtige Repräsentanten Polens. In den vergangenen Wochen hatte ein Streit um ein Holzkreuz vor dem Warschauer Präsidentenpalast die Medien beherrscht. Katholische Pfadfinder hatten es am Tag nach dem Unglück zum Gedenken an die Opfer aufgestellt. Als der damalige Parlamentspräsident Bronislaw Komorowski in Absprache mit dem Erzbistum Warschau anordnete, das Kreuz in eine Kirche zu überführen, waren die Bischöfe gespalten: Ein Teil meinte, dass das Kreuz als religiöses Symbol nicht vor dem Amtssitz des Präsidenten stehenbleiben solle, andere unterstützten eine Gruppe von Fundamentalkatholiken, die sich „Verteidiger des Kreuzes“ nannten. Das Kreuz wurde vergangene Woche in einer Blitzaktion in die Kapelle des Präsidentenpalastes gebracht.

Zerstritten zeigten sich die Bischöfe auch im Präsidentenwahlkampf. Einige unterstützten offen den nationalkonservativen Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski, den Zwillingsbruder des verunglückten Präsidenten. Andere forderten politische Zurückhaltung. Noch im April hatten die Bischöfe bei der Organisation des Staatsbegräbnisses für Lech Kaczynski die Initiative ergriffen und die Politiker zur Seite gedrückt. Die Kirchenpresse berichtete zunächst nicht über die jüngsten CBOS-Zahlen.

Zuletzt geändert am 26­.09.2010