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Veröffentlicht am 13­.06.2012

Geschieden-Wiederverheiratete

Wir sind Kirche begrüßt Freiburger Priester-Initiative und bedauert Äußerungen von Papst Benedikt

„Barmherzigkeit gegenüber Geschieden-Wiederverheirateten darf nicht nur ein leeres Wort sein“

Pressemitteilung München, 13. Juni 2012

Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche begrüßt und unterstützt die verschiedenen Initiativen und Stellungnahmen von Priestergruppen, die sich jetzt öffentlich dafür einsetzen, dass geschiedene Wiederverheiratete nicht von den Sakramenten ausgeschlossen werden. Die katholische Reformbewegung sieht dies als lange überfälliges Zeichen und ruft alle Priester und Diakone in Deutschland dazu auf, diesem Mut machenden pastoralen Handeln zu folgen und sich weiter zu vernetzen.

Wie zuvor schon die österreichische Pfarrer-Initiative, die mittlerweile weltweit vernetzt ist, haben in Deutschland die Arbeitsgemeinschaft von Priester- und Solidaritätsgruppen in Deutschland (AGP), die Aktionsgemeinschaft Rottenburg von Priestern und Diakonen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart (AGR) und jetzt auch mehr als 180 Priester und Diakone der Erzdiözese Freiburg öffentlich kundgetan, dass sie sich in ihrem pastoralen Handeln gegenüber geschiedenen Wiederverheirateten nicht vom Kirchenrecht, sondern von der Barmherzigkeit leiten lassen.

Die deutschen Bischöfe sollten dankbar sein, so Wir sind Kirche, dass immer mehr verantwortungsbewusste Seelsorger nicht nur tun, was pastoral geboten ist, sondern durch ihr öffentliches Auftreten auch die unglaubwürdige Diskrepanz zwischen der christlichen Botschaft von Barmherzigkeit und dem derzeitigen Kirchenrecht deutlich machen. Auch in dem von den deutschen Bischöfen initiierten Gesprächsprozess hat diese drängende pastorale Frage eine hohe Priorität.

Wenn die Barmherzigkeit gegenüber Geschieden-Wiederverheirateten nicht nur ein leeres Wort bleiben soll, müssen sich jetzt die deutschen Bischöfe in Rom für eine baldige kirchenrechtliche Lösung zumindest für ihre Diözesen einsetzen. Ansonsten ist zu befürchten, dass das Thema „Geschiedene Wiederverheiratete“ die Kirche in Deutschland vor eine ähnliche Zerreißprobe stellen wird wie die langjährige Auseinandersetzung mit Rom in der Frage der Schwangerschaftskonfliktberatung. Denn nicht der Ungehorsam der Priester ist der Skandal, sondern die Untätigkeit der Oberhirten.

Es klingt geradezu zynisch und ist mit der biblischen Botschaft nicht vereinbar, wenn Papst Benedikt zwar erklärt, dass sich die Betroffenen „geliebt, akzeptiert und nicht ausgeschlossen fühlen“ sollten, er gleichzeitig aber das Leiden als „Geschenk für die Kirche“ bezeichnet. Beim Weltfamilientreffen Anfang Juni in Mailand hatte der Papst gesagt, die Kirche müsse den geschiedenen Wiederverheirateten zeigen, dass ihr Leiden auch ein Leiden der ganzen Kirche für die „großen Werte ihres Glaubens“ und nicht allein psychologischer oder psychischer Natur sei. Wenn diese Leiden „innerlich wirklich akzeptiert“ würden, trügen sie zu einer wirksameren Verteidigung von Ehe und dauerhafter Liebe bei. In dieser Haltung zeigt sich nach Meinung von Wir sind Kirche eine der vielen Doppelbotschaften der römischen Kirchenleitung. Die theologische Aufarbeitung der letzten Jahrzehnte wird schlichtweg ignoriert. Als Theologieprofessor hatte Joseph Ratzinger 1972 in der Frage noch eine ganz andere Haltung eingenommen (Zitat siehe unten).

Der Freiburger Erzbischof Zollitsch hatte sich vor einiger Zeit – ganz auf der Linie der drei oberrheinischen Bischöfe (sein Vorgänger Oskar Saier und die heutigen Kardinäle Karl Lehmann als Bischof von Mainz und Walter Kasper als damaliger Bischof von Rottenburg) geäußert, die schon 1993 diesbezügliche Änderungen in Rom angemahnt hatten. Der Mannheimer Katholikentag wie auch die vielen anderen aktuellen Aufbrüche an der Kirchenbasis zeigen, dass der Aufbruch nicht mehr aufzuhalten ist. (Zitat von Karl Lehmann aus dem Jahr 1974 siehe unten)

Dass in einer Großstadt wie München mehr als 40 Prozent der zivilrechtlich geschlossenen Ehen wegen der Vorheirat eines Partners der kirchliche Segen verwehrt bleibt, zeigt, dass nicht nur eine kleine Randgruppe betroffen ist. Auch die jährlich von Rom zigtausendfach ausgesprochenen Ehenichtigkeits-Urteile stellen keine pastorale Lösung da, vor allem nicht, wenn aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind.


Pressekontakt:
Sigrid Grabmeier, Tel: +49(0)170 8626 290, E-Mail: grabmeier@wir-sind-kirche.de
Magnus Lux, Tel: +49(0)176-41266392, E-Mail: Famlux@t-online.de
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> mehr Informationen zum Thema "Zulassung geschiedener Wiederverheirateter zu den Sakramenten"
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Zuletzt geändert am 16­.06.2012