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Veröffentlicht am 27­.12.2024

Norbert Scholl

Einige Gedanken im Zusammenhang mit der „Weltbischofssynode“

Im Oktober endete die von Papst Franziskus im Herbst 2021 ausgerufene „Weltbischofssynode“. Sie fand leider selbst innerhalb der Kirche wenig Beachtung. Ich glaube nicht, dass je ein Pfarrer einmal dazu eine Predigt gehalten hat. Das finde ich bedauerlich. Denn die Form der Synode und vor allem ihre Ergebnisse könnten, wenn sie denn beachtet und vor allem in die Tat umgesetzt würden, ein ziemlich radikale Wende vor allem in der Kirchenstruktur bringen. Die Synode beschäftigte sich auf Wunsch des Papstes eingehend mit der Frage, wie die katholische Kirche ihre Entscheidungen finden und welche Formen von Mitbestimmung es dabei geben soll. Der Klerikalismus soll verschwinden. Dieser weltweite synodale Prozess stand unter dem Leitmotiv: „Eine synodale Kirche - Gemeinschaft, Mission, Partizipation". Synode kommt vom Griechischen syn = mit und hodós = Weg. Also: miteinander auf dem Weg, nicht: einer geht vorneweg und die anderen haben hinterher zu marschieren im gleichen Schritt und Tritt.

Nicht mehr Papst und Bischöfe haben zu bestimmen, wo es lang geht, sondern alle – Gemeinschaft. Nicht mehr „die da oben“  haben allein zu entscheiden, sondern alle miteinander. „Partizipation“ soll das Motto sein - Teamarbeit nicht Klerikalismus, Weltoffenheit nicht Abkapselung, keine Männerherrschaft sondern gleichberechtigte Teilhabe auch der Frauen.

Der synodale Prozess (Prozess heißt auf Deutsch: Fortschritt!) begann zunächst auf Ebene der Diözesen, dann der Kontinente und endete mit der Weltkirchen-Phase: In zwei je 4-wöchigen Versammlungen im Oktober 2023 und 2024 wurde in Rom bei der „Weltbischofssynode“ über die Ergebnisse des weltweiten Konsultations- und Beratungsprozesses beraten und abgestimmt. Zum ersten Mal hatten bei einer Synode Nicht-Bischöfe und „Laien“ – Männer und Frauen -  ein Stimmrecht.

Vollversammlung im Oktober 2024

Bei der Vollversammlung im Oktober 2024 in Rom waren mehr „Laien“ als bei früheren Synoden dabei; einige von ihnen auch mit Stimmrecht. Aus Deutschland nahmen die Bischöfe Georg Bätzing (Limburg), Bertram Meier (Augsburg), Franz-Josef Overbeck (Essen), Felix Genn (Münster) und Stefan Oster (Passau) sowie der von Franziskus abgehalfterte frühere Vorsitzende der Glaubenskongregation, Kardinal Müller, teil. Unter den eingeladenen „Laien“ waren der Exeget Thomas Söding, Vizepräsident des ZdK, und der in Paris lehrende Theologe und Jesuit Christoph Theobald. Als Beraterin berufen wurde die in Erfurt lehrende niederländische Kirchenrechtlerin Myriam Wijlens. Insgesamt zählte die Synode 375 Mitglieder, darunter rund 275 Bischöfe, etwas mehr als 50 Priester und Ordensleute sowie 45 „Laien“, Frauen und Männer. Dazu kamen noch 8 „Gäste/Beobachter" sowie rund 75 Männer und Frauen als „Experten".

Der „synodale Prozess“ ist ein Herzensanliegen von Papst Franziskus. Er will damit erreichen, dass sich die Weltkirche selbst besser kennenlernt, dass sie ihr synodales Wesen entdeckt und im geschwisterlichen Austausch die „Zeichen der Zeit“ erkennt. Das erscheint auf den ersten Blick wenig. Welche Hindernisse aber schon der Verwirklichung dieses bescheidenen Anliegens im Weg stehen, machte Bischof Overbeck von Essen in einem Interview deutlich. „In unserer deutschen Gesellschaft ist die Frage der Gleichberechtigung von Frau und Mann eine völlig andere als z.B. in vielen anderen Gesellschaften des globalen Südens. Am Anfang habe ich bei vielen Kollegen eine sehr skeptische Haltung wahrgenommen. Manche waren wirklich ablehnend und sagten mir, das sei nicht katholisch. Das ist ein Denkmuster, das ich bereits aus vielen anderen Zusammenhängen kenne. Im Verlauf der Synode hörte ich solche Bemerkungen immer weniger, dafür wurden sie zunehmend nachdenklicher.“

