1 Jahr Piusbrüder-Entscheidung
Wir sind Kirche: Das Kirchenvolk ist irritiert und verletzt, die Kirchenaustrittszahlen zeigen es.
Pressemitteilung München, 22. Januar 2010
Zur Bekanntgabe der Aufhebung der Exkommunikation der Bischöfe der Piusbruderschaft vor einem Jahr am 24.1.2009
Die bedingungslose Aufhebung der Exkommunikation der Bischöfe der Piusbruderschaft war ein Akt, der innerkirchlich, ökumenisch und interreligiös tiefste Wunden gerissen hat, die bis heute nicht verheilt sind, der aber auch ein neues breites Interesse am Zweiten Vatikanischen Konzil geweckt hat. Dies erklärt die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche ein Jahr nach Bekanntgabe dieser problematischen Entscheidung des Papstes am 24. Januar 2009 (bezeichnenderweise genau einen Tag vor dem 50. Jahrestag der Ankündigung dieses Reformkonzils am 25. Januar 1959 durch Papst Johannes XXIII.).
Es ist mehr als bedauerlich, so die katholische Reformbewegung, dass auf die von Papst Benedikt XVI. ohne jede Vorbedingung als „Schritt der Barmherzigkeit“ intendierte Entscheidung keinerlei Entgegenkommen seitens der Priesterbruderschaft St. Pius X. gefolgt ist. Stattdessen verlangen deren Vertreter vom Papst sogar, dass er sich zu ihrer Verweigerungshaltung gegenüber den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils „bekehrt“ und einer traditionalistisch ausgerichteten „Revision“ zustimmt. Weltweit können selbst äußerst papsttreue Katholikinnen und Katholiken nicht verstehen, dass Benedikt XVI. immer noch von einer „treuen Anhänglichkeit dieser Gruppen an die Wahrheit“ spricht und weiterhin auf eine „volle Kirchengemeinschaft der Bruderschaft St. Pius X.“ setzt, obwohl diese bisher keinerlei Bereitschaft zum Einlenken zeigt.
Nicht nur die andauernden Auseinandersetzungen um nicht erlaubte Priesterweihen der Bruderschaft haben gezeigt, wie problematisch die Entscheidung des Papstes war und ist. Selbst wenn man vom Fall des Holocaust-Leugners Williamson absehen wollte, bleibt die einsame Entscheidung des Papstes ein gravierender Fehler und ein schwerer Verstoß gegen den Grundsatz der bischöflichen Kollegialität, eines der wichtigsten Prinzipien für die Einheit in der Kirche. Die Kritik aus allen Teilen der Welt sollte Benedikt XVI. nicht als feindseligen Angriff auf seine Person deuten, sondern als Ausdruck der tiefen Sorge um das Wohl der ganzen Kirche und um die Glaubwürdigkeit ihrer Botschaft verstehen.
Viele Gläubige sind angesichts des rückwärtsgewandten Kurses der römisch-katholischen Kirchenleitung resigniert und haben die Hoffnung auf positive Veränderungen in der Kirche aufgegeben. Die Zahl der Kirchenaustritte stieg nach der Aufhebung der Exkommunikation der vier Piusbischöfe sprunghaft an, wie offizielle Statistiken zeigen.
Der weltweite Erfolg der von Wir sind Kirche mitorganisierten Petition „Für die uneingeschränkte Anerkennung der Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils“ hat aber auch gezeigt, dass das Bemühen um die Umsetzung der mit dem Konzil begonnenen Reformen nach wie vor einen breiten Rückhalt hat. In der abschließenden Erklärung zum 47. Jahrestag der Konzilseröffnung (11. Oktober 2009) warnen die InitiatorInnen der Petition davor, den Glaubensmut der Konzilsväter zu verraten. Die begonnenen Reformen in den Bereichen Ökumene, Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen, Religionsfreiheit und Leben der Kirche in der Welt von heute bedürfen des gemeinsamen christlichen Vertrauens in den eingeschlagenen Weg und nicht der zentralistischen Kontrolle.http://archiv.wir-sind-kirche.de/petition-vatikanum2.org/
Zu den vielen beunruhigenden Anzeichen für eine klare Ablehnung zentraler nachkonziliarer Reformen seitens der römischen Kirchenleitung gehören die gezielte Förderung des vorkonziliaren Tridentinischen Ritus (2007) sowie auch die nicht nur seitens der jüdischen Gemeinden als verletzend empfundene neuformulierte Karfreitagsfürbitte (2008). Doch allen rückwärts gerichteten Tendenzen zum Trotz, die dem Geist des Konzils zuwider laufen, gilt es heute erst recht, den Ausdruck unseres Glaubens in unsere Zeit hinein zu entwickeln. Denn, so der Theologe Hans Küng: „Nicht das Konzil, sondern der Verrat am Konzil hat die Kirche in die Krise geführt.“
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Zuletzt geändert am 20.04.2020