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Veröffentlicht am 27­.09.2018

Herbstvollversammlung DBK Fulda (Ende)

„Jetzt wirkliche Umkehr und Aufarbeitung, nicht nur Buße und Betroffenheit“

Pressemitteilung München/Fulda, 27. September 2018

Wir sind Kirche zum Abschluss der Herbstvollversammlung der DBK

  • Notwendige offene Debatte – die Mauern des Klerikalismus schleifen
  • Mit Betroffenen zusammenarbeiten – volle Verantwortung übernehmen
  • Weltweiter schmerzhafter, aber notwendiger Läuterungsprozess

Nach Ansicht der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche haben die schockierenden, aber keineswegs unerwarteten Ergebnisse der MHG-Studie eine nachhaltige Erschütterung und Ernüchterung im Kirchenvolk wie in der Öffentlichkeit ausgelöst. Die nach den intensiven Beratungen der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) in Fulda heute vorgestellte eineinhalbseitige Erklärung der Bischöfe (2018 154a Anlage 1) besteht jedoch immer noch aus Absichtserklärungen und Willensbekundungen. Die sehr allgemein formulierte Erklärung lässt nicht konkret erkennen, wann, wie und mit wem die von dem Forschungskonsortium als notwendig erachtete konkrete Aufarbeitung der institutionellen Verantwortung der römisch-katholischen Kirche in Deutschland in Angriff genommen wird. Alleine werden die Kleriker dazu nicht in der Lage sein.

Vor allem bleibt weiterhin unklar, ob bei allen Bemühungen des Vorsitzenden der DBK, Kardinal Reinhard Marx, und des Missbrauchsbeauftragten, Bischof Stephan Ackermann, die Bischofskonferenz sich auf ein einheitliches und gemeinsames Vorgehen hat einigen können. Gemäß geltendem Kirchenrecht sind beide gegenüber den anderen Bischöfen in keiner Weise weisungsbefugt. Doch das Kirchenvolk wie auch die Öffentlichkeit erwarten jetzt zu Recht eine wirkliche Umkehr und Aufarbeitung durch die gesamte Kirchenleitung und nicht nur Bußbekenntnisse und Betroffenheitsbekundungen.

Notwendige offene Debatte – die Mauern des Klerikalismus schleifen

Wir sind Kirche begrüßt es, wenn sich einzelne Bischöfe jetzt über eine offene Debatte des Pflichtzölibats und der Sexuallehre, besonders auch bezüglich der Homosexualität aussprechen. Dies wird aber nicht ausreichen, denn es sind die komplexen Zusammenhänge von rigider, lebensfremder Sexualmoral, Homophobie, Frauenfeindlichkeit, Missbrauch von Macht und Beichtgeheimnis, die solche Verbrechen und deren systematische Vertuschung in einer männerbündischen Kirche ermöglicht haben und immer noch ermöglichen.

Letztendlich müssen die Mauern des Klerikalismus geschleift werden, insbesondere die Vorstellung, gar Ideologie, dass es seinsmäßig einen Unterschied zwischen Klerikern und Laien gebe und die Kleriker über den Laien stünden. Es muss im wahrsten Sinne des Wortes eine Entmachtung der Bischöfe stattfinden, Macht und Verantwortung in der Kirche endlich neu verteilt werden und dabei die Frauen uneingeschränkt mitbeteiligt werden. Das Pflichtzölibat der Priester muss einem frei gewählten Zölibat weichen. Das Verbot, homosexuelle Männer zu Priestern zu weihen, muss aufgehoben werden. Für die Zukunft wird auch eine grundlegende theologische Aufarbeitung erforderlich sein.

Wie die MHG-Studie zum Umgang mit klerikaler Macht feststellt, ist sexueller Missbrauch (richtiger wäre der Begriff: sexualisierte Gewalt) immer auch ein Missbrauch von Macht, der durch die autoritär-klerikalen Strukturen der katholischen Kirche begünstigt wird. „Eine Änderung klerikaler Machtstrukturen“, so die MHG-Studie, „erfordert eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Weiheamt des Priesters und dessen Rollenverständnis gegenüber nicht geweihten Personen. Dabei darf es nicht bei Lippenbekenntnissen der Kirchenverantwortlichen bleiben.                                                                              

Die Sanktionierung einzelner Beschuldigter, öffentliches Bedauern, finanzielle Leistungen an Betroffene und die Etablierung von Präventionskonzepten und einer Kultur des achtsamen Miteinanders sind dabei notwendige, aber keineswegs hinreichende Maßnahmen. Wenn sich die Reaktionen der katholischen Kirche auf solche Maßnahmen beschränken, sind solche grundsätzlich positiven Ansätze sogar geeignet, klerikale Machtstrukturen zu erhalten, da sie nur auf Symptome einer Fehlentwicklung abzielen und damit die Auseinandersetzung mit dem grundsätzlichen Problem klerikaler Macht verhindern.“ (Zusammenfassung Seite 17/18)

