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Veröffentlicht am 06­.02.2014

6.2.2014 Aus: Christ & Welt Ausgabe 07/2014 - 6. Februar 2014

Geistliche Geisterstunden

Joachim Kardinal Meisner schließt von der Lendenleistung auf die Glaubensstärke, Franz-Peter Tebartz-van Elst liefert in Limburg gespenstische Szenen: Was ist bloß los mit dem konservativ-katholischen Lager?

Der Karneval ist vorbei“, soll der frisch gewählte Papst in der Umkleidekammer des Vatikans gesagt haben, als er rote Schühchen und plüschige Stolen im Schrank beließ. Franziskus irrte. Der Karneval hat gerade erst angefangen, zumindest in Deutschland. Die komischsten Rollen sind ausgerechnet mit denjenigen besetzt, die den Glauben ernsthafter und erhabener zu verteidigen wähnen als alle anderen: Es sind Protagonisten des konservativ-katholischen Lagers, die gerade sich und ihre Kirche lächerlich machen.

Da war zum Beispiel in der vergangenen Woche der Erzbischof von Köln mit seiner demografischen Hochrechnung: „Eine Familie von euch ersetzt mir drei muslimische Familien.“ Mit der Gruppenbeschreibung „von euch“ meinte der Redner die Familien des Neokatechumenalen Wegs, die ihn eingeladen hatten. Diese Bewegung verbindet linksdrehende liturgische Einfälle (ein schlichter Tisch genügt als Altar) mit rechten Überwältigungselementen („Gott, ich brenne für Dich schon am Frühstückstisch“).

Im Saal wurde der Ausspruch mit freundlichen Lachern quittiert, außerhalb des Saals war erst einmal niemand amüsiert: Muslimische Verbände protestierten, die Kommentarlage fiel für das Erzbistum Köln noch verheerender aus als damals für Jürgen Rüttgers nach seinem Kinder-statt-Inder-Spruch. Schließlich bat Joachim Kardinal Meisner öffentlich um Entschuldigung. Ein Teil des Publikums lächelte milde: Ja, ja, der Gottesmann ist eben mit seinen 80 Jahren auch nicht mehr der Geistesgegenwärtigste.

Eine kleine Nachbetrachtung seiner Gedanken zu Glaube und Familie lohnt dennoch: Es gibt offenbar einen katholischen Flügel, der sogar beim gemütlichen Beisammensein etwas vom Kampf der Kulturen hören will. Und dieser Kampf wird angeblich im Wochenbett entschieden. Die Lendenleistung steht in einem direkt proportionalen Verhältnis zur Glaubensstärke. Wer tiefer glaubt, zeugt und gebiert mit höherer Frequenz.

Kann jemand solche Würdenträger-Weisheiten überhaupt ernst nehmen? Man muss konservativ-katholische Positionen zu Ehe und Familie nicht teilen, aber es gab eine Zeit, als sie im öffentlichen Diskurs zumindest satisfaktionsfähig waren. Inzwischen scheinen sie bei einer skurrilen Ökumene aus Theologie und Biologie angekommen. Dieser Katholizismus wird auf dem Beckenboden verteidigt.

Die Aufregung um die Aufrechnung der Reproduktionsfreude im interreligiösen Vergleich war gerade abgeklungen, da machte eine weitere Galionsfigur des konservativen Lagers auf sich aufmerksam: Franz-Peter Tebartz-van Elst. Er weilt regelmäßig zu Kurzbesuchen in Limburg, feiert Gottesdienste in der Hauskapelle und bewohnt die auf seine individuellen Bedürfnisse abgestimmten Räume.

Er ist wieder da!, schrillt es aus allen medial verfügbaren Kanälen. Und das, bevor der offizielle Untersuchungsbericht der Deutschen Bischofskonferenz zu den Vorgängen rund um den Hausbau auf dem Domberg da ist. Wer sich der katholischen Kirche nicht innigst verbunden fühlt und weint, kann die Geisterstunden dieses Geistlichen nur noch lächerlich finden. Es ist eine schräge Soap, für die der Hauptdarsteller immer neue Cliffhanger erfindet. Die anderen Bischöfe schweigen und lassen sich damit zu Komparsen degradieren.

