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Veröffentlicht am 04­.10.2012

4.10.2012 - Süddeutsche Zeitung (Seite 1)

Wer kann, wer will, wer darf

Die katholische Kirche sucht in Deutschland viele neue Bischöfe

Zum Tag der Deutschen Einheit ist Joachim Wanke im Thüringer Landtag schon als Altbischof von Erfurt aufgetreten, ein kleiner, lebhafter Mann mit ungehorsamem Haarkranz – und hat gezeigt, warum er nicht nur den Katholiken im Land fehlen wird. Er hat von Toleranz geredet und von der Versuchung des Fundamentalismus, er hat die Mehrheit der Nichtchristen angesprochen, ohne sie zu vereinnahmen. Bischof Wanke ist am Montag zurückgetreten, mit 71 Jahren, das kranke Herz macht nicht mehr mit. Zugleich nahm Papst Benedikt auch den Rücktritt des 77-jährigen Passauer Bischofs Wilhelm Schraml an. Damit sind nun vier der 27 Bischofssitze im katholischen Deutschland vakant: Auch Dresdens Bischof Joachim Reinelt ist im Ruhestand, und Regensburgs Gerhard Ludwig Müller ist Präfekt der Glaubenskongregation in Rom.

Es sind die Boten eines Generationswechsels. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner wird zu Weihnachten 79 Jahre alt – Kardinäle gehen in der Regel mit 80 in den Ruhestand. Weiter rheinaufwärts ist der Mainzer Kardinal und ehemalige Vorsitzende der Bischofskonferenz, Karl Lehmann, zwar „erst“ 76, aber gesundheitlich angeschlagen. Sein Nachfolger im Vorsitz der Konferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, erreicht 2013 die Altersgrenze für Bischöfe: Er wird dann 75. Auch Hamburgs Erzbischof Werner Thissen ist mittlerweile 71 Jahre alt.

Lehmann und Zollitsch, Thissen und Wanke – das ist die Generation derer, die aus der Aufbruchstimmung des Zweiten Vatikanischen Konzils heraus Priester wurden. In drei, vier Jahren wird sie abgetreten sein. Wer folgt, ist schwer abzusehen. Wechselt der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck – jung, konservativ, agil – nach Köln? Der so glaubensstrenge wie charmante Papst-Sekretär Georg Gänswein nach Freiburg? Und Wilhelm Imkamp, der Wallfahrtsdirektor aus Maria Vesperbild mit Spaß am Glamourösen, nach Regensburg, wie das die Kreise um Gloria von Thurn und Taxis wünschen?

Übergangszeiten sind Zeiten fröhlicher Spekulation, besonders in der katholischen Kirche: Das Verfahren zur Bischofswahl ist undurchsichtig, in Bayern kann der Papst sogar einen Neuen ernennen, ohne dass, wie anderswo, das Domkapitel mitwirken kann. Dass nun durchgehend Konservative Bischof werden, ist aber unwahrscheinlich – es gibt auch Namen, die nicht in das Klischee passen: Eichstätts Bischof Gregor Maria Hanke könnte ein größeres Bistum bekommen, die Weihbischöfe Anton Losinger (Augsburg) oder Wolfgang Bischof (München) genauso aufrücken wie der Leiter des katholischen Büros in Bayern, Lorenz Wolf. Dass allerdings nun überwiegend Reformer zum Zuge kommen, ist noch weniger wahrscheinlich.

Manchmal übrigens spielen solche Schemata eine geringere Rolle, als man denkt: Man ist in Rom froh, wenn es überhaupt geeignete Kandidaten gibt. Die Priesterschaft altert, junge Geistliche mit der Befähigung zu Leitung und öffentlichem Auftritt fehlen. Mancher Weihbischof und mancher Professor bleibt lieber, wo er ist, statt die Mühen des Amtes auf sich zu nehmen. Die katholische Kirche hat ein Eliteproblem: Wer herausragt, will nur noch selten Priester werden – oder gar Bischof.

MATTHIAS DROBINSKI

http://www.sueddeutsche.de/j5V38K/876710/Wer-kann-wer-will-wer-darf.html

Zuletzt geändert am 05­.10.2012