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Veröffentlicht am 10­.12.2023

Tagung und 49. Bundesversammlung

Perspektiven für 2024 und neugewähltes Bundesteam

​Die Unterstützung der Reformagenda des Synodalen Weges in Deutschland, die theologische Weiterarbeit an den zentralen Reformpunkten des "Synthese-Papiers" der Weltsynode 2023 zur Vorbereitung der Weltsynode 2024 in Rom, die Vernetzung mit anderen Reformkräften im In- und Ausland sowie die Beteiligung am Katholikentag 2024 in Erfurt: Das sind die wesentlichen Schwerpunkte der Arbeit der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche für die kommenden zehn Monate.

​In das jetzt wieder sechsköpfige Bundesteam wurden am 9. Dezember 2023 (wieder)gewählt: Sigrid Grabmeier (61, Deggendorf, Bistum Regensburg), Lioba Hochstrat (34, Mönchengladbach, Bistum Aachen, seit 11. Januar 2023 kooptiert), Susanne Ludewig (58, Kassel, Bistum Fulda), Heinrich Mix (77, Hannover, Bistum Hildesheim), Konrad Mundo (69, Berlin, Erzbistum Berlin, neu) und Christian Weisner (72, Dachau, Erzbistum München und Freising).
> Foto des neugewählten Bundesteams

Tagungsteil: 58 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil

„Freude und Hoffnung ...“ war der angesichts der Welt- und Kirchenlage provozierende Titel der Wir sind Kirche-Tagung, die die Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ in den Blick nahm, die am 7. Dezember 1965, also vor genau 58 Jahren veröffentlicht wurde. Hauptreferent am Samstagvormittag war der ehemalige Grazer Pastoraltheologe Prof. Dr. Rainer Bucher. Sein Thema: „Das II. Vatikanum: Mehr als ein Reformkonzil. Seine revolutionäre Spiritualität – und warum wir sie dringend brauchen“.

„Die Machtverhältnisse zwischen Individuum und den ehemals mächtigen Verwaltern der Religion haben sich gedreht“, so begann Bucher seine anschauliche Beschreibung der Rahmenbedingungen von Religion in der Moderne. Der Kern der Glaubwürdigkeitsprobleme der römisch-katholischen Kirche liege im Selbstwiderspruch, wenn die Kirche Menschenrechte in der Gesellschaft eingeklage, intern aber nur defizitär verwirkliche.

Das II. Vatikanische Konzil (1962-65) sieht Bucher als Jahrhundertprojekt, als großen Akt der Traditionsbildung des katholischen Christentums. Es sei notwendig geworden, weil sich die katholische Kirche ab Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend der Verpflichtung verweigert hatte, den Glauben in die liberale Zivilisation der entwickelten Moderne zu inkulturieren. Das Konzil erkannte Religionsfreiheit, Menschenrechte und Ökumenismus als genuine Konsequenzen des Evangeliums an. Die Pastoralkonstitution Gaudium et spes sehe das konkrete solidarische Handeln der Kirche in der Welt von heute als jenen Ort, an dem sich die Präsenz des Evangeliums zeigen und bewähren muss.

Das Konzil nahm daher grundlegende Perspektivenwechsel vor: Barmherzigkeit statt Strafe, der Kampf für die Menschenrechte statt für die Kirchenrechte und der Glaube an den universalen Heilswillen Gottes statt Heilsausschluss der anderen sollten das Handeln der Kirche leiten.

Die Themen des Synodalen Weges sieht Bucher als notwendige nachholende Entwicklung, aber noch nicht als ausreichende Bedingungen für die Zukunft der katholischen Kirche. Es bestehe ein manifestes Defizit an Konkretionsräumen des Christlichen und dies speziell im Bereich der individuellen Glaubenspraktiken.

Hier machte Prof. Bucher vier Vorschläge, die er auch der KirchenVolksBewegung mit auf den Weg gab:

  • Nur als wirkliches, uneingeschränktes Freiheitsprojekt im Horizont von Gottes Gnade ist der Glauben und das Glauben überhaupt christlich zu denken und zu rechtfertigen.
  • Es sind alle Orte und Projekte in der Pastoral zu stärken, die den konkreten Herausforderungen der „Zeichen der Zeit“, den neuen Realitäten der Gegenwart, nicht ausweichen.
  • Die christliche Spiritualität aus allen Jahrhunderten und Traditionen der Christentumsgeschichte und auch der Gegenwart sollte einen viel prominenteren Raum in den alltäglichen Praktiken der Kirche einnehmen.
  • Die Botschaft ist nicht für die Kirche da, sondern die Kirche für ihre Botschaft. Der Solidaritätsimperativ der Pastoralkonstitution Gaudium et spes ist nur zu erfüllen, wenn sich Kirche den neuen Realitäten in einem offenen Prozess des wechselseitigen Lernens aussetzt.

Tagungsteil: 75 Jahre Menschenrechte

Anlässlich des 75. Jahrestages der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen, die am 10. Dezember 1948 verkündet wurden, referierte der Würzburger Studentenpfarrer Burkhard Hose am Samstagabend zum Thema „Menschenrechte und Kirche“. Während sich die römisch-katholische Kirche nach außen stark für die Menschenrechte einsetze (so auch Papst Johannes Paul II.), seien die Menschenrechte (vor allem Artikel 3 „Recht auf Leben...“ und 7 „Diskriminierungsverbot“) innerhalb der Kirche noch lange nicht erfüllt. Aber mit der Ablehnung der Todesstrafe hat Papst Franziskus eine grundlegende Neuausrichtung vollzogen, wenn er 2017 sagte: „... das veränderte Bewusstsein im Volke Gottes, das eine positive Haltung gegenüber einer Strafe ablehnt, die die Würde des Menschen schwer verletzt. Stattdessen muss deutlich festgestellt werden, dass die Todesstrafe eine unmenschliche Maßnahme ist, die – wie auch immer sie ausgeführt wird – die Würde des Menschen herabsetzt. Sie widerspricht in ihrem Wesen dem Evangelium …“ (Ansprache zum 25. Jahrestag der Veröffentlichung des Katechismus der katholischen Kirche). Die Menschenrechte können damit als neues Verständnis christlicher Wahrheit gesehen werden.

Das Treffen mit Delegierten aus ganz Deutschland, Vertretern von „Frauenwürde e.V.“, „Homosexuelle und Kirche“, "offen.katholisch" sowie der Jugenddelegierten der Plattform Wir sind Kirche Österreich ging am Sonntag mit dem Gottesdienst „Wir feiern das Leben in all seinen Farben“ zu Ende.

Trotz der schwierigen Wetterlage und des Bahnstreiks haben mehr als 50 Menschen an der Tagung und 49. Bundesversammlung in Würzburg in der Jugendbildungsstätte Unterfranken teilgenommen, wo schon 2008, 2010 und 2019 Bundesversammlungen stattfanden.

Die 50. Bundesversammlung ist für den 2. März 2024 online geplant. Für den Herbst bereitet Wir sind Kirche wieder eine KirchenVolksKonferenz vom 18. bis 20. Oktober 2024 in Köln vor.

Pressekontakt Wir sind Kirche-Bundesteam: 

Christian Weisner, Tel: 0172-5184082, presse@wir-sind-kirche.de
Lioba Hochstrat, Tel: 0174-7560481, hochstrat@wir-sind-kirche.de

Zuletzt geändert am 13­.12.2023