Frauendiakonat

Es ist also nicht verwunderlich, dass noch rund ein Drittel der Synodalen dagegen stimmte, die Möglichkeit von weiblichen Diakonen auch nur zu prüfen. Dazu muss man aber bedenken, dass 30 Jahre zuvor Papst Johannes Paul II. diese Diskussion ausdrücklich verboten hatte. (So etwas kennen wir aus Diktaturen!). Im Mai 1994 hatte er erklärt: „Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken, dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben." Starker Toback!

Und nun beschäftigt sich die katholische Kirche in einer von einem anderen Papst ausgerufenen Weltsynode genau mit diesem (verbotenen) Thema. Das macht deutlich, was ein solches „Basta!“ angesichts der vom Papst seit 1870 beanspruchten Unfehlbarkeit (noch) wert ist: Eine Zweidrittelmehrheit von Bischöfen aus aller Welt nimmt das Dogma von der päpstlichen Unfehlbarkeit nicht mehr ernst. Ich würde gerne einmal wissen, was unser Freiburger Erzbischof Burger dazu sagt; wahrscheinlich würde er sich der Stimme enthalten, wie er das 2022 beim deutschen „Synodalen Wegs“ getan hat. Nachdem über 80 Prozent aller Synodalen (incl. Bischöfe) dem Grundtext zur Sexualmoral zugestimmt hatten, scheiterte die Annahme an der Sperrminorität der Bischöfe. Von den 57 abgegebenen bischöflichen Stimmen votierten 31 dafür, 22 dagegen und drei enthielten sich. 3 stimmten offenbar gar nicht ab, da laut Synodalpräsidium 60 Bischöfe teilnahmen. Fast 40 Prozent der Bischöfe verweigerten somit dem Text die Zustimmung. EB Burger enthielt sich der Stimme (was er übrigens auch bei allen anderen Abstimmungen tat! – ein enthaltsamer Mensch) und bewirkte dadurch zusammen mit den Neinsagern, dass die erforderliche Zweidrittelmehrheit der Bischöfe nicht zustande kam.

Zurück zur Weltsynode! Bei der Abstimmung zu den einzelnen Absätzen des Schlussdokuments gab es eine klare Mehrheit für den Text, der jetzt unmittelbar in den Ortskirchen umgesetzt werden soll. Die meisten Gegenstimmen erhielt ein Absatz, der mehr Anerkennung für Frauen innerhalb der Kirche fordert. Wörtlich heißt es in dem Absatz: „Auch die Frage des Zugangs von Frauen zum diakonischen Dienst bleibt offen; die geistliche Unterscheidung in dieser Frage muss weitergehen“. Es gebe keinen Grund, warum Frauen in der Kirche keine führenden Rollen übernehmen dürften: „Was vom Heiligen Geist kommt, darf nicht gebremst werden“. Alle Möglichkeiten, die das Kirchenrecht schon jetzt in dieser Hinsicht vorsehe, seien „voll auszuschöpfen“. Der Absatz erhielt 97 Gegenstimmen, wurde aber mit 258 Ja-Stimmen dennoch angenommen.

Bischof Bätzing und Claudia Lücking-Michel zur Weltsynode

Das Thema Frauendiakonat ist noch lange nicht vom Tisch. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Bätzing erklärte, er habe dem Präfekten der Glaubenskongregation zwei Briefe dazu geschrieben. Im ersten Brief habe er die Argumente und das Papier des deutschen Synodalen Wegs zum Thema zugeschickt. In einem weiteren Brief habe er darauf reagiert, dass der Präfekt zu Beginn der Synode vorgetragen habe, dass die Zeit noch nicht reif für ein Frauendiakonat sei. „Das sehe ich ganz anders ". Im Rückblick auf die Weltsynode sprach Bätzing von dem „Riesenfrust", den es für ihn bedeutet habe, dass alle Themen außer dem Thema „Synodalität“ wieder aus der Synode ausgelagert wurden, obwohl der Papst zuvor angekündigt habe, es dürfe über alles gesprochen werden. Bätzing erklärte, dort wo im Abschlussdokument die zehn Arbeitsgruppen beschrieben werden, sei es nicht gelungen, zu sagen: Deren Ergebnisse gehören wieder in eine Synode. „Das wäre für mich das Minimum gewesen."

