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Veröffentlicht am 22­.09.2010

Bischofskonferenz in Fulda (3)

Wir sind Kirche wünscht Bischofskonferenz Mut für neue Wege ohne Denkverbote

Pressemitteilung Fulda / München, 22. September 2010

Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche hofft, dass die deutschen Bischöfe bei ihrer bis zum 23. September andauernden Herbstvollversammlung in Fulda endlich eine einheitliche und überzeugende Linie im Umgang mit sexuellem Missbrauch durch Priester und Ordensleute festlegen. Darüber hinaus sollten sie aber auch den Mut finden, ohne Denkverbote neue Wege zur Lösung der noch viel tiefer greifenden Kirchenkrise in den Blick zu nehmen.

Dass der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch – so wie jetzt auch Papst Benedikt XVI. bei seiner England-Reise – schwere Fehler der römisch-katholischen Kirche im Umgang mit Missbrauchsfällen eingeräumt hat, ist als wichtiger Schritt zu würdigen. Doch noch in Fulda sollten alle Bischöfe gemeinsam und eindeutig ihre grundsätzliche Bereitschaft zur finanziellen Entschädigung der von sexualisierter Gewalt in der Kirche Betroffenen erklären und sich damit zu ihrer institutionellen Verantwortung bekennen. Ein Vertagen auf den „Runden Tisch gegen Kindesmissbrauch“ der Bundesregierung wäre kein gutes Zeichen.

Was im Einzelnen als angemessene Entschädigung betrachtet werden kann, das wird erst später und auch in Zusammenarbeit mit den Opferverbänden zu klären sein. Es muss aber von vorneherein klar sein, dass diese Entschädigungen nicht aus dem Kirchensteueraufkommen finanziert werden dürfen (denn damit würden ja alle Gläubigen zur Kasse gebeten werden), sondern von den Tätern und z.B. aus den Extra-Haushalten der einzelnen Bischofsstühle.

Die finanzielle Entschädigung ist nur ein – wenn auch unverzichtbarer – Baustein bei der Aufarbeitung der z.T. jahrzehntelang vertuschten Verbrechen. Notwendig sind auch wirklich unabhängige Beratungsstellen, die Kostenübernahme von Therapien, die Entwicklung von Ritualen der Versöhnung sowie weitreichende Präventionsmaßnahmen für mögliche Opfer und Täter.

Es stellt sich die Frage, warum sich die deutschen Bischöfe bei alledem nicht an der Rahmenordnung „Die Wahrheit wird euch frei machen“ der österreichischen Bischofskonferenz vom 21. Juni 2010 orientiert haben, die sich sehr deutlich und konkret zu Ombudsstellen, Entschädigungen und Prävention bekannt und auch die Ursachen klar benannt haben (http://www.bischofskonferenz.at/site/article_list.siteswift?so=all&do=all&c=download&d=article%3A388%3A1). Zu fragen ist auch, wie es derzeit um die von der Deutschen Bischofskonferenz geplante bzw. vergebene Studie zum Thema sexueller Kindesmisshandlungen durch Kleriker steht, so wie sie z. B. in den USA existiert.

Die am 31. August 2010 von Bischof Dr. Stephan Ackermann vorgelegten überarbeiteten Leitlinien werden von der KirchenVolksBewegung bezüglich der grundsätzlichen Anzeigepflicht bei den Strafverfolgungsbehörden, die nur auf ausdrücklichen Wunsch des betroffenen Opfers entfallen kann, als Fortschritt angesehen. Schwachpunkte sind jedoch u.a. die nach wie vor zu geringe Unabhängigkeit der zuständigen Ansprechstellen sowie der wieder größere Ermessensspielraum der einzelnen Bischöfe z.B. bei der Wiedereinsetzung von Tätern. Dass insgesamt nicht mehr von einem „einheitlichen“ sondern nur von einem „abgestimmten“ Vorgehen in Deutschland gesprochen wird, lässt vermuten, dass nach wie vor erhebliche Unterschiede im Problembewusstsein und in der Handlungsbereitschaft innerhalb der Bischofskonferenz bestehen.

Breite Beteiligung am kirchlichen Erneuerungsprozess notwendig

Wenn die Bischöfe die Ereignisse der vergangenen Monate aufarbeiten und nachhaltige Perspektiven für die Kirche in Deutschland entwickeln wollen, so kann und darf dies nicht nur hinter verschlossenen Türen stattfinden, sondern muss von Anfang an die in Deutschland vorhandenen „Laien“-Strukturen und auch die Reformgruppen einschließen. Seit langem liegen konkrete Vorschläge für eine spirituelle und strukturelle Erneuerung der Kirche auf dem Tisch, die die Bischöfe nicht ignorieren dürfen.

In der im Frühjahr eingerichteten Steuerungsgruppe, der Bischof Dr. Franz-Josef Bode, Erzbischof Dr. Reinhard Marx und Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck angehören, muss es um viel mehr gehen als nur um den „Dienst der Kirche im öffentlichen Leben“ und die „Präsenz der Kirche in der Öffentlichkeit“.

Wenn die Bischöfe immer wieder nur darauf verweisen, dass zentrale Fragen allein in Rom zu entscheiden seien, so wäre es dringend angebracht, gemeinsam die immer drängender werdenden Anliegen der Ortskirchen in Rom mutig und deutlich zur Sprache zu bringen, wenn sie gute Hirten sein wollen.


Wie der gastgebende Fulda Bischof Dr. Heinz Josef Algermissen in einem bemerkenswerten Interview drei Tage vor Beginn der Herbstvollversammlung richtigerweise diagnostiziert hat, befindet sich die römisch-katholische Kirche seit langem in einer „Stau-Situation“. Die jetzt durch die Missbrauchsdebatte eruptiv zur Sprache gekommenen Fragen von Sexualmoral über Zölibat bis hin zum Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten seien schon lange reif für die Diskussion.


Siehe auch Pressemitteilung:
Übergabe von fast 12.000 Unterschriften gegen den Pflichtzölibat an die Bischofskonferenz
Mahnwache und „Donnerstagsgebet“ für die Erneuerung der Kirche


Kontakt von Wir sind Kirche in Fulda:

Annegret Laakmann: 0175-9509814
Christian Weisner: 0172-5184082
E-Mail: presse@wir-sind-kirche.de
Homepage: www.wir-sind-kirche.de



Nach der Abschlusspressekonferenz der DBK am Freitag, 24. September um 10:30 Uhr wird Christian Weisner in Fulda für eine erste Einschätzung der Ergebnisse der Bischofskonferenz seitens der KirchenVolksBewegung zur Verfügung stehen.

Zuletzt geändert am 22­.09.2010