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Veröffentlicht am 21­.09.2014

Herbstvollversammlung DBK (2)

„Kirche braucht Dialog, mehr Theologie und weniger Lehramt“

Pressemitteilung München / Fulda, 21. September 2014

Wir sind Kirche zur Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (22.-25.9.2014 in Fulda)

Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche appelliert an die Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofs¬konferenz vom 22. bis 25.9.2014 in Fulda, endlich mehr Dialog mit dem Kirchenvolk, mehr Dialog mit der Theologie und mehr Dialog untereinander zu wagen. Gerade die Debatte im Vorfeld der Familien-Synode, die in zwei Wochen in Rom beginnt, zeigt: Wenn wir die gegenwärtigen Kirchenkrisen bewältigen wollen, brauchen wir angstfreie und ergebnisoffene Dialoge sowie eine zeitgemäße Theologie in wissenschaftlicher Freiheit ohne ständige Kontrolle und Maulkörbe durch das Lehramt.

Der Konsultationsprozess zur Vorbereitung der Familien-Synode 2014 und 2015, den Papst Franziskus eingeleitet hat, kann der Anfang einer bitter notwendigen neuen Dialogkultur in der Kirche sein. Dem sollten auch die deutschen Bischöfe folgen. Sie sollten die mutigen Reformvorschläge des Antwerpener Bischof Dr. Johan Bonny aufgreifen und kritisch weiterführen – vor allem im Umgang mit nach Scheidung Wiederverheirateten und mit homosexuellen Paaren.

Kardinal Reinhard Marx – der als einziger deutscher Bischof bei der Familien-Synode 2014 in Rom sein wird – sollte spätestens in Fulda genaue Auskunft geben über das Mehrheitsvotum der deutschen Bischöfe zur Synode, das er vor einer guten Woche beim Magdeburger „Gesprächsprozess“ ankündigte. Denn die anstehenden Regelungen sind ein wichtiger Test für den Erfolg des deutschen „Gesprächsprozesses“ wie auch für die weltweite Familien-Synode in Rom (mehr siehe unten).

Warnsignal Kirchenaustritte

Die dramatisch hohe Zahl von 178.805 Kirchenaustritten im Jahr 2013 – fast so hoch wie der Spitzenwert 181.193 im Krisenjahr 2010 – kann nicht nur durch allgemeine religiöse oder gesellschaftliche Trends erklärt werden. Die Ereignisse um Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, den einige Bischöfe und Kardinäle bis zuletzt deckten und verteidigten, haben in Deutschland alle positiven „Franziskus-Effekte“ und Bemühungen dialogbereiter Bischöfe zunichte gemacht. Dazu gehört auch das Fehlen greifbarer Ergebnisse des „Gesprächsprozesses“, der in den 27 deutschen Diözesen in sehr unterschiedlicher Intensität und Qualität betrieben wird, wie wiederholte Recherchen von Wir sind Kirche ergaben. Weitere Gründe mögen Einzelereignisse wie die Kündigung der Pfeiffer-Studie zur Aufarbeitung sexueller Gewalt in der Kirche durch die Bischofskonferenz (Anfang Januar 2013) oder die Auseinandersetzung um die „Pille danach“ in katholischen Krankenhäusern (Ende Januar 2013) sein. Dies hat insgesamt zu einem verheerenden Ansehens- und Vertrauensverlust der Kirchenleitung geführt.

