17.7.2014 - Christ &Welt
Gesagt ist nicht gesagt
Es gibt Leute, die sagen, im Vatikan habe Franziskus gar keine Freunde. Das ist mehr politisch gemeint als persönlich. Will sagen: Keiner unterstützt ihn wirklich, er meint allen misstrauen zu müssen bei seiner Mission, die Kirche zu verändern. Kann demgegenüber Scalfari als Freund gelten? Der Kirchen- und Vatikankritiker, der legendäre' italienische Publizist, Gründer und langjährige Chefredakteur der tonangebenden. "La Repubblica"? Zum Zweiten Mal hat Scalfari mit dem Papst gesprochen. Eigentlich muss man Sagen: Zweimal haben sie "öffentlich" gesprochen. Denn Scalfari fabrizierte aus den Unterhaltungen zweimal Texte für seine Zeitung.
. Nun hat dieses neue "Interview" wie das vorangegangene wieder für doppelte Aufregung gesorgt. Die Welt ist einerseits erstaunt über die Aussagen des Papstes: Kindesmissbrauch durch Kardinäle und Bischöfe! Priester, welche die Mafia unterstützen! Der verpflichtende Zölibat als ein lösbares Problem der Ökumene! Das taugt. für Schlagzeilen. Andererseits dementiert der Vatikan, Was der Papst gesagt haben soll. Scalfaris Methode ist unkonventionell: Er schreibt „aus der Erinnerung“ die Papst-Zitate auf, kein Rekorder läuft mit. Autorisieren lässt er die Zitate nicht. Vatikansprecher Federico Lombardi empört sich über diese subversive Arbeitsweise und relativiert die vermeintlichen Papst-Äußerungen im Sinne der vatikanischen Sprachregelungen. Nur weiß man nicht ganz sicher, ob er über das, Dementi mit dem Papst selbst gesprochen hat. Bei Scalfari ist immerhin gesichert, dass er Franziskus getroffen hat. Das macht die Lage kompliziert.
Genauso wie in die Aussagen interpretieren nun die Beobachter auch in diese Praxis einiges hinein. Ist der Papst getäuscht worden? Oder wählt Franziskus diese Methode, um Unruhe auszulösen, aber nicht festlegbar zu sein? Solch ein trickreiches Vorgehen ließe sich in der Tat nur mit echten Freunden veranstalten.
Die Reform der Kurie und auch ein Wandel der Kirche, ohne dass es sie zerreißt, das ist wohl eine solch übermenschliche Aufgabe, dass der Papst möglicherweise eine derartige intellektuelle Guerilla-Taktik wählt. Er muss Impulse setzen und zugleich Nebelkerzen werfen. Dabei kommen dann 'Sätze heraus, die bestehen .bleiben, ohne dass der Urheber zweifelsfrei feststünde. Sie haben dennoch ungeheure Kraft. Bei Scalfai 1 wurde Franziskus etwa mit dem Satz zitiert: "Wenn ich einen Klerikalen vor mir habe, werde ich mit einem Schlag antiklerikal. Klerikalismus, sollte nichts mit dem Christentum zu tun haben." Wenn Franziskus so denkt, ist doch klar, warum er lieber mit Scalfari plaudert. Oder denkt sich der nun 90-jährige Scalfari so etwas aus? Es ist zu vermuten, dass zum Verdruss vieler "seriöser" Journalisten der Papst auch noch ein drittes Mal mit Scalfari reden wird. Wer dabei seinen Nutzen hat und wer wen ausnutzt, das weiß man in guten Freundschaften eben nie so genau.
Zuletzt geändert am 21.07.2014