Sakramente für Wiederverheiratete
Wir sind Kirche: „Brüchige Argumente, die sich auf Dauer nicht halten lassen“
Pressemitteilung München / Rom, 24. Oktober 2013
Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche hält es für sehr problematisch, dass der Präfekt der Glaubenskongregation, Erzbischof Dr. Gerhard Ludwig Müller, jetzt im L’Osservatore Romano den Ausschluss von nach Scheidung Wiederverheirateten vom Empfang der Sakramente bekräftigt, obwohl Papst Franziskus dieses Thema auf die Tagesordnung der Außerordentlichen Bischofssynode zur Familienpastoral im Oktober 2014 gesetzt hat.
Erzbischof Müller sollte in Sachen Ehepastoral nicht versuchen, mit brüchigen Argumenten, die sich auf Dauer nicht halten lassen, die innerkirchliche Meinungsführerschaft an sich zu reißen. 1991 als Professor in München hatte auch er für einen flexibleren Umgang mit Katholiken in zweiter Ehe plädiert. Seine im Juni 2013 zunächst in der „Tagespost“ formulierten Grundpositionen einer göttlichen „sakramentalen Ordnung“ widersprechen dem viel differenzierteren Zeugnis der Schrift. Auch ignorieren sie die Entwicklungen und Brüche, die das katholische Eheverständnis im Laufe der langen Kirchengeschichte erfahren hat, und überdecken die schwache Begründung, die von der klassischen Theologie zu seinen Thesen geliefert wird. Auch eine Unfehlbarkeitsideologie kann sich nicht unbekümmert über die ursprüngliche christliche Botschaft hinwegsetzen.
Ganz offensichtlich hat Papst Franziskus zur Problematik einen ganz anderen Zugang. Franziskus hat mehrfach für Barmherzigkeit gegenüber Geschiedenen, die wieder heiraten, plädiert und auch auf den pastoralen Weg der orthodoxen Kirche verwiesen. Dies hat bei vielen betroffenen Katholikinnen und Katholiken nicht nur in Deutschland die Hoffnung geweckt, dass auch die römisch-katholische Kirche jetzt endlich auf die nach einer Scheidung Wiederverheirateten zugeht und damit den von Papst Franziskus gewiesenen Weg der Barmherzigkeit beschreitet – ein Weg, den pastoral orientierte SeelsorgerInnen schon seit Langem gehen, oft mit schlechtem Gewissen gegenüber dem Kirchenrecht.
siehe auch:
„Ein zukunftsweisender Schritt, der auch anderen Diözesen Mut machen müsste“
Wir sind Kirche zur Handreichung Wiederverheiratung aus dem Erzbistum Freiburg (8.10.2013)
www.wir-sind-kirche.de/index.php?id=128&id_entry=4832
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Die Worte Jesu „Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“ (Mk 10,9; vgl. aber Lk 16,18) sind nicht als Gesetzesparagraph zu verstehen, sondern als radikale Absage an die Ungerechtigkeit gegenüber der Frau, wie sie in der Scheidungspraxis der jüdischen Umwelt Jesu üblich war. Denn es fällt auf, dass bei Matthäus und auch bei Lukas nur Männer als Adressaten genannt sind. Männern war es nach alttestamentlicher Gesetzgebung erlaubt, der Frau einen Scheidebrief auszustellen, um sich von ihr zu trennen. „Was Jesus mit der Bergpredigt will, übersteigt jede Gesetzlichkeit. Was er will, ist die Lauterkeit des Herzens, die innere Wahrhaftigkeit“ (G. Lohfink, Jetzt verstehe ich die Bibel, Stuttgart 21974, 142.). Darum fühlte sich Matthäus vermutlich berechtigt, die so genannte „Unzuchtsklausel“ in den aus der vormatthäischen Tradition stammenden Text einzufügen.
Nach dem Zeugnis einiger Kirchenväter wurde in einzelnen Situationen nach Ableistung einer öffentlichen Buße die Wiederheirat geduldet (z.B. Origenes [+ 254">: „Schon haben auch einige Vorsteher der Kirche gegen das, was geschrieben steht, gestattet, dass eine Frau zu Lebzeiten des Mannes heiraten kann. Sie handeln damit gegen das Wort der Schrift...[1 Kor 7,39 und Röm 7,3 werden angeführt">, freilich nicht gänzlich unvernünftig. Man darf nämlich annehmen, dass sie dieses Vorgehen im Widerspruch zu dem von Anfang an Gesetzten und Geschriebenen zur Vermeidung von Schlimmerem zugestanden haben“ [In Matth 14,23; PG 13,1245">).
Das Konzil von Trient (1545-1563) war sich dieser in der kirchlichen Überlieferung dokumentierten Spannungen bewusst und hat wohl auch deshalb erst nach langen Debatten in einer auffällig weitschweifigen Formulierung die Unauflöslichkeit bekräftigt und festgeschrieben – als „gemäß der Lehre des Evangeliums und der Apostel“ (DH 1807). Die neuere dogmengeschichtliche Forschung betont dazu ausdrücklich: „Man kann nicht behaupten, dass das Konzil von Trient die Absicht gehabt habe, die Unauflöslichkeit der Ehe feierlich als Glaubenssatz zu definieren“ (Internationale Theologenkommission, in: Gregorianum 59 (1978), 461). Auch Pius XI. bezeichnete die Lehre von Trient über die Ehescheidung zwar als „sicher“, nicht aber als „unfehlbar“ oder „endgültig“ (Pius XI., Enzyklika „Casti connubii“ 1930; AAS 1930, 574).
Bis heute hat sich Rom gescheut, die griechische Schwesterkirche, die in Sachen Ehescheidung eine andere Lehre und Praxis kennt und ausübt, deswegen der Häresie zu bezichtigen. Dort wird eine unter Buße vollzogene Wiederheirat von Verwitweten und Geschiedenen toleriert, die allerdings nicht als Sakrament angesehen wird, sondern als kirchliche Notmaßnahme zur Vermeidung eines größeren Übels, das im ungeregelten Zusammenleben bestünde. Ausdrücklich wird festgehalten, dass die Zweitehe nicht der göttlichen Anordnung entspricht, sondern dem seelsorglichen Grundsatz der Billigkeit: „Die Scheidungsgründe werden dabei restriktiv gefasst, aber nicht völlig auf Ehebruch eingeschränkt“ (U. Luz, EKK I, 277).
Zuletzt geändert am 24.10.2013