21.3.2011 - Frankfurter Rundschau
Gastbeitrag: Der Klerus mauert
Frauen sind Kirche und Frauen bewegen Kirche. Wenn der Dialogprozess Sinn machen soll, muss deshalb ein zentrales Ziel sein, Frauen entsprechend ihrer Zahl und ihrem Auftrag als mündige Christinnen an der Gestaltung kirchlicher Wirklichkeit zu beteiligen. „Ich werfe unserer Zeit vor, dass sie starke und zu allem Guten begabte Geister zurückstößt, nur weil es sich um Frauen handelt.“ Von keiner geringeren als der Kirchenlehrerin und Heiligen Theresa von Avila stammt dieser Satz. Ihr Vorwurf hat an Berechtigung nichts eingebüßt. Wir leben in einer Frauenkirche, aber in einer Frauenkirche, die von Männern geleitet wird. Neu ist daran nicht, dass Männer die Kirche leiten, aber deutlicher als je zuvor zeigt sich, dass „unten in den Kirchenbänken“ vor allem Frauen sitzen.
Die Begabungen, Erfahrungen und Charismen von Frauen kommen aber nach wie nicht ausreichend vor; sie haben strukturell keine Chance, sich gleichberechtigt in die Gestaltung kirchlicher Wirklichkeit einzubringen. Immer noch behindert ein offener oder sublimer Klerikalismus eine echte Beteiligung insbesondere der Frauen am Leben der Gemeinde, am Leben der Diözese und am Leben der Weltkirche. Und „Leben“ meint hier ebenso die Alltagsvollzüge wie das öffentliche Erscheinungsbild und die Macht- und Entscheidungsstrukturen.
Da überzeugende theologische Argumente gegen eine ernsthafte Beteiligung von Frauen an Weiheämtern fehlen, wird die Diskussion darüber per Diktat beendet oder wie die Antwort auf die Frage nach der Diakonatsweihe für Frauen seit fast vierzig Jahren vertagt.
Schon 1981 sprachen die deutschen Bischöfe in ihrem Hirtenwort „Zu Fragen der Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft“ von ihrer Vision, wonach die Kirche ein Modell für das partnerschaftliche Zusammenwirken von Mann und Frau sein sollte. Bei allen Veränderungen sind wir dieser Vision innerkirchlich bisher nicht wesentlich näher gekommen. Die aktuellen innerkirchlichen Verhältnisse haben für uns keinen Modellcharakter für das Zusammenwirken von Mann und Frau. Frauen warten allerdings nicht mehr lange auf die Verwirklichung dieser Aussagen und wollen endlich lebens- und strukturverändernde Taten sehen.
Die Oberärztin, die Bundespolitikerin, die mittelständische Unternehmerin, die Mutter pubertierender Jugendlicher, die mündige Wählerin vor einer schwierigen Wahlentscheidung – von ihnen allen wird erwartet, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen nach ihren Möglichkeiten verantwortlich handeln und ihr Leben gestalten. Als Katholikinnen erleben sie dann, dass sie „nicht für voll genommen werden“. Lassen sich in Beruf und Familie aktive und selbstbewusste Frauen in der Kirche damit abfinden? Zum Glück nicht. Dafür ist vielen von ihnen ein viel zu großes Anliegen, dass die katholische Kirche im Jahr 2011 ein glaubwürdiges Zeugnis gibt für die lebensverändernde Botschaft Jesu Christi.
Der Dialog, der in der katholischen Kirche begonnen hat, wird auch die Frage beraten müssen, wie unsere Kirche den Frauen gerechter wird, die die Kirche faktisch bewegen. „Dialog“ oder „Gespräch“ – wenn diese Klarstellung der Bischofskonferenz in der vergangenen Woche nicht nur ein Streit um Worte ist, dann muss weiter gelten, dass über alles geredet werden kann und die Ergebnisse – auch und gerade in der Frauenfrage – nicht von vornherein feststehen. Eine angemessene Partizipation von Frauen in allen Gestaltungsfragen kirchlicher Wirklichkeit wäre dann wahrlich keine „Revolution“, sondern ein nachholende Anpassung, die schon lange überfällig ist. Oder anders gesagt, das Ernstnehmen eigener Hirtenworte von vor 30 Jahren.
Frauen aus den Reihen des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) beteiligen sich aktiv an diesem Dialog, der aus unserer Sicht ein „Veränderungsprozess“ sein muss. Wir haben deshalb für heute zu einer Frauenkonferenz geladen, um den Beitrag des ZdK zum Dialogprozess in der katholischen Kirche aus Sicht der Frauen vorzubereiten. Es geht unter anderem um Frauen in kirchlichen Leitungsämtern, um unsere Beteiligung an Finanzen und Entscheidungen, um neue Formen der Gemeindeleitung, Umgang mit Sexualität in der kirchlichen Verkündigung und um den Diakonat der Frau.
Alois Glück, Präsident des ZdK, hat beim Ökumenischen Kirchentag 2010 in München gesagt: „Wir leiden mit der Kirche und an der Kirche. Aber es ist weiter unsere Kirche und wir wollen uns weiter in ihr engagieren.“ Das gilt gerade und besonders für uns Frauen.
Karin Kortmann und Claudia Lücking-Michel sind Vizepräsidentinnen des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.
Quelle: http://www.fr-online.de/politik/meinung/der-klerus-mauert/-/1472602/8249358/-/index.html
Zuletzt geändert am 22.03.2011