3.7.2014 - Die Welt
Intrigen des Klerus gegen den deutschen Saubermann
Der Heilige Stuhl ein Schleudersitz? Auf den Spitzenposten der Vatikanbank trifft diese Beschreibung jedenfalls zu. Nachdem Ettore Gotti Tedeschi im Mai 2012 nach zweieinhalb Jahren als Präsident des Instituts der Religiösen Werke (IOR) geschasst wurde, steht nun sein Nachfolger Ernst von Freyberg bereits nach 16 Monaten vor dem Absprung.
Es gilt als ausgemacht, dass der Deutsche, der seit Februar 2013 die Geschäfte führt, in der nahen Zukunft ausscheidet. Das IOR lehnte auf Anfrage eine Stellungnahme ab.
Über die Personalie von Freyberg wird seit Tagen spekuliert. Anlass ist die Konferenz der "G 8" diese Woche. Das ist das Gremium der Kardinäle, die Papst Franziskus bei der Reform der Kurie beraten.
Vertreten in der Gruppe sind unter anderem Kardinal George Pell aus Sydney, der für den Umbau des Finanzsystems zuständig ist. Von deutscher Seite ist Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising sowie Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, mit von der Partie.
Ein Tagesordnungspunkt ist die Zukunft der Vatikanbank. Die Rede ist davon, die Rolle des IOR neu zu definieren und die Leitungsebenen neu zu besetzen. Offenbar spielt von Freyberg, 55, in den Überlegungen keine Rolle mehr.
Mehrere Versionen, warum von Freyberg gehen muss
Über die Hintergründe des Abgangs kursieren verschiedene Versionen. Aus dem Umfeld von Freybergs ist zu hören, dass der Deutsche selbst aufhören möchte. Er sehe seine Aufgabe als beendet hat, heißt es.
Von Freyberg säuberte das IOR von schmutzigem Geld, sorgte nach außen hin für Transparenz und schuf Kontrollsysteme nach internationalen Standards. Nun steht die zweite Phase an. Das IOR soll, so ist zu hören, zurechtgestutzt werden. Aus ihm soll ein reiner Zahlungsdienstleister für katholische Orden und ein Vermögensverwalter werden.
Von Freyberg wolle diese Aufgabe nicht angehen, heißt es. Das mag auch familiäre Gründe haben: Er leitete das IOR in Teilzeit, seine Familie wohnte weiterhin in Deutschland. Für die zweite Phase werde aber ein Manager gesucht, der zu 100 Prozent dem IOR zur Verfügung steht, ist zu hören.
"Kommunikationsstörungen" mit dem Heiligen Stuhl
In Teilen der italienischen Presse wird eine weniger freundliche Fassung verbreitet. Demnach soll es zwischen von Freyberg und dem Heiligen Stuhl zu "Kommunikationsstörungen" gekommen sein. Der Prälat bei der Vatikanbank, Monsignore Battista Ricca, soll von Freyberg einen gepfefferten Brief geschrieben haben.
In dem Schreiben beklagte sich Ricca angeblich darüber, nicht ausreichend informiert worden zu sein. Unter anderem sprach der Geistliche ein verlustreiches Engagement der Bank an. Konkret handelt es sich um das Unternehmen Lux Vide von Ettore Bernabei, in das die Vatikanbank 15 Millionen Euro investiert haben soll.
Die Beteiligung datiert wohl aus dem Jahr 2011, soll aber unter der Leitung von Freybergs abgeschrieben worden sein. Dass der Brief Riccas kurz vor der "G 8"-Konferenz an die Presse gelangte, dürfte kein Zufall sein. Es ist anzunehmen, dass es sich um ein gezieltes Manöver gegen von Freyberg handelt.
