2.3.2012 - Süddeutsche Zeitung
Katholische Gärungsprozesse
Von Andreas Roß
München – In der katholischen Kirche im Freistaat gärt es derzeit gewaltig. Im Bistum Augsburg werden am Sonntag zahlreiche Gläubige nach dem Gottesdienst ihre Kirche umarmen, um so gegen die von Bischof Konrad Zdarsa angekündigte Zusammenlegung von Pfarreien zu protestieren. Bis am Donnerstagnachmittag hatten bereits 86 Pfarreien ihre Bereitschaft zum öffentlichen Protest kundgetan. Auch im Erzbistum München und Freising hat Kardinal Reinhard Marx Ärger mit den Laien in der Kirche, weil die sich mit ihren Wünschen und Anliegen vom Bischof nicht ausreichend verstanden und gewürdigt fühlen. Und im Bistum Passau hat es zum ersten Mal eine Kontaktaufnahme von Priestern mit der österreichischen Pfarrerinitiative „Aufruf zum Ungehorsam“ gegeben, der im Nachbarland inzwischen 400 Priester angehören. Ein Vorgang, der auch das Interesse von Pfarrern anderer bayerischer Bistümer geweckt hat, weshalb es möglicherweise schon bald zu weiteren Veranstaltungen mit den Österreichern kommen wird. Und nun hat sich auch noch die Freisinger Bischofskonferenz Ärger mit der katholischen Jugend in Bayern eingehandelt. Grund ist ein Beschluss der Konferenz, die vor einem Jahr eingerichtete Fachstelle Prävention sexueller Gewalt, die bei der Landesstelle für katholische Jugendarbeit in München angesiedelt war, wieder zu streichen. Als Begründung wurde angeführt, dass die sieben Diözesen sich künftig selbst um die Präventionsarbeit kümmern wollten.
Die Delegierten der BDKJ-Landesversammlung zeigten sich jedenfalls „empört und enttäuscht“ über die Entscheidung der Bischofskonferenz. „Es entsteht der Eindruck, dass die Bischöfe jetzt, da das Thema Missbrauch in der katholischen Kirche nicht mehr so stark im Fokus der Öffentlichkeit steht, kein Interesse mehr daran haben, effiziente Präventionsarbeit zu leisten“, sagte die Bamberger BDKJ-Diözesanvorsitzende Tina Muck. Bernhard Kellner, der Sprecher der Freisinger Bischofskonferenz, widerspricht diesem Vorwurf vehement: „Die Streichung der Fachstelle bedeutet nicht, dass wir das Thema Prävention sexueller Missbrauch nicht mehr ernst nehmen.“ Das Gegenteil sei richtig, erklärte Kellner. Die Bischöfe hätten eigene Präventionsbeauftragte auf diözesaner Ebene bestellt, die auch miteinander vernetzt seien. „Das läuft gut, und im Übrigen ist die Präventionsarbeit keine exklusive Angelegenheit der katholischen Jugend“, betonte der Sprecher.
Die mit einer Vollzeitkraft (Sozialpädagogin) und einer Halbtagssekretärin ausgestattete Fachstelle war im März 2011 eingerichtet worden – vorerst befristet auf ein Jahr und mit 87 000 Euro von den Bischöfen finanziert. Nach Auskunft von Claudia Junker-Kübert, der Landeschefin des BDKJ, sei die Arbeit gut angelaufen. „Wir konnten viele Dinge anstoßen, die wir jetzt verstetigen wollten.“ Die Fachstelle sei eine sinnvolle und notwendige Ergänzung zu den Angeboten der Diözesen gewesen. „Aber vielleicht waren wir zu blauäugig“, sagt Claudia Junker-Kübert.
Zuletzt geändert am 02.03.2012