Joseph Ratzinger in Hamburg
Wo ist die Klugheit des Kardinals geblieben?
Wir sind Kirche-Pressemitteilung, 3. Februar 1998
Den Besuch des deutschen Kurienkardinals Joseph Ratzinger in Hamburg, gerade zum jetzigen Zeitpunkt, nimmt die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche zum Anlaß, zu seiner Funktion als Präfekt der Glaubenskongregation, der direkten Nachfolgerin der „Hl. Inquisition“, einige Fragen zu stellen.
Kardinal Ratzinger ist einer der vier deutschen „Wahlmänner“ für die Wahl des nächsten Papstes und gilt als maßgeblich verantwortlich für den auf die deutschen Bischöfe ausgeübten Druck, aus der gesetzlichen Konfliktberatung schwangerer Frauen auszusteigen. Dies steht in einer Linie mit zahlreichen weiteren von ihm in jüngster Zeit beeinflußten Entscheidungen wie z. B. der Synoden-Instruktion, der Laien-Instruktion, dem Diskussionsverbot der Frauenordination sowie den Anweisungen zur Behinderung und Ausgrenzung der KirchenVolksBewegung.
Vor diesem Hintergrund fragt die KirchenVolksBewegung im Namen der großen Mehrheit reformorientierter Katholikinnen und Katholiken den einst fortschrittlichen Konzilstheologen:
- Wie kann die Kirche die vermutlich zahlreichen zusätzlichen Abtreibungen rechtfertigen, wenn sie ihre Beratung in Zukunft nur auf die Frauen konzentriert, die sich schon für ihr Kind entschieden haben?
- Wie läßt sich der in der jüngsten „dringlichen Bitte“ Roms zum Ausdruck kommende Vorrang der Prinzipienethik mit der von Jesus gelebten am Menschen orientierten Barmherzigkeit vereinbaren?
- Müßte bei dem unbedingten Einsatz der Kirche für das Leben konsequenterweise nicht auch die Militärseelsorge aufgegeben werden?
- Wie gedenkt die derzeitige Kirchenleitung in Rom, das von Bischof Stecher aus Innsbruck präzise dargelegte „theologische und pastorale Defizit“ in der Kirche auszugleichen?
- Wie will die römische Kurie dem Kirchenbild des II. Vatikanischen Konzils gerecht werden, wenn sie den Laien die Glaubensverkündigung untersagt und damit nach dem Priestermangel in Zukunft auch einen Laienmangel riskiert?
- Wann endlich wird in der Kirche die Gottesebenbildlichkeit der Frau nicht nur verbal beteuert sondern in kirchliche Strukturen umgesetzt, so daß auch Frauen Dienstämter ausüben können.
- Wie ernst ist es der römischen Kurie mit dem Bemühen um einen ökumenischen Dialog zur Überwindung der institutionellen Spaltung der Christenheit angesichts des Beharrens auf dem Jurisdiktionsprimat des Papstes?
- Warum weigert sich der Vatikanstaat seit 50 Jahren die Allgemeine Menschenrechtserklärung von 1948 zu unterzeichnen, wenn dem Papst der Respekt der Menschenrechte, wie in Cuba wieder zu erleben war, so vordringlich erscheint?
- Welche (Droh-)Botschaft hat die deutsche Kirche als nächstes aus Rom zu erwarten?
Vortrag von Joseph Kardinal Ratzinger: „Glaube zwischen Vernunft und Gefühl“, Dienstag, 3. Februar, 20 Uhr, Börsensaal der Handelskammer, Adolphsplatz 1, 20457 Hamburg
Zuletzt geändert am 28.06.2022