Papst Benedikt hatte Reformprozess der Vatikanbank angestoßen
Das IOR umwehen seit seiner Gründung im Jahr 1942 dunkle Geschichten. Berühmt ist die Affäre um Roberto Calvi. Als Chef der Banco Ambrosiano verschob er dank seiner guten Beziehungen zum Heiligen Stuhl Gelder für die Vatikanbank. 1982 wurde er unter der Londoner Blackfriars Bridge erhängt aufgefunden.
Papst Benedikt XVI. leitete Ende 2010 den Reformprozess ein, der nun von seinem Nachfolger Papst Franziskus fortgeführt wird. Es wurde eine Aufsichtsbehörde geschaffen und mit dem Schweizer René Brülhart der ehemalige Direktor der Finanzaufsicht Liechtenstein verpflichtet.
Zudem öffnete sich das IOR erstmals den Blicken der Anti-Geldwäsche-Einheit Moneyval des Europarats. Sie erteilte der Vatikanbank in ihrem Prüfbericht im Juli 2012 eine Teilabsolution.
1400 dubiose Kundenbeziehungen wurden beendet
Von Freyberg kann sich zugutehalten, einen maßgeblichen Beitrag zur Erneuerung des IOR geleistet zu haben. Er holte das Beratungsunternehmen Promontory an Bord, das die 19.000 Konten der Bank durchleuchtete.
1400 Beziehungen mit dubiosen Kunden wurden beendet. Ein dickes Handbuch zum Thema Antigeldwäsche wurde geschrieben. Eine Kommunikationsagentur wurde damit beauftragt, den Kontakt zur Presse zu pflegen. Für Journalisten wurden Führungen durch das IOR organisiert. Eine Internetseite wurde eingerichtet.
2013 veröffentlichte das IOR den ersten Geschäftsbericht seiner Geschichte. Die Öffentlichkeit erfuhr so, dass die Vatikanbank ein kleines Finanzinstitut ist, das eher konservativ geführt wird. Ihre Bilanzsumme lag Ende 2012 gerade mal bei fünf Milliarden Euro. Die Deutsche Bank kommt zum Vergleich auf über 2000 Milliarden Euro.
Das Wertpapierportfolio von 3,6 Milliarden Euro wurde hauptsächlich in Staatsanleihen angelegt. Im April 2014 folgte die Belohnung für die Kärrnerarbeit. Papst Franziskus, der zeitweise mit dem Gedanken gespielt hatte, die Vatikanbank zu schließen, sprach in einem Kommuniqué dem IOR eine Existenzgarantie aus. Die Dienstleistungen des Instituts bezeichnete Franziskus als "wichtig" und "wertvoll" für seine Mission.
Wann genau von Freyberg geht, ist noch offen
Von Rückschlägen war von Freyberg bei seinem IOR-Großputz allerdings nicht gefeit. Im Sommer 2013 erschütterte der Skandal um Nunzio Scarano den Vatikan. Nicht das IOR, sondern die Staatsanwaltschaft deckte zuerst die Umtriebe Scaranos auf. Dem Geistlichen wurde unter anderem vorgeworfen, einen Ex-Geheimagenten damit beauftragt zu haben, 20 Millionen Euro Schwarzgeld für eine Reederfamilie von der Schweiz nach Italien zu schmuggeln.
Wegen der Scarano-Affäre mussten IOR-Generaldirektor Paolo Cipriani und dessen Vize Massimo Tulli zurücktreten. Das war peinlich für von Freyberg, der zuvor in einem Interview bezüglich Cipriani und Tulli von einem "guten Team" gesprochen hatte.
Wann genau von Freyberg sich verabschiedet, ist noch unklar. Nächste Woche werden die Eckdaten des Geschäftsberichts für 2013 veröffentlicht. Das wäre jedenfalls eine Gelegenheit für seinen "Addio" (Ital.: "Abschied").
http://www.welt.de/wirtschaft/article129747878/Intrigen-des-Klerus-gegen-den-deutschen-Saubermann.html
Zuletzt geändert am 05.07.2014