Mit Blick auf das Thema Missbrauch berichtete Bätzing, man habe erhebliche Energie aufbringen müssen, damit das, was jetzt über Missbrauch im Abschlussdokument stehe, dort aufgenommen werde. Er selbst habe beiden betreffenden Passagen nicht zugestimmt: „Weil ich es leid bin, von Unzulänglichkeiten der Kirche zu sprechen, wenn es um systemische Ursachen geht."

Claudia Lücking-Michel, Mitglied im Synodalen Ausschuss und Vizepräsidentin des ZdK, ärgert sich: „Jetzt wird das Thema wieder in die nächste Theologenkommission zurückgeholt. Wie lange sollen Frauen noch darauf warten, dass irgendjemand sich mal bewegt und sagt: Ach ja, jetzt könnt ihr auch noch Diakonin werden? Im Ausdruck werden Frauen geschätzt für ihre Leidensfähigkeit, für ihre Mütterlichkeit und Herzlichkeit – da werde ich ganz nervös. Meine Leidensfähigkeit ist zu Ende. Wann werden Frauen wohl dafür geschätzt, dass sie die Kirche gestalten und die Theologie voranbringen?“

Keine konkreten Reformschritte

Das Abschlussdokument benennt – leider – keine konkreten Reformschritte. Aber es stellt immerhin fest, ein synodaler Stil in der Kirche ermögliche „es den Ortskirchen, sich in unterschiedlichem Tem­po zu bewegen“. Das öffnet mutigen Bischöfen und Laien den Weg für zukünftige Weiterentwicklungen in Lehre und Praxis der Kirche. Die immer wieder vorgebrachten War­nungen vor ortskirchlichen Alleingängen verlieren deutlich an Überzeugungskraft, wenn es weiter heißt: „Unterschiede im Tempo können als Ausdruck legiti­mer Vielfalt und als Gelegenheit zum Austausch von Gaben und zur gegenseitigen Bereicherung gewürdigt werden.“ Was würde denn passieren, wenn ein reformfreudiger und mutiger Bischof untern Berufung auf diese Sätze verheiratete Män­ner zu Priestern weiht – nur für „seine“ Diözese und in engem Aus­tausch mit den Gläubigen? Oder Frauen zu Diakoninnen? Könnte ihn der Papst dann so einfach suspendieren?Bischof Bätzing mahnt eine kirchenrechtliche Absicherung synodaler Strukturen in der katholischen Kirche an. „Es braucht eine rechtliche Fassung der Kontrolle und Transparenz und der Rechenschaftspflicht der kirchlichen Autoritätsträger. So lange das nicht noch viel stärker gefasst ist, besteht immer die Gefahr eines Rückfalls in die alte Kultur."

Bisher haben Päpste immer aus den Ergebnissen einer Synode etwas Eigenes gemacht. Papst Franziskus hat sich das vorliegende Synodendokument unverändert zu Eigen gemacht Das ist neu. Bischof Bätzing bezeichnete das Synodendokument als aus seiner Sicht „zu zaghaft, aber unumkehrbar". Er wünsche sich, dass gerade in Deutschland die Ergebnisse der Synode nicht kleingemacht würden und ermunterte, damit weiter zu arbeiten. „Wir wollen eine gediegene Form der Verstetigung von Synodalität in unserem Land haben."

In seiner Ansprache zum Ende der Weltsynode erklärte der Papst:  „Das Schlussdokument enthält bereits sehr konkrete Hinweise, die eine Richtschnur für die Mission der Kirche auf den verschiedenen Kontinenten in den verschiedenen Kontexten sein können."