Mit Betroffenen zusammenarbeiten – volle Verantwortung übernehmen

Wir sind Kirche hält die angekündigte Zusammenarbeit vor allem mit den Betroffenen, aber auch staatlichen Strafverfolgungsbehörden für absolut notwendig. Unerlässlich ist aber auch die Aufhebung der gesetzlichen Verjährung für diesbezügliche Straftaten sowie der direkte Zugang zu allen kirchlichen Archiven für unabhängige staatliche Aufklärungsbeauftragte. Damit staatliche Stellen in Zukunft einen strengeren Blick auch auf die Kirchen werfen könnten, ist beispielsweise ein neues Bundesministerium für Opferschutz denkbar, das dann für alle Fälle sexualisierter Gewalt auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen zuständig wäre. Die finanziellen Zahlungen an Betroffene, die bisher oft lächerlich gering ausfielen und teilweise auch erst nach entwürdigenden Verfahren geleistet wurden, sind zusammen mit den Betroffenenorganisationen zu vereinheitlichen und neu zu bewerten.

In der römisch-katholischen Kirche, die sich wie keine andere auf Traditionen beruft, muss jetzt jeder Bischof, jeder Kleriker und jeder, der in der Vergangenheit an Verbrechen sexualisierter Gewalt und deren Vertuschung beteiligt war, die volle Verantwortung übernehmen. Ihr Handeln ist ein Verrat an der christlichen Botschaft und mitverantwortlich für die Abwendung so vieler Menschen von der Kirche. Die auch von Papst Franziskus propagierte Null-Toleranz erfordert es, ehemalige Täter nicht nur aus der Kinder- und Jugendseelsorge, sondern aus jeglicher sakramentalen und seelsorglichen Tätigkeit abzuziehen.

Nach der Veröffentlichung der MHG-Studie, deren Kernaussagen keineswegs neu sind, darf es kein Vertrösten oder Hinhalten mehr geben wie noch im Jahr 2010. Nach der damaligen Aufdeckungswelle initiierte der frühere DBK-Vorsitzende Erzbischof Robert Zollitsch einen bundesweiten Dialogprozess zur Wiedergewinnung von Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Dieser Dialogprozess wurde dann jedoch sehr schnell zu einem unverbindlichen Gesprächsprozess auch mit ganz anderen Themen herabgestuft und in den einzelnen Bistümern mit sehr unterschiedlicher Intensität betrieben. Dies darf sich auf keinen Fall wiederholen!

Weltweiter schmerzhafter, aber notwendiger Läuterungsprozess

Die katholische Kirche in Deutschland steht jetzt vor einem schmerzhaften, aber notwendigen Läuterungsprozess, denn durch ihr bisheriges Verschleppen einer grundlegenden Bekämpfung sexualisierter Gewalt hat die Kirchenleitung derzeit jede moralische Autorität verloren. Dies ist umso bedauerlicher, da jetzt ihre mahnende Stimme bezüglich einer solidarischen Gesellschaft, der Überwindung sozialer Spaltungen oder der Integration von Geflüchteten nicht überzeugen kann.

Wir sind Kirche appelliert erneut an die Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz, sich angesichts fadenscheinige Angriffe öffentlich an die Seite von Papst Franziskus zu stellen und ihn mit aller Kraft bei der weiteren Aufklärung sexualisierter klerikaler Gewalt zu unterstützen. Wenn am 3. Oktober 2018 in Rom die weltweite „Jugendsynode“ der Bischöfe eröffnet wird, so wird auch dort über diese brennende Thematik gesprochen werden müssen und sollten auch junge Menschen direkt zu Wort kommen.

Eine große Mitschuld an möglichen Fehlern des Vatikans bei der Aufklärung sexualisierter Gewalt durch Kleriker hat auch der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Zwischen Juli 2012 und Juli 2017 war er als Präfekt der Glaubenskongregation von Amts wegen für die weltweite Aufklärung und Prävention dieser Verbrechen verantwortlich. Doch bis zuletzt hat Kardinal Müller immer von Einzelfällen und Medienkampagnen gesprochen und die in der Struktur der zölibatären Männerkirche liegenden Zusammenhänge geleugnet.

Pressekontakte Wir sind Kirche-Bundesteam:
Magnus Lux , Tel: 0176 41266392, E-Mail: lux@wir-sind-kirche.de
Christian Weisner, Tel: 0172 5184082, E-Mail: presse@wir-sind-kirche.de

 

 

Zuletzt geändert am 26­.04.2019