Neustart Forschungsprojekt
„Jeden Anschein einer kontrollierten Auftragsforschung vermeiden!“
Pressemitteilung Bonn / München, 24. März 2014
Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche begrüßt, dass das heute vorgestellte Forschungsprojekt interdisziplinär und zusätzlich auf qualitative Aspekte wie Täterstrategien, Opferleben und institutionelle Aspekte angelegt ist.
Jedoch gibt es nach wie vor erhebliche methodische Zweifel, ob ein von der Deutschen Bischofskonferenz initiiertes und auch nur von ihr finanziertes Forschungsvorhaben überhaupt in der Lage sein kann, grundlegende Ursachen herauszufiltern, die sich aus der hierarchischen und zölibatären Struktur der römisch-katholischen Kirche liegen.
Es bleibt zu hoffen, dass das Forschungskonsortium alles tut, jeden Anschein einer kontrollierten Auftragsforschung zu vermeiden, gerade auch wenn es um die spätere unzensierte Bewertung und Veröffentlichung der Forschungsergebnisse gehen soll. Dies hatte vor gut einem Jahr zum Zerwürfnis mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) und dessen Leiter Prof. Christian Pfeiffer geführt. Die Aufkündigung im Januar 2013 durch die Bischofskonferenz hatte damals erhebliche Zweifel am Aufklärungswillen der deutschen Bischöfe aufkommen lassen, aber auch die schwierige Datenlage bei den – teils rechtmäßig, teils unrechtmäßig – vernichteten oder unvollständigen Personalakten in den Bistümern offenbar werden lassen.
Bei dem heute vorgestellten „Neustart“ kritisiert Wir sind Kirche, dass noch immer von „Sexuellem Missbrauch“ statt von „Sexualisierter Gewalt“ gesprochen wird (als ob es hierbei auch einen positiven Gebrauch geben würde) sowie von Opfern statt von Betroffenen oder Überlebenden (survivors, wie im englischsprachigen Raum üblich).
Sehr kritisch sieht Wir sind Kirche die von Norbert Leygraf, Direktor des Essener Instituts für Forensische Psychiatrie, im Dezember 2012 vorgestellte Studie, die zu der – scheinbar entlastenden – Aussage kommt, dass übergriffige Priester in den seltensten Fällen in klinischem Sinne pädophil seien. Für die Betroffenen macht dies keinen Unterschied. (siehe: www.wir-sind-kirche.de/index.php?id=128&id_entry=4369)
Wesentliche Zusammenhänge zwischen „Macht, Sexualität und katholischer Kirche“ sind in dem gleichnamigen Buch dargestellt, das der australische Weihbischof Geoffrey Robinson bereits 2007 verfasst und dessen deutsche Übersetzung Wir sind Kirche 2010 besorgt hat. Nach Robinson ist jeder „sexuelle Missbrauch“ in erster Linie ein Machtmissbrauch in sexualisierter Form. Bischof Robinson weist vielfache Rechtsverstöße als Symptome strukturimmanenter Gewaltausübung bis weit in die Kirchengeschichte zurück nach. Als Kind war Robinson selber von sexualisierter Gewalt betroffen, aber nicht durch einen Priester. Im kirchlichen Auftrag arbeitete Bischof Robinson die sexuellen Missbrauchsskandale in Australien auf. – Das Buch „Macht, Sexualität und katholischer Kirche“ kann bei Wir sind Kirche angefordert werden.
Kinderschutz-Kommission in Rom und deren Zusammensetzung wird begrüßt
Wir sind Kirche begrüßt die paritätische Zusammensetzung der von Papst Franziskus eingesetzten Kommission zum Schutz von Minderjährigen vor sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche. Wie der Vatikan am Samstag, 22. März, mitteilte, ist unter den Mitgliedern des neuen Gremiums auch ein Missbrauchsopfer aus Irland. Die aus Dublin stammende Marie Collins ist seit den 60er Jahren Überlebende sexualisierter Gewalt durch einen katholischen Priester und engagiert sich seit längerem für einen besseren Schutz von Kindern in der katholischen Kirche. Von den insgesamt acht Mitgliedern der Kommission sind fünf Laien, unter ihnen vier Frauen.
Pressekontakte Wir sind Kirche-Bundesteam:
Sigrid Grabmeier, Tel: 0170-8626 290, grabmeier@wir-sind-kirche.de
Magnus Lux Tel. 0176-41266392, Famlux@t-online.de
Christian Weisner Tel. 0172-5184082, presse@wir-sind-kirche.de
Interdisziplinäres Forschungskonsortium führt Studie zum Thema „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen“ durch
> Pressemitteilung der DBK 24.3.2014
Kritische Fragen zur neuen Missbrauchsstudie der Deutschen Bischofskonferenz (7.4.2014)
> PDF (7 Seiten)
Zuletzt geändert am 29.01.2015