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Veröffentlicht am 03­.07.2014

3.7.2014 - Süddeutsche Zeitung

Mehr als nur Heimweh

Vatikanbank-Präsident Ernst von Freyberg gibt sein Amt auf. Beobachter vermuten, dass Konflikte um die Kurien- und Finanzreform hinter dem Rückzug stehen

München – Die einfachste Begründung lautet: Ernst von Freyberg zieht es zurück in die Heimat. Frau und Kleinkind des 55-Jährigen, der erst vor drei Jahren geheiratet hat, leben im schwäbischen Allmendingen. Es gibt Schöneres, als ständig zwischen Rom und dort zu pendeln. Zudem wünschen sie im Vatikan, dass der künftige Manager der Bank auch in Rom wohnen soll. Und ja, das gibt es, dass dann eine Familie sagt: Wir haben keine Lust, uns zu verpflanzen. Auch wenn es das vielleicht zu selten gibt im Wirtschaftsleben. Als Erbe der Hamburger Reederei Blohm + Voss ist Freyberg jedenfalls nicht auf das bisschen Gehalt angewiesen, das die katholische Kirchenzentrale ihren Spitzenleuten zahlt.

Und im Grunde hat der oberste Banker des Papstes seinen Auftrag auch weitgehend erledigt: Das Istituto per le Opere di Religione (IOR) hat alle Konten auf Unregelmäßigkeiten und Geldwäsche überprüft und mehr als 1000 davon geschlossen. Es ist im Begriff ein Geldinstitut zu werden, dass sich an internationale Standards hält. Der zweite Geschäftsbericht ist fast abgeschlossen und soll kurz vor oder nach der italienischen Sommerpause veröffentlicht werden – er wird eine Bilanz der Aktion „Saubere Konten“ enthalten. Dann wird auch Freybergs Amtszeit enden.

Trotzdem glauben in Rom nicht alle, dass allein der Familiensinn Ernst von Freyberg nach Deutschland zieht, nach nur eineinhalb Jahren an der Spitze des IOR. Zu sehr steht der Jurist und Banker im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen um die bevorstehende Reform der Kurie und der skandalgeschüttelten vatikanischen Finanzverwaltung. Freyberg war eine der letzten Personalentscheidungen von Papst Benedikt XVI.; der trat zwei Tage nach Freybergs Amtsantritt zurück. Das nährte den Verdacht, der IOR-Chef gehöre zur alten Benedikt-Truppe, die es nicht geschafft hatte, Missmanagement und Korruption zu beenden. Dass er dann mit Hilfe der externen Wirtschaftsberatung Promotory Group jedes einzelne Konto durchforstete, erschreckte alle, die gehofft hatten, dass sich jenseits der päpstlichen Rhetorik wenig ändern würde. Gegner hat der Mann genug; in Italiens Medien kursierte das Gerücht, er lasse seine Familie aus Sicherheitsgründen in Deutschland.

Die Zeitschrift L’Espresso berichtet, dass sich Freyberg mit Battista Ricca überworfen habe, den Papst Franziskus vor einem Jahr zum Prälaten für das IOR gemacht und damit Freyberg vor die Nase gesetzt hat; der Deutsche habe Ricca wichtige Informationen vorenthalten. Insider halten das für eines der vielen „Der-gegen den“-Gerüchte im Vatikan. Viel eher scheinen hinter den Konflikten unterschiedliche Auffassungen von der Art der Finanzreform zu stehen: Die acht Kardinäle, die den Papst beraten, und der Wirtschaftsrat unter der Leitung des Münchner Kardinals Reinhard Marx streben eine weitgehende Zentralisierung der Finanzverwaltung an. Es soll einen verantwortlichen „Finanzminister“ geben, dem dann auch die Vatikanbank untersteht. Freyberg wünscht sich naheliegender Weise mehr Unabhängigkeit für die Vatikanbank. Bis Freitag tagt noch in Rom der Kardinalsrat; am Samstag trifft sich der Wirtschaftsrat und berät auch über die Zukunft des IOR. Offenbar stehen wichtige Entscheidungen an – kommende Woche werde es dazu Informationen geben, hat Vatikansprecher Federico Lombardi angekündigt. Die Richtung dieser Entscheidungen habe Freybergs Sehnsucht nach der Familie verstärkt, heißt es.

Wie viel Zentralisierung braucht die Kurie in Rom – und wie viel Eigenständigkeit? Müssen Reformen von oben nach unten durchgesetzt werden oder können sie von unten nach oben wachsen? Das scheint die Konfliktfrage der Kurienreform zu sein, die nun in eine entscheidende Phase tritt. „Im Augenblick kann es gar nicht genug Zentralisierung und Verbindlichkeit geben“, sagt ein Insider und klagt über die Doppel- und Dreifachstrukturen in der Kirchenverwaltung, über das Eigenleben der Behörden, über Intrigen, Seilschaften, die Vetternwirtschaft.

Es gibt aber auch besorgte Stimmen: Ab wann wird aus der sinnvollen Zentralisierung eine autoritäre Struktur? Auch im Bereich der Medien und der Kommunikation wird die Schaffung einer zentralen großen Behörde diskutiert – dort also, wo die relative Unabhängigkeit des Osservatore Romano oder von Radio Vatikan bislang für ein bisschen Vielfalt sorgt. „Pellismo“ nennen Vatikan-Mitarbeiter den Trend, Namensgeber ist der australische Kurienkardinal George Pell, der als Präfekt des neuen Wirtschaftsrates für die Zentralisierung steht.

Am Mittwochnachmittag bestätigt Vatikansprecher Lombardi indirekt den bevorstehenden Rückzug Freybergs. Die Bank befinde sich in einem „natürlichen und ruhigen Übergangsprozess“, sagt er, und da werde der Beitrag des IOR-Präsidenten sehr geschätzt. Dieses Lob immerhin wird Ernst von Freyberg mit nach Hause nehmen dürfen.

MATTHIAS DROBINSKI

Zuletzt geändert am 05­.07.2014