Pfarreireformen überdenken

Laut Kirchenstatistik 2013 ist der Gottesdienstbesuch noch einmal deutlich von 11,7 (2012) auf 10,8 Prozent gesunken. Neben der zunehmenden Entfremdung der Amtskirche von der Lebenswelt der Menschen sind dafür vor allem die Pfarreizusammenlegungen zu XXL-Gemeinden verantwortlich. Dieser Prozess der Entheimatung muss gestoppt werden! Sind es doch gerade die Gemeinden vor Ort, in denen Kirchenbindung entsteht, Gemeinschaft solidarisch gelebt werden kann und Menschen unterschiedlichster sozialer Strukturen zusammenkommen.
Bei ihrem Studientag „Gemeinsam Kirche sein. Das Zueinander der Dienste und Charismen im priesterlichen Gottesvolk“ sollten die Bischöfe bedenken: Angesichts der aktuellen, autoritären, gesellschaftlich überholten und biblisch kaum begründbaren Leitungsstrukturen sind die immer weniger werdenden Priester in den großen Seelsorgeeinheiten mit Leitungs- und Managementaufgaben überfordert. Schon das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) und die Würzburger Synode (1971-1975) haben gute Wege zur Stärkung synodaler Strukturen und die verantwortungsvolle Einbindung der „Laien“ aufgezeigt – auch in der Gemeindeleitung.

Beteiligung bei Bischofsbestellungen einfordern

Bei den Bischofsbestellungen in Freiburg und Köln hat die römische Kurie erneut alle von den jeweiligen Domkapiteln vorgeschlagenen Kandidaten übergangen. Dies ist ein Skandal, den auch die Deutsche Bischofskonferenz nicht hinnehmen darf. Steht doch diese Missachtung der Ortskirche im krassen Widerspruch zu den Aussagen von Papst Franziskus, der den Ortskirchen wieder mehr Bedeutung und Verantwortung zukommen lassen will. Die deutschen Bischöfe sollten gemeinsam und mit großem Nachdruck eine Mitsprache und Mitentscheidung der Ortskirchen bei Bischofsbestellungen einfordern, die über viele Jahrhunderte selbstverständlich und kirchenrechtlich geregelt war. Es ist auch zu fragen, warum für die Besetzung des Erfurter Bischofsstuhles kein geeigneter Kandidat aus der Diözese Erfurt gefunden werden konnte und welche spezifischen Kriterien den jetzt ernannten Bischof für die schwierige Diasporasituation auszeichnen.
Die verantwortliche Bischofskongregation wird durch den kanadischen Kurienkardinal Marc Ouellet geleitet, den noch Papst Benedikt XVI. im Jahr 2012 berufen hat. Seine Entscheidungen – möglicherweise ein Loyalitätsbruch nachgeordneter Vatikanbehörden gegenüber dem Papst – bringen eine große Gefahr mit sich: Der Vertrauensvorschuss, den Franziskus im Kirchenvolk und in der Öffentlichkeit noch genießt, könnte sehr bald aufgebraucht sein.


Zur Familien-Synode 5.-19. Oktober 2014 in Rom

„Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee“, hat Papst Franziskus in „Evangelii Gaudium“ (231) verkündet. Das muss Folgen haben. Für die beiden Synoden-Versammlungen im Herbst 2014 und 2015 stellt sich die entscheidende Frage: Wird es gelingen, einen Prozess der grundlegenden Erneuerung der Pastoral und gegebenenfalls auch der Erneuerung der Lehre in Gang zu setzen?

Die weltweite Vatikan-Umfrage zur Synode Ende Oktober 2013 und die von der Deutschen Bischofskonferenz nach Rom gesandte Zusammenfassung (3.2.2014) machen deutlich: Die kirchliche Sexuallehre insgesamt ist weder in Inhalt noch in Form verständlich, weil sie den Kontakt mit der Wirklichkeit des Menschen verloren hat. Das „Instrumentum Laboris“ des Vatikans (26.6.2014) stellt in bemerkenswerter Offenheit dar, dass dies nicht nur für Deutschland und Europa gilt. Nur durch einen breiten und sachlich unterbauten Dialog wird es möglich sein, die seit der Enzyklika „Humanae vitae“, die Papst Paul VI. 1968 gegen die Empfehlung des von ihm selbst ernannten Beratungsgremiums verfasste, besonders eklatante Kluft zwischen der vorgetragenen kirchlichen Lehre und der Lebenswirklichkeit der Menschen im 21. Jahrhundert wieder zu überbrücken.

