22.11.2011 - Süddeutsche Zeitung
Die Frauen, die Erotik und die Katholiken
Von Matthias Drobinski
In der katholischen Kirche mit ihren Mysterien gehört manchmal das Verschiedene auf sehr eigentümliche Weise zusammen. Frauen sollen also Diakoninnen werden in der katholischen Kirche, so fordert es seit diesem Wochenende offiziell das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Das ungleich kleinere konservative „Forum deutscher Katholiken“ erregt zur gleichen Zeit ein anderes Thema: Über den Weltbild -Verlag, der einer Reihe von katholischen Bistümern gehört, kann man erotische und esoterische Literatur bestellen. Das muss sich ändern, sonst müssen sich die Bischöfe von Weltbild trennen, fordert das Forum. Gemeinsam ist diesen beiden grundverschiedenen Vorgängen, dass sie auf ihre Weise viel über die Dialogkultur in der katholischen Kirche aussagen und über die Zukunftsdiskussion der größten und ältesten Institution der Bundesrepublik.
Die Forderung, dass Frauen auch in der katholischen Kirche zum Diakonenamt zugelassen werden, ist alt. Genauso alt ist die Ablehnung durch die Kirchenoffiziellen. Die Befürworter führen die Diakonin Phoebe ins Feld, die einst den Apostel Paulus begleitete. Die Gegner, dass die Diakonen-, Priester- und Bischofsweihe zusammengehöre und Frauen in keinem der drei Bereiche etwas zu suchen hätten. Papst Johannes Paul II. hat 1994 diese Debatte für abgeschlossen erklärt, im Zeitalter des Diskurses ein eigentümlich anmutender Vorgang.
Nun aber haben die deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee vor einem Jahr einen Dialogprozess gestartet, um ihre Kirche aus der Krise herauszuholen, in die sie nach den Missbrauchsskandalen gerutscht ist. Man könne über alles reden (wenn auch nicht über alles entscheiden), hieß damals das Versprechen. Warum also nicht über das Diakonat der Frau? Wir lassen uns im Dialogprozess nicht unsere Meinung verbieten – so lässt sich der Beschluss des Zentralkomitees deuten. Und prompt kam die Kritik des Sekretärs der Bischofskonferenz, Hans Langendörfer: Klar gebe es keine Denkverbote, das mit dem Diakonat der Frau aber erschwere den Dialogprozess.
Derselbe Hans Langendörfer, der gegenüber den Reformwünschen der Laienkatholiken so streng auftritt, ist zur gleichen Zeit von der anderen Seite unter Beschuss. Ihn haben die konservativen Katholiken mit ihrer Weltbild-Kritik im Visier, und damit die Mehrheit der deutschen Bischöfe, die ihnen zu lasch ist, die ihnen zu wenig zur Hebung der öffentlichen Moral beitragen. Die Kritik an Weltbild ist ja ungefähr so alt wie die Forderung nach dem Diakonat der Frau. Zuerst, weil der Verlag eigentümlich glorifizierende Weltkriegs-Erinnerungs-Bücher im Sortiment hatte, jetzt, weil das 50-Prozent-Beteiligungsunternehmen Droemer-Knaur auch erotische Literatur verlegt und man über die Homepage des Unternehmens einschlägige Titel bestellen konnte. Ein Teil der Kritik an Weltbild ist berechtigt, ein Teil ist scheinheilig: Bei jedem Händler, bei dem man via Internet aus dem Verzeichnis lieferbarer Bücher bestellen kann, ist das so, egal, wie fromm nun dieser Händler ist.
Egal: Der katholische Flashmob ist unglaublich erfolgreich. Bischöfe wurden mit Briefen und Mails bombardiert, im Internet scharf angegriffen; Papst Benedikt XVI. hat erklärt, dass die Kirche nicht Geld mit dem erwirtschaften kann, gegen das sie predigt, der Weltbild-Aufsichtsratschef ist zurückgetreten. Und der Bischofskonferenz-Sekretär Hans Langendörfer kann sich keine zweite offene Flanke leisten und stellt gegenüber dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken zur Sicherheit klar, wo die Grenzen des Dialogs sind: Übers Diakonat wird, frei, wie wir sind, nicht geredet.
Das Diakonat der Frau, das Gerangel um den Weltbildverlag, das sind Teile der großen Debatte, wohin die katholische Kirche gehen soll. Beim Weltbild-Verlag dürfte es Bewegung geben. Beim Diakonat der Frau dagegen ist Bewegung ausgeschlossen.
Zuletzt geändert am 24.11.2011