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Veröffentlicht am 06­.01.2015

6.1.2015 - Il Fatto quottidiano

Marco Politi: Papst Franziskus gegen die konservative Kirche

"Ich habe mich nicht geändert!"

Dieser Papst, der davon spricht, "die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen" zu beenden, gefällt bestimmten Teilen der Kirche nicht: er scheint ihnen zu marxistisch. Dieser Papst, der nach der 7 Uhr-Messe in Santa Marta in das Selbstbedienungs-Café mit seinem Tablett geht (in der Tat wird zu dieser Zeit das Bedienungspersonal nicht mehr benötigt), gefällt Bischöfen und Kardinälen nicht, die verlangen, dass man die "Sakralität" des Papstamtes erkenne. Dieser Papst, der den Blick der Kirche auf Homosexuelle umkehrt, versetzt einen Teil der Hierarchie in Unruhe. In den USA hat Kardinal Francis George, der ehemalige Erzbischof von Chicago bemerkt: "Ich möchte den Papst fragen, ob er erkennt, was er mit dem Satz ' wer bin ich, um zu beurteilen ..?' angerichtet hat."

Dieser Winter wird für Franziskus und sein Reformprojekt eine harte Jahreszeit. Einer der Anführer des italienischen Traditionalismus, Roberto De Mattei, greift ihn über die Zeitung Il Foglio an: "Das Haupt-Drama unserer Zeit (ist) ein mysteriöser Prozess der Selbstzerstörung der Kirche, der bis zu den letzten Konsequenzen verlaufen wird." De Mattei erhebt gegen jene Geistlichen - offensichtlich der Pro-Bergoglio Partei - ,die entschlossen wären, eine neue Art von Kirche zu errichten, den Vorwurf, "sich einer ständigen Evolution ohne Wahrheit und ohne Dogmen" zu unterwerfen.

Die zweite Runde der Synode über die Familie im Oktober 2015 scheint weit weg, aber sie ist das Ereignis, auf das hin sich alle jene mobilisieren, die die von Kardinal Kasper vorgeschlagenen Neuerungen ablehnen. In Italien gibt es einen Block von Kardinälen, die sich absolut gegen die Gewährung von Kommuniongemeinschaft für wiederverheiratet Geschieden aussprechen. Bedeutende Kardinäle wie Camillo Ruini, der ehemalige Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz, Carlo Caffara, Erzbischof von Bologna, Angelo Scola, der Erzbischof von Mailand. Insbesondere Scola hat in einem Interview eine ungewöhnliche Warnung lanciert: "Ich selbst glaube, dass der Papst sie (die Entscheidung, den Geschiedenen die Kommunion zu reichen, ed) nicht zulassen wird!" Dieser Block, der mit einem Teil der amerikanischen Hierarchie verbunden ist, steht weiterhin zur Überzeugung der nicht verhandelbaren Prinzipien von Benedikt XVI.

In der Tat, zwei Jahre nach der Wahl von Bergoglio ist seine Wählerbasis im Konklave gespalten. Das ist auch in der Zeit von Johannes XXIII. passiert: Die Wähler von Papst Roncalli wollten einen pastoralen Papst, aber hatten nicht erwartet (ja viele waren sogar dagegen), dass er ein Konzil einberufen würde, das sich der modernen Gesellschaft öffnet, statt sich mit Überzeugungen gegen sie zu bewaffnen. Gleiches geschieht zur Zeit mit Franziskus. Ein Teil seiner Wähler hatte eine Straffung der Kurie, die Säuberung in den finanziellen Angelegenheiten des Vatikans, mehr Beratung zwischen dem Papst und den Bischöfen der Welt gefordert. Aber sie waren nicht im mindesten zu der mehrdimensionalen Revolution von Papst Bergoglio bereit: eine Kurie, die keine Hauptrolle mehr spielt, Frauen in Entscheidungspositionen, ein neuer Ansatz in Fragen der Sexualität, uneingeschränkter Dialog mit Nicht-Glaubenden, das Ende der imperialen Kirche, die Reform des Papsttum selbst.

