Januar 2016
Sublime Ursachen der Gewalt
Auf der Synode in Rom hat in mutiger Weise der kanadische Erzbischof Paul-André Durocher als einziger angesprochen, dass die Diskriminierung von Frauen in der Kirche dazu beiträgt, die Missachtung und Misshandlung von Frauen in vielerlei Art zu stützen. Gleichzeitig hat er eine Debatte über die Öffnung des Diakonats für Frauen gefordert. Durocher bezeichnete den Diakonat der Frau als notwendiges Zeichen der Gewaltfreiheit gegenüber Frauen.
Papst Johannes Paul II. habe in seinem Schreiben „Familiaris consortio“ darauf gedrungen, dass sich gegen Angriffe auf die Würde der Frauen einzusetzen, erklärt Erzbischof Durocher. „Leider erleiden Frauen noch dreißig Jahre später Diskriminierung und Gewalt durch die Hände von Männern, eingeschlossen ihre Ehegatten. …Die jüngsten Statistiken der Weltgesundheitsorganisation seien erschreckend. „Noch heute sind fast ein Drittel der Frauen auf der Welt Opfer ehelicher Gewalt.“ Durocher forderte, die Synode solle klar zum Ausdruck bringen, „dass eine korrekte Interpretation der Heiligen Schrift niemals die Rechtfertigung der Beherrschung von Frauen durch Männer erlaubt“. Die Bischöfe müssten besonders bekräftigen, dass die neutestamentlichen Aussagen des Apostels Paulus zur Unterwerfung der Frau keinerlei Gewalt begründen dürften. (1)
Es ist verstörend, wenn der spanische Erzbischof von Toledo Braulio Rodriguez am 27. Dezember 2015, dem Fest der Heiligen Familie, zu seiner Gemeinde gesagt haben soll, dass die eigentlichen Ursachen häuslicher Gewalt gegen Frauen deren Ungehorsam gegenüber ihrem Ehemann seien. Frauen könnten physische und wohl auch sexuelle Gewalt vermeiden, wenn sie nicht ungehorsam wären und nicht um Scheidung bitten würden. (2)
Jetzt hat Erzbischof Rodriguez die Vorwürfe entschieden zurückgewiesen, er habe in einer Predigt Ende Dezember Frauen die Schuld gegeben, wenn sie von ihren Männern körperlich misshandelt würden. Rodriguez verurteile zutiefst jede Form häuslicher Gewalt bis hin zur Ermordung von Frauen durch ihre Männer, erklärte ein Sprecher des spanischen Bistums am 15.1.2016 auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Predigt des Erzbischofs vom 27. Dezember sei in den Medien falsch interpretiert und sogar falsch zitiert worden, betonte der Sprecher weiter.
Laut dem vom Erzbistum verbreiteten Predigttext hatte der Erzbischof stattdessen unter anderem Folgendes gesagt: "Die meisten Frauen, die getötet werden, werden von ihren Ehemännern umgebracht, die sie (ihre Frauen) nicht respektieren, und sie verstoßen, weil sie etwa ihre Anweisungen nicht befolgen (...) Oft hat diese vom Machismo herrührende Reaktion ihren Ursprung darin, dass sie (die Frau) die Trennung eingereicht hat. Es ist wunderbar, dass die Frauen, die bedroht werden, das aussprechen, und dass es durch neue Schutzmechanismen die Möglichkeit gibt, ein Verbrechen zu verhindern. Aber das eigentliche, ernste Problem hat seinen Grund darin, dass es bei diesen Eheleuten keine wirkliche Ehe gab." (4)
In der Erklärung der „Indian Theological Association“ (ITA) vom 31. Juli 2015 zur Familien-Synode, eine Erklärung aus einem Subkontinent, der auch sehr von Gewalt gegenüber Frauen geprägt ist, heißt es: „Die Familie ist die Hauskirche. Es besteht die Tendenz, dass sich die positiven und negativen Aspekte der großen Kirche, nämlich der Pfarrei und der Diözese, in der Familie widerspiegeln. Daher ist es wichtig, dass die negativen Aspekte wie die ungleichen und dominierenden Machtverhältnisse in der Kirche nicht in das Leben der Familie eindringen. Die Hauskirche sowie die größere Kirche muss eine Gemeinschaft von gleichberechtigten Jüngern (und Jüngerinnen, C.W.) werden. Dies erfordert unter anderem, dass in der Familie Jungen und Mädchen gleiche Chancen für menschliche und geistliche Entwicklung erhalten und sie mit einem Gefühl der Gleichheit und der Mitverantwortung aufwachsen.“ In der Analyse dazu heißt es: „In Indien ist das Patriarchat nicht nur eine Frage der männlichen Vorherrschaft und männlichen Zentriertheit, es ist ein soziales System der Kontrolle und Herrschaft. Kastenunterdrückung, Bevorzugung von Söhnen, die Tötung weiblicher Föten, Kindestötung, Witwenverbrennungen, häusliche Gewalt, sexueller Missbrauch, Vergewaltigung usw. sind das Ergebnis von Herrschaft und Kontrolle durch Gewalt. Das Patriarchat verewigt und rechtfertigt Gewalt gegen Frauen. Die prominentesten Opfer von Gewalt sind Frauen und Kinder. Es ist in der Tat entmutigend zu hören, dass siebzig Prozent der indischen Frauen Opfer von häuslicher Gewalt sind.“ (3) (Übersetzung und Hervorhebung C.W.)
Nicht nur der Islam, sondern alle Religionen stehen vor der schwierigen Aufgabe, sich mit der offenen Gewalt gegenüber Andersgläubigen, genauso aber mit der sublimen Gewalt innerhalb ihrer eigenen Glaubensgemeinschaft auseinanderzusetzen. Dies mag schwer fallen, ist aber um so notwendiger, als Gewalt im Gegensatz zur verkündeten Botschaft der Religionen steht.
Christian Weisner
(1)
Erzbischof fordert Debatte über Frauendiakonat Kanadischer Erzbischof fordert Synode zum Einsatz für Würde der Frau auf
> katholisch.de 7.10.2015
Blog von Erzbischof Durochet (franz.)
http://chanteetmarche.blogspot.de/2015/10/jour-3-synode.html
Deacons and Synod 2015 Oct 7
https://billditewig.wordpress.com/category/deacons
Interviews mit Erzbischof Durochet (engl.)
> 3 Minuten > 14 Minuten)
(2)
Catholic Archbishop Blames Disobedient Wives For Domestic Violence
http://www.patheos.com/blogs/progressivesecularhumanist/2016/01/catholic-archbishop-blames-disobedient-wives-for-domestic-violence/
(3)
Statement of the "Indian Theological Association": „Marriage and Family Today – an Indian Theological Search” (31.7.2015), vor allem Punkt 44 und 24
http://www.itanet.in/ITA%20Statements2015.html
(4)
Mediale Fehlinterpretation. Spanischer Erzbischof weist Vorwürfe und falsche Zitate zurück
> Domradio 15.01.2016
Spanischer Erzbischof weist Machismo-Vorwürfe zurück
> Die Welt 16.1.2016
"Frauen sollen das tun, was die Männer verlangen"
> Die Welt 14.1.2016
Zuletzt geändert am 19.01.2016