Nur eine verständlichere Verkündigung wird nicht ausreichen, da die Kluft durch die Lehre selbst begründet ist. Lehre und Pastoral dürfen auch nicht gegeneinander ausgespielt werden. Statt interne Machtkämpfe fortzusetzen, sollten die Bischöfe gemeinsam nach den tieferen, anthropologischen und theologischen Gründen fragen, die in Ehe- und Sexualfragen zur katastrophalen Weltferne und Unbeweglichkeit geführt haben.

Die Theologie muss die Freiheit erhalten, in Erinnerung an die ursprünglichen biblischen und späteren kirchlichen Traditionen sowie der gegenwärtigen Verhältnisse neue glaubwürdige Positionen zu formulieren. Sie müssen – ungeachtet späterer dogmatischer Fixierungen – konsequent an der Frohen Botschaft Jesu orientiert sein. Theologisch – insbesondere biblisch, ökumenisch und pastoral gesehen – ist es nicht vertretbar, dass ein großer Teil der Gläubigen wegen einer zweiten, zivilen Ehe von den Sakramenten ausgeschlossen ist. Ein Sakrament wird so zum unbarmherzigen Kontrollinstrument. Für die etwa 150.000 kirchlichen Angestellten sowie rund 500.000 Beschäftigten der Caritas in Deutschland bedeutet das gegenwärtige kirchliche Arbeitsrecht in vielen Fällen auch eine existenzielle Bedrohung. Die Praxis der Ostkirchen könnte hier beispielgebend sein.

Die Rede von Kardinal Walter Kasper im Februar vor dem Kardinalskonsistorium, der sich für eine pastorale Lösung der „Barmherzigkeit“ gegenüber Wiederverheirateten ausspricht, hat eine offene Debatte im Vorfeld der Familien-Synode ausgelöst. Anfang September 2014 legte der Antwerpener Bischof Dr. Johan Bonny in einem mutigen Vorstoß zur Synode seine Erfahrungen als Diözesanbischof, eine Liste kirchenamtlicher Versäumnisse und seine Erwartungen dar. Bonny hebt zu Recht die große Bedeutung der Gewissensentscheidung jedes Individuums hervor, die in den päpstlichen Lehrschreiben der letzten Jahrzehnte aber fast keine Rolle mehr gespielt hat. Und er verweist auf die breite Tradition der katholischen Lehre über Ehe und Familie im Lauf der Geschichte, die es wiederzuentdecken gelte. Vor allem aber beklagt Bischof Bonny, dass die Päpste Paul VI. und Johannes Paul II. die vom Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) gewollte Kollegialität von Papst und Bischofskollegium gebrochen haben.

Der Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, Kardinal Gerhard Müller, und manch andere verteidigen dagegen mit simplifizierenden und suggestiven Argumenten eine höchst undifferenzierte Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe, die auf keinen Fall geändert werden könne und dürfe. Sie ignorieren die Ergebnisse der neueren historisch-kritischen Bibelexegese.

Wir sind Kirche-Synoden-Projekt in Rom:
Die Internationale Bewegung Wir sind Kirche (IMWAC) wird – gemeinsam mit anderen Reformgruppen – während der Außerordentlichen Versammlung vom 5. bis 19. Oktober 2014 in Rom präsent sein und die Anliegen des Kirchenvolkes in Hearings zur Sprache bringen. Zu hoffen ist, dass auch innerhalb der Synoden-Aula eine kundige und offene Debatte geführt werden wird wie beim Zweiten Vatikanischen Konzil. Der Kreis der zugelassenen Experten und Berater ist allerdings immer noch sehr männer-, klerus- und traditionsdominiert. Von IMWAC eingereichte Namensvorschläge hat der Vatikan bisher ignoriert.
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Zuletzt geändert am 21­.09.2014