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Veröffentlicht am 19­.03.2011

19.3.2011 - Kreis-Anzeiger Zentralhessen

„Klar machen, was wirklich passiert ist“

Von Norbert Gregor Günkel

Missbrauchs-Opfer: Kirchengemeinde muss die fortgesetzten schweren Vergewaltigungen zur Kenntnis nehmen

„Die Kirche wartet doch nur darauf, dass uns die Luft ausgeht“, sagt Missbrauchs-Opfer Marc Klein und schiebt gleich seine Gefühle nach: „Nach diesen Wochen ist man kein richtiger Mensch mehr.“ Aber er und Alexander W. wollen nicht nachlassen: Die Kirchengemeinde Grebenhain soll wissen, was der inzwischen verstorbene Pfarrer Wolfgang Grabosch über Jahre hinweg mit einer unbekannten Anzahl von Kindern und Jugendlichen getrieben hat: Fortgesetzte, systematische, schwere Vergewaltigung unter raffinierter Ausnutzung seiner unangefochtenen Stellung in der Gemeinde. Marc Klein hatte Grabosch beim Bistum und damit bei der Staatsanwaltschaft angezeigt und später als „Hans W.“ den Schritt in die Öffentlichkeit gewagt. Die Ermittlungsbehörde schloss die Akte, weil die Taten verjährt sind, das Bistum wollte danach ein Verfahren gegen den Pfarrer einleiten. Das wurde durch dessen Tod Anfang März beendet.

Mit dem Tod des Täters ist die Sache für Marc und Alexander aber nicht erledigt. „Die Menschen müssen sich endlich klar machen, was jungen Menschen durch Pfarrer Grabosch wirklich passiert ist.“ Beim Informationsabend des Bistums im Februar hat der Justiziar des Bischofs zu sehr um den heißen Brei herumgeredet. „Es ging eben nicht darum, dass Grabosch mal den Penis eines Jungen berührt hätte, wie Prof. Ling das hinstellen wollte.“ Beide Opfer berichten von mehrfacher schwerer Vergewaltigung, die monatelang wiederholt wurde.

Grabosch habe seine Opfer gezielt ausgesucht, berichten die beiden. Er wusste über die familiären Verhältnisse genau Bescheid, trat als Wohltäter und Tröster auf, wenn Jungens in einer schwierigen Situation steckten, half den Familien. Und er machte Geschenke - von der Armbanduhr bis zu Mofa und Auto. Die „Auserwählten“ durften nahezu kostenlos mit auf Freizeiten fahren, deren Kosten der Pfarrer fast gänzlich übernahm. Unterwegs gab es mal subtilen Druck, mal offene Drohungen: Richtige Jungens duschen nackt und lassen sich auch nackt fotografieren.

Aber, und das ist den beiden Opfern wichtig: Die Vergewaltigungen geschahen eben nicht nur auf diesen Fahrten, sondern auch in Grebenhain, in jener Kirchengemeinde, die der angesehene Seelsorger immerhin 18 Jahre lang betreute.

Marc und Alexander rechnen: In unserer Gruppe waren es über drei Jahre hinweg mindestens fünf Jungen. In den 18 Jahren gab es aber etliche Gruppen. „Das mag man sich gar nicht ausmalen, wieviele Kinder und Jugendliche da Opfer geworden sein können.“ Wobei inzwischen klar ist, dass Grabosch sich nicht nur auf Jungen beschränkte. Eine Frau, damals ein Mädchen, hat sich im Februar als Opfer gemeldet.

Angesichts der möglichen Zahl von Opfern und der langen Zeitdauer der kriminellen Taten bleibt es ein Rätsel, dass das so lange gehen konnte. Aber Alexander bestätigt, was Marc schon früher sagte: Den Opfern hätte Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre keiner geglaubt. „Wir hätten doch nur gehört: Erzähl so keinen Unsinn.“ Eine Freundin der beiden, die die tragische Geschichte seit Monaten kennt, bestätigt: „Denen hätte keiner geglaubt. Denn sonst wären Weltbilder eingestürzt.“

http://www.kreis-anzeiger.de/lokales/aus-der-nachbarschaft/grebenhain/10342269.htm

Zuletzt geändert am 20­.03.2011