Wir sind Kirche und pro concilio an die deutschen Bischöfe

Ende November, vier Wochen nach Ende der Weltsynode, haben die Reformbewegungen Wir sind Kirche und pro concilio die deutschen Erzbischöfe und Bischöfe dazu aufgefordert, jetzt endlich einmütig den Prozess der Synodalität auf der Ebene der Ortskirchen weiterzuführen und weiterzuentwickeln, so wie es Papst Franziskus erwartet: „Ab jetzt gemeinsam Synodalität auf allen Ebenen praktizieren!“ Mit dieser Weltsynode wurden eine kirchengeschichtliche Wende vollzogen und neue Wege für ein neues Miteinander in der Kirche eröffnet. An dem Anspruch von Synodalität, nämlich an der Beteiligung des gesamten Kirchenvolkes sowie an Transparenz und Rechenschaftspflicht der Bischöfe, ist das weitere Handeln der Bischöfe in Deutschland zu messen. Die Weltsynode hat viele Reformthemen angesprochen, aber wichtige wurden ausgelagert, noch nicht konkret geregelt oder offen gelassen. Das muss jetzt in Deutschland in synodaler Geschwisterlichkeit von Bischöfen und Laien angepackt werden. Der deutsche Synodale Weg erhält durch die Weltsynode Rückenwind, um die dort beschlossenen Ziele im Synodalen Ausschuss konkret weiterzuverfolgen. Denn der Papst hat den Beteiligten den Auftrag erteilt, auf allen Ebenen der Kirche Gremien zur Mitwirkung einzurichten. Der zunächst von Rom abgelehnte Synodale Ausschuss kann also seine Arbeit aufnehmen. Wir appellieren deshalb an die vier Bischöfe (Woelki, Voderholzer, Hanke, Oster), die den Synodalen Weg bislang nicht oder nur höchst selektiv mitgegangen sind, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und sich jetzt nach der Billigung durch den Papst  konstruktiv zu beteiligen. Nur gemeinsam kann es den deutschen Bischöfen gelingen, dem massiven Glaubwürdigkeitsverlust zu begegnen, den Missbrauch, Vertuschung und Reformstau verursacht haben. Die deutschen Bischöfe müssen sich aber auch mit anderen europäischen Bischöfen zusammentun, wenn sie im Vatikan Gehör finden wollen, denn isolierte Vorschläge aus Deutschland finden bislang in Rom keine Beachtung.

Eine Sondersituation ergibt sich in Deutschland, wo durch den „Synodalen Weg“ ein gemischtes Gremium namens „Synodaler Ausschuss“ auf den Weg gebracht wurde – zunächst mir Ablehnung aus Rom, jetzt nach der Weltsynode mit Zustimmung. Ob und wie der umstrittene Ausschuss aus Laien, Priestern und Bischöfen versuchen wird, sich in die weltweiten Beratungen einzubringen, ist noch unklar. Zunächst einmal muss er sich ordnungsgemäß konstituieren und eine Satzung sowie eine Geschäftsordnung festlegen.

Falls das neue deutsche Synodale Gremium vor allem mit sich selbst befasst wäre, würde es allerdings ausgerechnet in der entscheidenden Phase der Konkretisierung der noch reichlich vagen Ergebnisse der Weltsynode die Chance verpassen, auf Weltebene inhaltlich mitzuspielen. Die Deutsche Bischofskonferenz will sich bei  ihrer Frühjahrsvollversammlung (19.- 22. 2.) mit dem deutschen Synodalen Ausschuss und mit dem Fortgang der Weltsynode befassen. Diese Reformvorschläge sind größtenteils als Anregungen oder Vorschläge zum weiteren Nachdenken formuliert: „Der synodale Prozess ist nicht mit dem Ende der gegenwärtigen Versammlung der Bischofssynode abgeschlossen, sondern er umfasst auch die Phase der Umsetzung" (Nr. 9). Jetzt geht es dorthin zurück, wo 2021 alles angefangen hat: in die Ortskirchen. Hier müssen die Beschlüsse umgesetzt werden, denn von sich aus entfalten sie keine Wirkung. Auch wenn die Weltsynode selbst keine direkten Reformen beschlossen hat, können und müssen sich hieraus konkrete  Maßnahmen ergeben, die Kirche synodaler zu gestalten. Und es ist dringend nötig, diese zeitnah zu nutzen: „Ohne konkrete Veränderungen auf kurze Sicht wird die Vision einer synodalen Kirche nicht glaubwürdig sein, und dies wird jene Mitglieder des Volkes Gottes entfremden, die aus dem synodalen Weg Kraft und Hoffnung geschöpft haben" (Nr. 94), heißt es im Abschlussdokument. „Die Ortskirchen müssen Wege finden, um diese Veränderungen umzusetzen.“

 

 

 

Zuletzt geändert am 27­.12.2024