Johannes Paul II.
Wir sind Kirche: Übergroße Trauer ist auch ein Zeichen von Ratlosigkeit
Johannes Paul II. hat die politische Kraft der römisch-katholischen Kirche weltweit gestärkt, dies jedoch auf Kosten des innerkirchlichen Dialog und von Reformen in der eigenen Kirche. Seine unermüdliche Stimme für Frieden und Gerechtigkeit wird fehlen. Doch die übergroße - auch mediale - Fixierung auf diesen Papst erweist sich im Nachhinein als sehr problematisch. Deshalb muss sich die katholische Kirche jetzt wieder viel mehr ihrer synodalen Elemente bewusst werden, die vor allem das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) betont hat. Die Bischöfe und Ortskirchen müssen mehr Verantwortung übernehmen - diese Verantwortung muss ihnen aber auch von Rom zugestanden werden. Denn letztlich sind wir alle Kirche; der Aufruf zur Nachfolge Jesu gilt allen Christen und Christinnen.
Johannes Paul II. hat das Papsttum in einer Weise geprägt, die kein Nachfolger fortsetzen kann. Der nächste Papst muss ein ganz anderer Papst sein. Denn neben der "Kultur des Lebens", für die sich der verstorbene Papst sehr stark gemacht hat, bedarf die Kirche vor allem wieder einer "Kultur des Dialogs in der Kirche".
Es bleibt zu hoffen, dass die reformorientierten Kardinäle und Bischöfe, die in den letzten Jahren eher geschwiegen haben, jetzt wieder den Mut finden, den innerkirchlichen Dialog einzufordern und auch zu praktizieren. Bischofsynoden und Ortskirchen müssen endlich wieder ein stärkeres Gewicht bekommen. Der fundamentalistische innerkirchliche Kurs von Johannes Paul II. kann und darf auf keinen Fall fortgesetzt werden.
Die Kardinäle sollten einen Papst suchen, der sich dem Dialog in der Kirche stellt. Es wäre kein gutes Zeichen, wenn der neue Papst nur mit der knappen Mehrheit der konservativen Kardinäle gewählt werden würde. Denn die von Johannes Paul II. 1996 geänderten Regelungen für das Konklave, die die Möglichkeit eröffnen, dass nach dem 33. Wahlgang ein Papst auch ohne Zweidrittelmehrheit gewählt werden kann, stellen eine große Gefahr für die Zukunft der Gesamtkirche dar.
Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche verneigt sich in Respekt vor dem verstorbenen Papst. Jetzt ist die Zeit zu beten und zu hoffen, dass der nächste Papst den Mut aufbringen wird, den tief greifenden Veränderungen in der modernen Welt auch durch eine schrittweise innerkirchliche Erneuerung Rechnung zu tragen.
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Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche setzt sich ein für eine Erneuerung der römisch-katholischen Kirche auf der Basis des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) und der sich daraus entwickelten theologischen Forschung. Wir sind Kirche ist aus dem 1995 in Österreich gestarteten KirchenvolksBegehren hervorgegangen. Die 1996 in Rom gegründete internationale Bewegung Wir sind Kirche ist derzeit in mehr als zwanzig Ländern auf allen Kontinenten vertreten und weltweit mit gleichgesinnten Reformgruppen vernetzt. Wie internationale Studien renommierter Religionssoziologen bestätigen, vertritt Wir sind Kirche als innerkirchliche Reformbewegung die "Stimme des Kirchenvolkes" und hat dies u.a. in mehreren Schattensynoden in Rom zum Ausdruck gebracht.
Zuletzt geändert am 10.05.2006