Nur mal angenommen, der Aus- oder Teilzeit-Bischof von Limburg will doch nicht bloß spielen, sondern er meint etwas an dieser Performance ernst: Was könnte das Bewahrenswerte sein, das ihn am Amt festhalten lässt? Was verteidigt das konservativ-katholische Lager, das sich hinter ihn schart, eigentlich dort auf dem Domberg? Dass ein Bischof von ganz oben eingesetzt ist und nicht dem Druck der Straße weicht? Dass diesen Katholizismus in seinem Lauf weder eine Kommission der Deutschen Bischofskonferenz noch die Medienmeute aufhalten kann? Oder dass das Licht der Wahrheit für einen Bischof so dimmbar ist wie ein Designer-Lampenensemble?

Franz-Peter Tebartz-van Elst wirkt schmächtig, doch er denkt mindestens so großformatig wie der Kardinal in Köln zu seinen mächtigsten Zeiten. Der Chef der kleinen Diözese an der Lahn hat es zum Beispiel geschafft, dass sich der Papst intensiv mit ihm befassen muss. Der Limburger ist für die einen zwar zur Witzfigur geworden, für andere aber zur Symbolgestalt. Er versammelt Getreue hinter sich, in Deutschland wie im Vatikan. Die Titelstarken unter ihnen, etwa der Präfekt der Glaubenskongregation, Bald-Kardinal Gerhard Ludwig Müller, haben ihn bisher allerdings nicht in der Sache unterstützt; sie halten zu ihm, weil sie in Bischof Franz-Peter eine von den Medien gejagte Person sehen. Sich verfolgt Wähnende, Enttäuschte und Irritierte hoffen darauf, dass wenigstens diese deutsche Burg eine feste sein möge und nicht vom Medienmainstream niedergerissen wird.

Viele der wenigen Tebartz-Unterstützer fanden das Leben unter Benedikt XVI. angenehmer. Man raunte die Worte „Relativismus“ und „Entweltlichung“, das reichte, um wie ein treuer Gefolgsmann auszusehen. Aus diesem Lager kam regelmäßig die Forderung an die CDU, das C abzugeben, weil die Partei ihren konservativen Kern verloren habe. Jede kirchliche Familienbildungsstätte, die eine Klangschalenmeditation anbot, musste aus der Anti-Relativismus-Ecke mit der inquisitorischen Frage rechnen: „Was soll daran katholisch sein?“

Jetzt, nach den Worten von Köln und den Taten in Limburg, wird sichtbar: Diese selbst ernannten Hüter der katholischen Tradition verwalten eine leere Hülle. Drum herum wabert Selbstgewebtes aus Macht und Moral, eigenem Autoritätsanspruch und Angst der anderen. Aber unter der Hülle ist – nichts. Nicht einmal Gehorsam gegenüber dem neuen Papst bleibt übrig. Denn Franziskus dürfte das mit der Auszeit für den Bischof von Limburg nicht gespenstisch gemeint haben, sondern ganz konkret.

Der eine Protagonist des rechten Glaubens verabschiedet sich bald vom Kölner Bischofsstuhl; der andere will Franziskus seinen Abschied nicht anbieten. Er wird jedoch bei ernsthafter Betrachtung wohl nicht dauerhaft in seiner Residenz bleiben können. Das konservativ-katholische Milieu klammert sich an ehemalige Päpste und Noch-Bischöfe, an Gene und Gesinnung. Dabei ist Kirche vor allem irgendwas mit Gott und irgendwas mit Menschen.

Im Gerassel um Amt und Würden ist dieser Gott den Deutschen in den vergangenen Jahrzehnten messbar abhandengekommen. Die selbst ernannten Bewahrer haben nichts Wesentliches bewahrt. Ihr Karneval löst nur noch den einen Reflex aus: Gott bewahre!

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Zuletzt geändert am 06­.02.2014