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Veröffentlicht am 27­.05.2014

27.5.2014 - Mittelbayerische Zeitung

Kardinal Marx gegen schnellere Reformen

Papst Franziskus hat Aufbruchstimmung in der Kirche erzeugt. Das wird auch beim Katholikentag zu spüren sein. Doch Reformer werden ungeduldig. Kardinal Reinhard Marx ist Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.

Von Bernward Loheide, dpa

München. Kardinal Reinhard Marx hat sich gegen einen deutschen Sonderweg im kirchlichen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen ausgesprochen. Dieses Thema müsse auf weltkirchlicher Ebene beraten und entschieden werden, sagte der Münchner Erzbischof in einem Interview vor Beginn des Katholikentags. „Wir können ja nicht einfach sagen: Wir in Deutschland machen mal etwas ganz anderes, und nach unseren Vorstellungen läuft das jetzt ab.“ Papst Franziskus habe eine breite Diskussion über Fragen der Ehe und Familie angestoßen. Der Katholikentag in Regensburg biete dafür eine gute Gelegenheit, betonte Marx, der Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist.

Der Katholikentag wird über die Schwangerenkonfliktberatung diskutieren, aus der die Kirche 1999 ausgestiegen war. Die Mitarbeiter von „Donum Vitae“, die schwangere Frauen beraten, sollen nicht länger ausgegrenzt werden. Sehen Sie darin ein Problem?

Das ist eine Verantwortung der Bischöfe vor Ort. Ich sehe da eigentlich im Moment keinen Handlungsbedarf. Für das Erzbistum München und Freising kann ich das jedenfalls sagen.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken hält eine Segnung wiederverheirateter Geschiedener für möglich. Sie auch?

Wir haben ja gerade eine Diskussion auf weltkirchlicher Ebene angefangen, was es bedeutet, wenn eine Ehe, die unauflöslich bleibt, scheitert und eine neue Verbindung eingegangen wird. Das ist theologisch keine einfache Frage, die man so nebenbei beantworten kann. Wir haben zwei Bischofssynoden vor uns, dabei geht es grundsätzlich um die Frage von Ehe und Familie, nicht nur um Scheidung. Wir fangen doch nicht immer mit dem Negativen an oder dem, was nicht so gut gelingt, sondern mit dem, was die Kirche zu Ehe und Familie zu sagen hat.

Können die Bistümer das auch in eigenen Synoden entscheiden?

Der Papst hat hier eine weltkirchliche Frage auf die Tagesordnung gesetzt. Das ist doch ein Riesenschritt, dass wir so weit gekommen sind, in einer offenen Gesprächsatmosphäre dieses Thema anzugehen. Wir können ja nicht einfach sagen: Wir in Deutschland machen mal etwas ganz anderes, und nach unseren Vorstellungen läuft das jetzt ab.

Auf dem Katholikentag werden diese Vorstellungen sicher präsentiert.

Das wäre eine wichtige Botschaft, die vom Katholikentag ausgehen könnte: Wir sollten uns als Kirche damit auseinandersetzen, wie Ehe gelingen und unterstützt werden kann! Die auf die Ehe gegründete Familie ist doch ein zentraler Ort der ganzen Gesellschaft. Wie kann die strukturelle Rücksichtslosigkeit in den unterschiedlichen Gesellschaften auf dieser Welt gegenüber Familien überwunden werden? Das ist weiter eine große Aufgabe.

Es scheint sich aber eine Ungeduld breitzumachen: Der neue Papst habe in seinem ersten Jahr zwar viel in Bewegung gebracht, aber bisher wenig konkret geändert.

Das finde ich überhaupt nicht. Der Katholikentag ist eine Botschaft nach außen. Wir haben als Kirche einen Auftrag. Das sollen die Bischöfe und Priester und Laien zusammen machen: das Evangelium verkünden – und nicht um sich selbst kreisen und gegenseitig Forderungen aneinander stellen. Der Katholikentag ist eine Gelegenheit, sich zu begegnen, sich neu auf den Weg zu machen, sich zu vergewissern: Gut, dass wir gemeinsam katholisch sind und dass wir mit allen Menschen guten Willens etwas für eine bessere Welt tun können.

Aber die Ungeduld gibt es, oder?

Ich erlebe in den Pfarreien vor allem eine große Hoffnung. Freilich wollen jetzt wieder einige, dass der Papst alles in die Hand nimmt. Ich bin erstaunt: Vorher wird kritisiert, dass Rom alles bestimmt. Jetzt soll Rom auch wieder alles bestimmen und durchregieren. Das will der Papst aber nicht. Das ist nicht seine Art.

Was will er denn?

Er will eine breite Diskussion und nicht, dass einer bestimmt und alle müssen ihm folgen. Wir sind auf einem synodalen Weg. Das ist neu. Deswegen ist es sehr wichtig, dass sich auch die Theologen und Bischofskonferenzen mit ihren Stellungnahmen daran beteiligen.

Besteht eine Chance, dass der Papst zum Reformationsjubiläum 2017 nach Deutschland kommt?

Darüber gibt es aktuell keine Diskussion. Aber natürlich würden wir uns alle über einen Besuch des Heiligen Vaters freuen, wann auch immer.

Die Bundesregierung will noch vor der Sommerpause Maßnahmen gegen möglichen Sozialmissbrauch durch EU-Ausländer beschließen. „Wer betrügt, fliegt raus“, hatte die CSU das genannt. Wie sehen Sie das?

Natürlich ist Betrug grundsätzlich nicht zu billigen, aber ich will mich an der tagesaktuellen Diskussion um geeignete oder ungeeignete Maßnahmen zur Ausgestaltung der innereuropäischen Freizügigkeit nicht beteiligen. Wichtig ist mir dagegen, dass wir etwas tun für die Flüchtlinge, die da sind, und dass sie menschenwürdig behandelt werden.

Machen Deutschland und die EU denn genug, um das Flüchtlingselend auf dem Mittelmeer zu bekämpfen?

Die europäische Flüchtlingspolitik muss über die sogenannten Dublin-II-Regeln hinaus weiterentwickelt werden. Alles tun, um alle abzuwehren mit allen Mitteln - das geht doch nicht. Europa kann auch nicht alle Probleme in den Flüchtlingsländern lösen. Ich hoffe deshalb, dass jetzt nach der Europawahl an einer gemeinsamen europäischen Einwanderungspolitik gearbeitet wird, mit dem Ziel, die Lasten gut zu verteilen. Es ist für mich klar, dass wir nicht gegen eine geregelte Einwanderung sein können und dass wir mithelfen, dass das Leben in den Ländern, aus denen die Flüchtlinge kommen, besser wird, damit sie auch dort eine Zukunft für sich und ihre Familien finden können.

http://www.mittelbayerische.de/nachrichten/regensburg/katholikentag-2014-ressort/artikel/kardinal-marx-gegen-schnellere-reformen/1068893/kardinal-marx-gegen-schnellere-reformen.html#1068893

Zuletzt geändert am 28­.05.2014