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Veröffentlicht am 24­.05.2012

23. Mai 2012 an Bischof Dr. Müller

"parasitäre Existenzen"

Der Regensburger Bischof, Gerhard Ludwig Müller, beschuldigte die Veranstalter des alternativen Katholikentages in Mannheim "parasitäre Existenzen" zu sein, weil sie quasi im Windschatten des Katholikentages Veranstaltungen angeboten hatten, die großen Zulauf hatten und gute Presse bekamen. Drauf antwortet der Religionapädagoge Norbert Scholl mit nachstehendem Brief.

Exzellenz,
Hochwürdigster Herr Bischof Prof. Dr. Dr. h.c.mult. Müller!

Mit Erstaunen habe ich davon Kenntnis genommen, dass Sie die Reformgruppen in der römisch-katholischen Kirche als eine „parasitäre Existenzform“ bezeichnet haben. Parasiten betreiben lt. Wikipedia ihren „Ressourcenerwerb mittels eines in der Regel erheblich größeren Organismus einer anderen Art“. Link

Da ich mit den „Reformgruppen“ sympathisiere, fühle ich mich von Ihren Worten angesprochen. Mir kam bei Ihren bemerkenswerten Ausführungen, die inzwischen von vielen Seiten – vermutlich auch von den Piusbrüdern – würdigend kommentiert wurden, in den Sinn, dass sie eigentlich auch auf die deutschen Bischöfe zutreffen. Denn Sie und Ihre Mitbrüder im bischöflichen Amt erhalten ihre „Ressourcen“ nicht von der Kirche, sondern von einem „erheblich größeren Organismus“, vom Staat. Dabei handelt es sich nicht um Peanuts. Ungefähr 8.000 Euro sind es im Monat, Erzbischöfe oder Kardinäle bekommen bis zu 12.000 Euro. Sie verfügen über ein Dienstfahrzeug (meist BMW – bei Bedarf mit getönten Scheiben und Standarte, wie beim Bischof von Limburg - oder Mercedes mit Chauffeur). Das ist noch nicht alles: Die Bundesländer - mit Ausnahme des Stadtstaates Bremen - bezahlen in der Regel auch noch Weihbischöfe, Kanoniker, Domkapitulare und Dom-Mesner. So zahlte das Bundesland Bayern im Jahr 2000 für derartige Zwecke die stolze Summe von rund 121 Millionen DM (62 Millionen Euro) allein an die sieben Bistümer im Freistaat – von den „Jahresrenten für 7 Bischöfe/Erzbischöfe" und „60 Kanoniker" über „Dienstentschädigungen für 7 bischöfliche Sekretäre" und „Einkommensergänzungen der 15 Leiter und 33 Erzieher an den bischöflichen Priester- und Knabenseminaren" bis hin zu den „Beiträgen zum Sachbedarf der Domkirchen" (Carsten Frerk, Finanzen und Vermögen der Kirchen, Aschaffenburg 2002, 104). 10 Jahre später hat sich daran nichts geändert“ Link.

Aber vermutlich haben Sie daran nicht gedacht und Ihre Aussage als Bischof der römisch-katholischen Kirche anders gemeint. Sie wollten sicher sagen: Die Reformgruppen sind „parasitär“, weil sie wie wir, die Bischöfe, zu einem „erheblich größeren Organismus“, zu dem einen Leib Christi gehören, an dem es verschiedene Glieder gibt und verschiedene Aufgaben (1 Kor 12,12-28). Die Reformgruppen sind, wie wir Bischöfe, „Reben“ an dem einen Weinstock (Joh 15,4 f.). Auch das Bild von den aufgepflanzten Zweigen am edlen Ölbaum mit der Warnung, nicht überheblich zu werden, kam mir in den Sinn (Röm 11,13-24, v.a. 20).

Da stimme ich Ihnen gerne zu: Bischöfe und Reformgruppen, Sie und ich, sind „Parasiten“, Parasiten am Leib Christi und am Weinstock des Herrn und am Ölbaum Israel. Dort liegen unsere gemeinsamen „Ressourcen“. Und deshalb möchte ich Ihnen für Ihre Worte ausdrücklich Dank sagen.

Ich grüße Sie

als (um Ihre Wortwahl zu benutzen) Ihre Ko-„parasitäre Existenzform“

Norbert Scholl






Bischof Müller attackiert Reformgruppen

Mannheim (dpa) - Der Gastgeber des nächsten Katholikentages 2014, der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, hat die Reformgruppen in der katholischen Kirche attackiert. «Es ist die Frage, ob die sogenannten Reformgruppen wirklich solche sind», sagte er der Nachrichtenagentur dpa in einem Gespräch über seine Pläne. Diese Gruppen bekämen nichts zustande und hängten sich an große Veranstaltungen an. Sie seien eine «parasitäre Existenzform».

Das Interview hat Silke Uertz für dpa geführt:

Herr Bischof Müller, welche Pläne haben Sie für den Katholikentag in Regensburg?

Bischof Müller: «Dort wird die Nähe zu Tschechien ein besonderer Akzent sein. Wir werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu unserem Nachbarland, dem wir seit 1200 Jahren geistlich, kirchlich und kulturell verbunden sind, herausarbeiten. Außerdem wollen wir die Ökumene stärker in den Blick nehmen, sowohl zwischen Katholiken und Protestanten wie auch zu den Orthodoxen.»

Wie werden Sie dort mit Reformgruppen umgehen?

Bischof Müller: «Die Reformgruppe sind wir selbst, Reform stecken wir uns an den Hut. Unter Reform verstehe ich Erneuerung aus der Kirche heraus. Es ist die Frage, ob die sogenannten Reformgruppen wirklich solche sind. Es kann nicht sein, dass Leute, die von sich aus nichts zustande bringen, sich an die großen Veranstaltungen dranhängen und eine parasitäre Existenzform bringen. Aus ihren eigenen Kräften heraus müssen sie ihre Aktionen machen, die nicht nur destruktiv sein dürfen. Nur dagegen zu sein, Vertreter der Laien zu sein, aber nie in einem Pfarrgemeinderat mitgewirkt zu haben, das geht nicht.»

Beim Katholikentag in Mannheim wurde der Ruf nach Reformen immer lauter. Müsste die Kirche nicht analog zum Zweiten Vatikanischen Konzil frischen Wind wehen lassen?

Bischof Müller: «Es ist die Frage, was man darunter versteht. Wenn das die bekannten Themen sind - damit kann man die Kirche nicht erneuern. Es geht nicht darum, dass wir gesellschaftskonform sind, sondern wir müssen evangeliumskonform sein. Durch Applaus oder Phonstärke darf kein Druck ausgeübt werden. Es laufen auch keine Leute weg. Die Zugehörigkeit zur Kirche ist heilsnotwendig, wir haben sie nicht gestiftet, sie ist auch nicht das Eigentum der Bischöfe. 25 Millionen Menschen in Deutschland sind katholisch, die treten nicht aus wegen des Missbrauchsskandals, von 20 000 Missbrauchverurteilungen 2012 war nicht ein Priester dabei. Wenn von uns jemand so etwas tut, dann ist das natürlich verheerend.»

http://www.tvaktuell.com/default.aspx?ID=11659&showNews=1163581

Zuletzt geändert am 04­.07.2012