Dramatisch ist in dieser Hinsicht das Schweigen des italienischen Verbandskatholizismus, es wiegt umso schwerer, weil Franziskus die Laien auffordert, aktiv zu werden. Wenn man die Liste der Bewegungen und Vereinigungen anschaut, die den im Jahr 2007 von der italienischen Bischofskonferenz organisierten Tag der Familie mit getragen haben, um das Gesetz der Prodi-Regierung zur Anerkennung faktischer Lebensgemeinschaften zu sabotieren, dann ist es schwer verständlich, dass diese Katholiken jetzt, wo sie frei über Familie, Scheidung, Zusammenleben, Schwangerschaftsabbruch, Sexualität und Rolle der Frau sprechen können, schweigen und sich zurückhalten, ohne eine Position für oder gegen die Reformen von Bergoglio einzunehmen. Franziskus ist sich der schwierigen Zeit bewusst. Vor Weihnachten sagte er in einem Gespräch mit einer Person seines Vertrauens: "Das einzige, worum ich den Herrn bitte, ist, dass diese Änderung, die ich um der Kirche willen mit meiner großen Aufopferung voranbringe, kontinuierlich weiter geht. Und nicht ein Licht sei, das vom einen zum anderen Moment plötzlich wieder erlischt." Privat hat Franziskus verschiedentlich betont: "Im Konklave haben sie gewusst, wen sie gewählt haben. Ich habe nichts dafür getan, gewählt zu werden." Und schließlich stellt der Papst immer wieder fest: "Ich habe mich nicht verändert."

Einige seiner Anhänger glauben, dass es im Hinblick auf die Oktober-Synode notwendig sei, im Voraus eine Kompromisslösung für die wiederverheirateten Geschiedenen zu finden. In der Zwischenzeit bewegt sich Franziskus zwischen den Zeilen. In seinem kürzlichen Interview mit der Journalistin Elisabetta Piquet von der "Nacion" war er sehr vorsichtig. Er hat es vermieden, die Kommuniongemeinschaft für Geschiedene und Wiederverheiratete zu unterstützen und hat das Thema Homosexualität drastisch auf das Problem reduziert, wie man mit homosexuellen Kindern innerhalb der Familie umgehen soll. Das ist natürlich etwas Anderes als die Debatte über homosexuelle Paare, die die letzte Synode erregt hat. Inzwischen arbeitet die Kommission, die er noch vor der ersten Synodensitzung eingerichtet hat, an einer Straffung der Ehe-Nichtigkeitsverfahren.

In der Kurie werden in diesem Jahr zwei Führungspositionen frei: im Dikasterium für die Selig- und Heiligsprechungsverfahren und in dem für Bildung: Hier kann er seine Männer unterbringen. Schließlich, mit der am Sonntag bekannt gegebenen Ernennung der Kardinäle bilden die von ihm Ernannten ein Viertel des Konklave. Europa verliert seine Mehrheit im Wahlgremium. Nur ein Kurienmitarbeiter (der ehemalige Außenminister Mamberti) erhält den Purpur. Kein weiterer US-Amerikaner. Die Italiener sind zwei Persönlichkeiten, die weit entfernt von Machtpositionen sich stark pastoral in der "Peripherie" engagiert haben: Msgr. Menichelli von Ancona und Msgr. Montenegro von Agrigent, der den Papst in Lampedusa begleitet hat. Im übrigen tritt im Kardinalskollegium die Dritte Welt stärker auf: von den Tonga-Inseln bis Vietnam, von Kap Verde nach Birma, von Uruguay bis Neuseeland, von Äthiopien bis Panama.

Übersetzung aus dem Italienischen: Norbert Arntz


http://www.ilfattoquotidiano.it/2015/01/09/papa-francesco-vs-chiesa-conservatrice-non-mi-cambierete/1320909/

Zuletzt geändert am 20­.01.2015