Frühjahrsvollversammlung DBK Lingen (3)
„Bischöfe am Point of no return!“
Wir sind Kirche zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischofskonferenz in Lingen
Pressemitteilung München / Lingen, 14. März 2019 (Stand: 17:50 Uhr)
Wenn „Strukturierter Dialog“, dann deutlich partizipativer und verbindlicher
Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche begrüßt grundsätzlich, dass sich die deutschen Bischöfe auf ihrer Frühjahrsvollversammlung in Lingen wohl einstimmig, aber doch noch sehr vage für einen „strukturierten Dialog“ aller Teile des Kirchenvolkes ausgesprochen haben. Dieser muss, so Wir sind Kirche, auf jeden Fall deutlich partizipativer, transparenter und verbindlicher gestaltet werden als der sehr unbefriedigende, im Sande verlaufene „Gesprächsprozess“ in den Jahren 2011 bis 2015.
Dazu bedarf es einer Einbeziehung nicht nur des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, sondern auch der Frauen- und Männerorden, von Jugend und jungen Erwachsenen, der Betroffenen sexualisierter Gewalt und auch von Reformgruppen wie Wir sind Kirche. Nach der weltweiten Erschütterung, die die sexuelle Gewalt durch Kleriker ausgelöst hat, ist es jetzt an den Bischöfen, auf das Kirchenvolk zu hören, wenn sie noch glaubwürdig die Botschaft Jesu vertreten wollen.
Angesichts der erschütternden Ergebnisse der MHG-Studie sowie der galoppierenden Kirchenaustritte scheinen mittlerweile die allermeisten Bischöfe verstanden zu haben, dass es ein „Weiter so“ im bischöflichen Reden und Handeln nicht geben kann. Der Vorschlag eines „synodalen Prozesses“, den eine von der Bischofskonferenz beauftragte Arbeitsgruppe von vier Bischöfen gemacht hat und der vom Ständigen Rat der 27 Ortsbischöfe am 29. Januar 2019 noch abgelehnt worden war, scheint in der Vollversammlung der Bischofskonferenz, der auch die Weihbischöfe angehören, nun Zustimmung gefunden zu haben. Auch Wir sind Kirche hatte dies noch zu Beginn der Vollversammlung gefordert. Die Analyse der vier Bischöfe der „existenziellen Krise, die vom Missbrauchsskandal nicht ausgelöst ist, hierin wohl aber einen Brennpunkt findet“ (Auszug aus dem Strategiepapier der Bischöfe), und die von ihnen geforderten Reformen hätten auch von Wir sind Kirche nicht deutlicher formuliert werden können.
Noch kein konkretes Konzept der Bischöfe im Umgang mit sexualisierter Gewalt
Wir sind Kirche ist äußerst enttäuscht, dass gestern (13. März) von Bischof Dr. Stephan Ackermann, dem Missbrauchsbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz, in keinem wesentlichen Punkt wirklich konkrete Fortschritte vorgestellt werden konnten. Der angemessene Umgang mit Betroffenen und Tätern sexualisierter Gewalt scheint immer noch einige Bischöfe zu überfordern. Wenn es zu einer wirklichen Zäsur innerhalb der Kirche kommen soll, wie sie auch die Bischöfe anmahnen, dann muss auch die Bekämpfung sexualisierter Gewalt und ihrer Vertuschung noch deutlich effektiver gestaltet werden, und das von jedem Bischof ohne Ausnahme.
Nur durch ein noch energischeres gemeinsames Vorgehen der Bischofskonferenz kann die verspielte Glaubwürdigkeit gegenüber dem Kirchenvolk wie der Öffentlichkeit vielleicht schrittweise wiedergewonnen werden Der Weg der Aufarbeitung muss gemeinsam mit den Betroffenen sexueller Gewalt erfolgen, wie es die Bischöfe im September 2018 noch ausdrücklich zugesagt hatten. Aber auch der deutsche Staat ist gefragt, die römisch-katholische Kirche noch sehr viel stärker in die Pflicht zu nehmen, Standards für die Missbrauchs-Aufarbeitung zu entwickeln und die Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden einzufordern und auch zu erzwingen. Denn die Kirche ist kein Staat im Staate, das kirchliche Recht steht nicht über dem staatlichen Recht.
Frauen nicht nur in Leitungspositionen, sondern in Weiheämter
Bei der (am 12. März) in Lingen auch von Frauen vorgestellten „Studie Frauen in Leitungspositionen“ anerkennt Wir sind Kirche die Bemühungen der Frauen und etlicher Bischöfe, Frauen in Leitungspositionen zu fördern. Ein wesentlich deutlicheres Signal der Bischofskonferenz wäre es gewesen, wenn sie sich nicht nur allgemein für Frauen in Führungspositionen, sondern ganz konkret für den Frauendiakonat einsetzen würde, für den sich ja bereits die Würzburger Synode (1971-75) auch mit den Stimmen der Bischöfe (!) ausgesprochen hat.
Die Zeit drängt
Das Zeitfenster, in dem die Kirche ihre Glaubwürdigkeit wiedererlangen kann, schließt sich. Wenn nach dem KirchenVolksBegehren 1995 in Österreich die darin genannten Reformpunkte (geschwisterliche Kirche, Weihen für Frauen, freiwilliges Zölibat, Reform der Sexuallehre, Frohbotschaft statt Drohbotschaft) von der Kirchenleitung ernstgenommen und angegangen worden wären, wäre zumindest in den vergangenen 24 Jahren vielen Betroffenen großes Leid erspart worden. Anlass für das KirchenVolksBegehren, das damals fast 2,5 Mio. Menschen im deutschsprachigen Raum unterzeichnet hatten, waren ebenfalls die Vorwürfe schwerer sexueller Gewalt, in diesem Fall durch ehemalige Schüler des damaligen Wiener Kardinals Hans Hermann Groër.
Wir sind Kirche-Pressekontakt zur Frühjahrsvollversammlung in Lingen:
Christian Weisner, Dachau, Tel: 0172-5184082, presse@wir-sind-kirche.de
Magnus Lux, Schonungen bei Schweinfurt, Tel: 0176-41707725, lux@wir-sind-kirche.de
Dr. Magdalene Bussmann, Essen, Tel: 0201-236006, magda.bussmann@gmx.de
Dr. Wunibald Müller, Würzburg, Tel: 0931-273952, wunibald.mueller@yahoo.de
Annegret Laakmann, Haltern, Tel: 02364-5588, 0175-9509814 laakmann@wir-sind-kirche.de
Annegret Laakmann hatte bereits im Jahr 2002 das niederschwellige Wir sind Kirche-Nottelefon für Betroffene sexualisierter Gewalt in der Kirche aufgebaut und war bis 2014 Referentin der KirchenVolksBewegung.
Zuletzt geändert am 15.03.2019