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Veröffentlicht am 07­.07.2009

Sozial-Enzyklika

Internationale Bewegung Wir sind Kirche zur Enzyklika „Caritas in Veritate“

Pressemitteilung Rom, 7. Juli 2009 (korrigiert)

„Caritas in Veritate“: Eine wichtige Enzyklika, die sich aber ausschweigt zu allen Fragen bezüglich Kriegen und Rüstung und nicht die Möglichkeit anspricht, gemeinsam mit den anderen christlichen Konfessionen und den anderen Religionen zu einem leidenschaftlichen Eintreten für Ideale und zur Weckung moralischer Energien zum Kampf gegen die ungerechten Verhältnisse in der Welt aufzurufen.

Der Koordinator der Vereinigung „Noi Siamo Chiesa“ („Wir sind Kirche“) in Italien, Vittorio Bellavite, hat die folgende Erklärung veröffentlicht:

Die Enzyklika „Caritas in Veritate“ ist, wie vorauszusehen war, komplex, und daher wird sie einer sorgfältigen Analyse aller angesprochenen Themen bedürfen. Nach einer ersten Lesung scheinen mir die folgenden Bemerkungen angebracht:
  • Das ganze Dokument ist durchzogen von der nachdrücklichen Berufung auf ethische Werte und auf die Notwendigkeit, „moralische Energien“ zu wecken. Dies sei das Fundament jeder Aktion im ökonomischen und sozialen Bereich, vor allem in dieser Zeit einer noch nie dagewesenen Krise.
  • Was die Probleme des Relativismus, des Laizismus, des Fundamentalismus, der Bioethik, der Empfängnisverhütung, der Abtreibung und der Bevölkerungspolitik betrifft, bestätigt und betont Benedikt XVI. die wohlbekannten Positionen, über die es aber - auch in der katholischen Kirche - unterschiedliche Meinungen gibt.
  • Die Analyse des Phänomens der Globalisierung macht sich, wie vorauszusehen war, eine Sicht zu eigen, wonach diese zwar angebracht sei, aber einer stärkeren Kontrolle bedürfe.
  • Es fehlt aber an einem dem Gewicht der tatsächlichen Verhältnisse entsprechenden Hinweis auf die Verantwortung der mit dem Finanzgebaren der Wirtschaft Betrauten und auf die Rolle der multinationalen Konzerne als die Hauptursachen der derzeitigen Krise und aller negativen Aspekte der Globalisierung.
  • In die Betrachtung einbezogen und in der Beurteilung positiv weiterentwickelt wurden neue Aspekte der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wirklichkeit: Die Wirtschaft des dritten Sektors, die ethische Dimension der Finanzwirtschaft, die Rolle der Verbraucher, der Naturschutz und vieles mehr;
  • Völlig fragwürdig ist es, wenn behauptet wird, die Enzyklika „Populorum Progressio“ Pauls VI. liege ganz und gar auf der Linie der vorkonziliaren Lehraussagen; wird sie doch bis heute noch immer als eine Enzyklika betrachtet, die einen Bruch vollzogen und prophetische Anklage erhoben hat.
Schließlich war ich (Vittorio Bellavite), nachdem ich den Text gelesen hatte, unangenehm überrascht, dass ich folgendes feststellen musste:
  • Es gibt in der Enzyklika keinerlei Bezugnahme auf den Rüstungswettlauf, auf die Notwendigkeit der Abrüstung, auf den internationalen Waffenhandel und ganz im allgemeinen auf die möglichen und tatsächlichen Konflikte, die eine der hauptsächlichen Ursachen der Verarmung, des Hungers und des Elends sind.
  • Es gibt nur einen zaghaften Hinweis auf die überall missachteten Verpflichtungen des Transfers von Ressourcen in den Süden der Welt (die berühmten 0,7%), aber vom Erlass der Auslandsschulden, welche die Kirche selbst doch zu einem der Themen in der Kampagne ihres „Jubiläumsjahres“ gemacht hatte, ist nicht mehr die Rede.
  • Es gibt auch keinen Verweis auf den gemeinsam mit den anderen christlichen Konfessionen zurückgelegten ökumenischen Weg (der zur Kampagne für „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ angeregt hatte) und auf die Beziehung zu den anderen Religionen als den wichtigsten Werkzeugen zur weltweiten Mobilisierung der moralischen Energien zur Anbahnung einer Wende und zur Korrektur der derzeitigen Unordnung in den Beziehungen der Völker und der Wirtschaftsräume. Die katholische Kirche stellt sich mit dieser Enzyklika offensichtlich als die Kraft dar, die sich allein und selbstgenügsam mit den Problemen der Welt befasst.

Übersetzung aus dem Italienischen: Dr. Ansgar Ahlbrecht, Saarbrücken

> Originalfassung auf Italienisch

> mehr Infos zur neuen Sozial-Enzyklika von Papst Benedikt

Kontakt in Deutschland:
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Zuletzt geändert am 09­.07.2009