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Veröffentlicht am 15­.02.2012

15.2.2012 - tagesschau.de

Aufregung über VatiLeaks: Im Vatikan ist der Teufel los

Der Vatikan hat ein Problem mit Namen VatiLeaks. In den vergangenen Tagen gelangten viele vertrauliche Dokumente, teils mit brisantem Inhalt, nach außen. Vom Mordkomplott gegen den Papst ist die Rede. Vor allem aber wird kräftig gemobbt. Doch wer schießt hier eigentlich gegen wen und warum?

Von Stefan Troendle, ARD-Hörfunkstudio Rom

"Heute müssen wir gute Nerven haben, denn es gibt nichts, über das man sich nicht wundern könnte. Die amerikanischen Behörden hatten WikiLeaks und der Vatikan hat VatiLeaks - Dokumente die durchsickern, die Durcheinander und Befremden verursachen. Zudem sorgen sie dafür, dass der Vatikan, die Führung der Kirche und die Kirche selbst in schlechtem Licht dastehen."

Das ist eine hübsche und für Papstsprecher Federico Lombardi selten deutliche Zusammenfassung dessen, was im Vatikan in den vergangenen Wochen passiert ist. Noch erstaunlicher ist allerdings, dass diese Äußerung aus einem Kommentar im Papstsender Radio Vatikan stammt, in dem Selbstkritik in der Regel eher seltener zu hören ist.

Dass sich Lombardi zu diesem Schritt gezwungen sah, macht eines deutlich: Im Vatikan ist momentan der Teufel los. Im Januar kam heraus, dass ein Erzbischof als Nuntius nach Washington versetzt wurde, nachdem er Misswirtschaft und Korruption in der vatikanischen Verwaltung angeprangert hatte.

Anschließend gelangte ein internes Schreiben über die Vatikanbank an die Öffentlichkeit, in dem unter anderem von mangelhafter Transparenz die Rede war.

Mordkomplott gegen den Papst?

Das bisherige "Highlight" veröffentlichte Ende vergangener Woche die Zeitung "Il Fatto Quottidiano": Die titelte nämlich, es gebe eine Verschwörung gegen den Papst. Dieser werde innerhalb von zwölf Monaten sterben. Der Erzbischof von Palermo, so hieß es da, habe bei einer Chinareise über ein mögliches Attentat gegen Benedikt XVI. gesprochen.

Ein anderer Kardinal hatte davon erfahren und dies dem Papst in einem internen Memorandum gesteckt. "Il-Fatto"-Autor Marco Lillo: "In dem Dokument spricht man von Mordkomplott. Das ist natürlich eine logische Schlussfolgerung von denjenigen, die in China mit dem Erzbischof von Palermo Kardinal Paolo Romeo gesprochen haben."

Romeo, immerhin vorher Nuntius in Italien, hat derartige Äußerungen übrigens bestritten. Der Kommentar von Papstsprecher Lombardi dazu hat für vatikanische Verhältnisse echten Seltenheitswert: "Notizen über ein Mordkomplott gegen den Papst, das sind Wahnvorstellungen, die niemand ernst nehmen kann, der einen Kopf auf dem Hals hat."

Wer gegen wen und warum?

Natürlich darf man den Inhalt dieses Schreibens nicht ernst nehmen. Interessanter ist jedoch zu sehen, wer im Vatikan gerade gegen wen schießt und warum.

Bischof Williamson (Foto: dpa) Großansicht des Bildes Hatte mit seiner Holocaust-Leugnung einen Skandal ausgelöst: Bischof Williamson An den Papst geschickt wurde das Memorandum nämlich von Kardinal Castrillon Hoyos, dem ehemaligen Hauptverhandlungspartner des Vatikans mit der umstrittenen Piusbruderschaft. Nach dem Skandal um den Holocaustleugner Bischof Richard Williamson, war Hoyos' Behörde vom Papst der Glaubenskongregation unterstellt worden und versank damit de facto in der Bedeutungslosigkeit. Und so kann man über die Motive spekulieren, die den Kardinal zu diesem Schritt veranlassten, das Schreiben weiterzuleiten. Selbst geschrieben hat es Castrillon wohl nicht, der Originaltext war nämlich deutsch. Franca Giansoldati, Vatikanberichterstatterin der Zeitung "Il Messaggero" weist aber noch auf etwas anderes hin: "Es ist nicht zu übersehen, dass es in der Kurie keine feste Hand gibt, die das Steuerrad hält."

Schuld ist der zweite Mann

Da ganz klar ist, dass es recht schnell heißen kann, Benedikt XVI. habe seinen Laden nicht im Griff, wird so das eigentliche Ziel der zahlreichen Indiskretionen deutlich: die Nummer zwei nach dem Papst, Kardinalstaatssekretär Bertone. Dass dessen Kompetenz angezweifelt wird, ist allerdings nicht neu. Schon der ehemalige Deutschlandchef von Radio Vatikan, Pater Eberhard von Gemmingen, sprach vor zweieinhalb Jahren Klartext: "Das liegt auch daran, dass der Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone eigentlich für dieses Amt des zweiten Manns im Vatikan nicht besonders geeignet ist. Er ist vielleicht ein ganz guter Seelsorger, aber als Verwalter ist er nicht das Richtige."

Ansehen der Kirche nimmt Schaden

Auf hochdeutsch: absolut unfähig. Selbst Kardinal Walter Kaspar sagte in einem Zeitungsinterview, möglicherweise sollten die Indiskretionen Bertone schaden, auf jeden Fall beschädigten diese das Ansehen der Kirche.

Das sieht auch Vatikanspezialistin Franca Giansoldati so: "Es ist doch eindeutig, dass das Ansehen der Kirche absolut leidet. Da entsteht der Eindruck, es gehe zu wie am Hof der Borgias, dass da korruptes Gesindel am Werk ist, eine Gangsterbande, auch wenn das natürlich überhaupt nicht stimmt."

Immerhin hat ihr zufolge jetzt die vatikanische Gendarmerie eine Untersuchung eingeleitet. Sie will herausfinden, wer die vertraulichen Dokumente nach außen gegeben hat. Mal sehen, ob das irgendwann herauskommt.

http://www.tagesschau.de/ausland/vatileaks100.html

Zuletzt geändert am 16­.02.2012