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Veröffentlicht am 26­.04.2013

26.4.2013 - Publik-Forum

Zweierlei Mysterium

Der Eucharistische Kongress in Köln: Wie er von den Bischöfen geplant ist – und wie er im Sinn des Papstes sein müsste

von Norbert Scholl

Man reibt sich verwundert, ja erschüttert die Augen. Da steht nun also ein kirchliches Großereignis ins Haus: der Eucharistische Kongress in Köln vom 5. bis 9. Juni. Kardinal Joachim Meisner hat eingeladen und viele, viele sollen an den Rhein kommen. Wie beim Weltjugendtag 2005. Da waren es »über 10 000 Geistliche« und »800 000 registrierte Pilger aus 193 Ländern«.

Ein Lenkungsausschuss hat alles aufs Trefflichste vorbereitet. Ihm gehören nur Erzbischöfe an, keine »Laien«, keine Frauen und natürlich erst recht keine Protestanten. Das Motto der Veranstaltung lautet: »Herr, zu wem sollen wir gehen?« Deshalb werde dieser Mammut-Event die »Orientierungslosigkeit vieler Menschen in der heutigen Zeit aufgreifen« und ihnen eine Antwort geben, heißt es im Programm. Denn »das Wort, das weiterhilft«, könne nur vom »Sohn Gottes« kommen. Dazu »schenkt uns die Heilige Schrift ein klares, hilfreiches, tröstliches Glaubensbekenntnis«.

Geboten werden: ein Jugendfestival, ein geistliches Programm, ein Kulturprogramm und ein theologisches Forum. »Jugendkatechesen mit Bischöfen« gibt es am Samstag (der Bischof wird einen Monolog halten, die Jugend wird schweigen). »Rund um die Uhr wird die Möglichkeit zur eucharistischen Anbetung bestehen. Dabei gibt es sowohl die Gelegenheit, dem eucharistischen Herrn in der Stille des Herzens zu begegnen als auch die Unterstützung durch musikalische und textliche Impulse.«

Dieses von den katholischen Bischöfen veranstaltete »große Fest des Glaubens« hat nichts mehr mit dem zu tun, was damals beim Abendmahl in Jerusalem, wenige Stunden vor dem gewaltsamen Tod Jesu, geschah. Vom gemeinsamen Essen und Trinken ist im Programm nirgends die Rede. Wohl aber vom »Mysterium der Heiligen Eucharistie«, vom »wunderbaren Geheimnis«, vom »Einsetzen des Opfers seines Leibes und Blutes«. Damit wird dem Abendmahl das Packende und Bedrängende genommen. Es ist nicht mehr die »gefährliche Erinnerung an sein Leiden und Sterben«, wie dies der Theologe Johann B. Metz einmal formulierte, nicht mehr das »Gedächtnis des Todes und der Auferstehung Jesu«. Es wird »entweltlicht« und mystifiziert.

Gemeinsames Essen und Trinken aus dem einen Becher hat hier keinen Platz. Das wäre zu »profan«. Darum Anbetung und Begegnung mit »dem eucharistischen Herrn in der Stille des eigenen Herzens«. Und zum Abschluss ein großes Mysterienspektakel: ein »Pontifikalamt«, auf einem erhöhten Podest mit einem Baldachin darüber, die Zelebranten in prunkvollen Gewändern, feierlich auf- und abschreitend, immer wieder reichlich beweihräuchert, herniederblickend auf die »Christenschar«, die unten demütig ausharrt, bis sie »von oben herab« das »Sakrament des Altares« gespendet bekommt.

Vielleicht sollte sich der »Lenkungsausschuss« mit den vielen hochwürdigsten Exzellenzen und Eminenzen einmal die Frage stellen, ob sie den ganzen Kongress nicht besser im Stil und in der Denkweise von Papst Franziskus gestalten sollte. Dieser hat dazu aufgerufen, auf die Menschen zuzugehen und ihr Alltagsleben zu erreichen, auch in »Randgebieten« und an der »existenziellen Peripherie« präsent zu sein, wo Leiden, Blutvergießen und Blindheit herrschen. Der Papst hat die Bischöfe und Priester ermahnt, sie sollten wieder »mehr Hirten sein, sich unter die Schafe mischen und den Geruch der Schafe annehmen«.

Nimmt man diese Worte ernst, bräuchte es doch eher einen anderen Kongress:

mit Gesprächskreisen auf Augenhöhe zwischen »Klerikern« und »Laien« über Glauben und Zweifel, über Schuld und Versagen, über Hoffnung und Vertrauen, über die Zukunft der Kirche und der Menschen;

mit einer Feier der »Eucharistie der Armen« (Bischof Hélder Câmara) an den Rändern der Gesellschaft, in Gefängnissen und Obdachlosenquartieren, in Pflegeheimen und Hospizen, in Asylantenunterkünften und Frauenhäusern;

mit gemeinsamen Mahlzeiten und Eintopfessen für Bischöfe, Priester und »Laien«;

und zum Abschluss mit einem großen fröhlichen Festmahl mit Brot und Traubensaft, mit Musik und Tanz vor dem Dom und auf anderen Plätzen, zu dem alle geladen sind von den »Straßen und Gassen der Stadt, die Armen und Krüppel und Blinden und Lahmen«, die Protestanten, Juden und Muslime, die wiederverheirateten Geschiedenen, die Lesben und Schwulen, die aus der Kirche Ausgetretenen und Ausgestoßen, die Atheisten und die Piusbrüder. Und die Bischöfe mitten darunter. Sie alle sollen teilhaben an diesem Fest, weil Jesus das »wahre Brot« ist, das »der Welt das Leben gibt«. – Man darf ja mal träumen.

Norbert Scholl, geboren 1931, emeritierter Professor für katholische Theologie und Religionspädagogik, lebt in Wilhelmsfeld. Er ist Autor zahlreicher Bücher zu Theologie, Bibel und Kirche. Gewitterstimmung über Köln: Wie viel Ärger macht der geplante Eucharistische Kongress jetzt schon?

Zuletzt geändert am 09­.05.2013